Gesundheitsminister Spahn

Es gibt keine Zwei-Klassen-Medizin

Bundesgesundheitsminister Spahn sieht keine Ungleichbehandlung von Kassenpatienten im Vergleich zu Privatpatienten. Aufhorchen lässt er mit Äußerungen zum Reiz-Thema Schwangerschaftsabbrüche, die ihm sofort Kritik von vielen Seiten einbringen.

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Nach seinen Äußerungen zu Hartz IV sorgt der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erneut für Wirbel. (Archivbild)

Nach seinen Äußerungen zu Hartz IV sorgt der neue Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erneut für Wirbel. (Archivbild)

© Robert Schlesinger / dpa

BERLIN. Der neue Gesundheitsminister Jens Spahn hat den lange von der SPD erhobenen Vorwurf zurückgewiesen, es gäbe in Deutschland eine Zwei-Klassen-Medizin.

"Natürlich können sich manche das Einzelzimmer leisten. Entscheidend ist aber, dass niemand eine Behandlung "zweiter Klasse" bekommt", sagte der CDU-Politiker der "Bild am Sonntag": "Auch Kassenpatienten werden auf höchstem medizinischen Niveau behandelt."

Wie im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart, will er aber für eine Ausweitung der Sprechzeiten von Kassenärzten sorgen, damit gesetzlich Versicherte weniger lange auf Termine warten müssen.

Wie ebenfalls von der Großen Koalition beschlossen, kündigte Spahn an, die Demenz-Forschung zu intensivieren. Mit Forschungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) will er bereits existierende Forschungsprogramme und Leuchtturmprojekte ausbauen und die Kräfte in Europa bündeln.

Eine Chance liege in der Nutzung von Big Data, sagte er: "Wenn wir die Daten von Millionen Demenzkranken in Europa anonymisiert zusammenführen und auswerten könnten, würden wir bestimmt neue Erkenntnisse erlangen."

Eine weitere Stellschraube seien die Medikamentenpreise: "Die Entwicklung von Medikamenten gegen Demenz muss sich lohnen. Die Preise für neue Arzneimittel müssen so sein, dass es sich lohnt, für echte Innovationen, für wirklichen Fortschritt, etwa bei Demenz, zu forschen", sagte Spahn.

Scharfe Worte zu Schwangerschaftsabbrüchen

Scharfe Äußerungen wählte Spahn beim Reiz-Thema Schwangerschaftsabbrüche. Zu Bestrebungen der SPD, das Werbeverbot für solche Eingriffe abzuschaffen, sagte der Bundesgesundheitsminister der "Bild am Sonntag", ihn wunderten die Maßstäbe: "Wenn es um das Leben von Tieren geht, da sind einige, die jetzt für Abtreibungen werben wollen, kompromisslos. Aber in dieser Debatte wird manchmal gar nicht mehr berücksichtigt, dass es um ungeborenes menschliches Leben geht."

Von SPD und Opposition erntete er umgehend heftigen Widerspruch. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) betonte: "Ich verlasse mich auf das Wort der Kanzlerin, die zugesagt hat, eine gute Lösung für alle Beteiligten zu finden." Es gehe nicht um Werbung, sondern um Information. "Daran muss jetzt die gesamte Bundesregierung arbeiten", sagte Barley am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur.

Ärzte bräuchten Rechtssicherheit und Frauen Unterstützung in einer Krisensituation. SPD-Fraktionsvize Katja Mast sagte: "Jens Spahns durchsichtige Effekthascherei nervt." SPD-Gesundheitsexperte Professor Karl Lauterbach warf Spahn vor, mit Zuspitzung zu spalten, was ungut für die Debatte sei.

Junge Union verteidigt Minister

Unterstützung erhielt Spahn von der Jungen Union. "Mit uns wird es keine Erlaubnis geben, für Schwangerschaftsabbrüche zu werben, weder heute noch in dieser Legislaturperiode", sagte der Vorsitzende der Unions-Nachwuchsorganisation, Paul Ziemiak der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vor parteiinternen Beratungen.

"Insofern finde ich die Debatte sogar richtig, dass wir klar sagen, wofür wir stehen." Die Union sei in dieser Frage klar aufgestellt.

Die Fraktionschefs von Union und SPD hatten sich darauf verständigt, dass die Regierung einen Vorschlag in dieser Frage vorlegen soll. Die SPD zog daraufhin einen Antrag für ein Aus des Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a zurück, der Werbung für Abtreibungen verbietet.

