Hausärzte schuften am meisten

Eine Arbeitszeit von 58 Stunden pro Woche, aber viel zu wenig Zeit für die Patienten: Das beklagen die Hausärzte in Deutschland, wie eine Umfrage unter Niedergelassenen zeigt. Doch nicht nur die Arbeitsbelastung und Bürokratie machen den Ärzten zu schaffen. Es gibt aber auch Positives.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:

BERLIN. Eigentlich könnte alles so schön sein: 72 Prozent der niedergelassenen Ärzte empfinden die eigene Arbeit als nützlich und sinnvoll.

53 Prozent stimmen der Aussage "meine Arbeit macht mir Spaß" voll und ganz zu. 59 Prozent würden den Arztberuf wieder ergreifen.

Das hat eine Umfrage unter 11.000 niedergelassenen Haus- und Fachärzten und Psychotherapeuten ergeben. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat die Ergebnisse des sogenannten "Ärztemonitors" zusammen mit dem NAV-Virchow-Bund am Dienstag in Berlin vorgestellt.

Es herrsche eine hohe Zufriedenheit unter den Ärzten, sagte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler.

Insgesamt sind Ärzte sehr zufrieden mit ihrem Beruf

Sogar mit ihrem Einkommen seien die meisten Ärzte einverstanden: Zehn Prozent der befragten Ärzte gaben an, sie seien "sehr zufrieden", 49 Prozent sind "eher zufrieden". Lediglich zehn Prozent sind "sehr unzufrieden" mit ihrer finanziellen Situation.

Der Berufsstand ziehe seinen Selbstwert nicht nur aus materiellen Aspekten - das werde den Ärzten immer wieder "fälschlicherweise" vorgeworfen, so Köhler.

Dennoch: Es gibt Wermutstropfen. 50 Prozent der Befragten gaben an, dass sie am Ende des Tages "völlig erledigt" seien. 29 Prozent fühlten sich nach getaner Arbeit sogar "ausgebrannt".

Das betrifft vor allem die Gruppe zwischen 45 und 49 Jahren, die im Schnitt eine hohe Patientenzahl bewältigen. Hausärzte versorgen laut der Studie 53 Patienten am Tag, bei Fachärzten sind es täglich 41 Patienten.

Psychotherapeuten, die naturgemäß deutlich weniger Patienten pro Tag behandeln - im Durchschnitt sieben - sind mit ihrem Beruf zufriedener, sagt Robert Follmer, Studienleiter des "Ärztemonitors" vom Institut für angewandte Sozialwissenschaften infas. Sie hätten zwar weniger, dafür aber intensivere Kontakte mit ihren Patienten.

Ärger über zuviel Bürokratie

"Die Arbeitsbelastung der Ärzte ist hoch", so Köhler. Im Schnitt arbeiteten Haus- und Fachärzte 55 