Diese sind in Deutschland grundsätzlich verboten, aber in Ausnahmen oder nach Beratung der Frau unter Bedingungen möglich.

Der Paragraf 218ff, der dies regelt, ist ein nach langen Debatten gefundener Kompromiss. Im vergangenen Jahr wurden rund 101.200 Abbrüche vorgenommen.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter monierte, wieder versuche sich Spahn mit Hardliner-Positionen zu profilieren, "diesmal auf Kosten von Frauen in Notlagen und in Gewissensnöten".

Erst kürzlich hatte Spahn mit Äußerungen für Wirbel gesorgt. Da ging es um Hartz-IV-Sozialleistungen, die "nicht Armut" bedeuteten, sondern die Antwort der Solidargemeinschaft auf Armut seien. (dpa)

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Kommentare
Rudolf Hege 20.03.201814:28 Uhr

Klassenkampf statt Ursachendiagnose...

Richtig ist, man bekommt als Privatpatient (oft, aber nicht immer) schneller einen Termin. Falsch ist, man bekommt als Kassenpatient deshalb keinen früheren Termin, weil die Privatpatienten ihn bekommen. Richtig ist, man muss als Kassenpatient deshalb länger warten, weil immer mehr Patienten die Wartezimmer frequentieren, darunter viele mit Bagatellerkrankungen. Wer einen Hexenschuss hat, braucht keinen Orthopäden, sondern mehr Bewegung. Falsch ist daher, wenn die Privatpatienten nicht mehr anders behandelt würden, kämen die Kassenpatienten früher dran. Richtig ist, dass es mehr Termine gäbe, wenn es noch mehr Ärzte gäbe. Die müssten wir dann allerdings mit unseren Beiträgen auch bezahlen, was zu einem Beitragsanstieg führt. Außerdem ist das ein Fass ohne Boden, denn noch mehr Ärzte würden die Patienten zu noch mehr Konsultationen verführen, je einfacher und schneller der Zugang ist. Warum nicht eine Dritt- oder Viertmeinung einholen?

Dr.med. Henning Fischer 20.03.201810:27 Uhr

dümmer gehts nimmer

5% der Deutschen sind privat versichert.

ein Facharzt hat 100 Termine zu vergeben, 5 davon reserviert er für Privatpatienten (weil es bei denen kein Budget gibt), die kommen schneller dran.

Die Wartezeit für GKV-Patienten beträgt bei ihm 50 Tage. Nun werden die 5 Privattermine gestrichen.

Folge: die GKV-Patienten warten nun statt 50 49 Tage
Es wir also für GKV-Patienten nicht besser, für Privatversicherte aber viel schlechter

Das ist nicht anderes als dämlicher und übler Klassenkampf, populistischer Nonsens.

Das deutsche Volk wird verarscht/läßt sich verarschen (siehe Plasberg)

Katrin Koelle 20.03.201802:03 Uhr

Schön wäre es...

Das Niveau der Behandlung mag generell gleich sein. Wenn aber Kassenpatienten mittlerweile regelmäßig zwischen drei und sechs (!) Monate auf einen Facharzttermin warten müssen, Privatversicherte jedoch diesen Termin innerhalb von maximal zwei Wochen erhalten - was, bitte, ist das dann anderes als eine Zwei-Klassen-Medizin?

Von Gleichstellung kann man auch kaum reden, wenn Kassenpatienten bestimmte Medikamente oder Leistungen nicht oder nur nach zähem Ringen mit ihrer Kasse bekommen, während privatversicherte Leidensgenossen sie ohne Probleme erhalten.

Von den (aus meiner Sicht etwas albernen) Spezialwartezimmern für Privatversicherte rede ich gar nicht. Wären sie das einzige Problem, hätte Spahn recht. Da dem nicht so ist, geht seine Aussage aber leider völlig an der Realität vorbei.

Kurt-Michael Walter 19.03.201813:47 Uhr

Upps, schlecht gelaufen: Erste Arbeitsfehler eines "Ahnungslosen"?


Statements zur Zweiklassenmedizin und zu Schwangerschaftsabbrüchen entlarven die absolute Ahnungslosigkeit des neuen Gesundheitsministers Jens Spahn.

Nur mit der Rhetorik eines Hardliners in „Eigener Sache“ zu sozial- und gesundheitspolitischen Themen wird er nicht lange durchhalten.

Völlig unverständlich diese "Handwerksfehler" zumal der neue Gesundheitsminister noch auf die alte Mitarbeiterriege seines Vorgängers im Gesundheitsministerium zurückgreifen könnte.

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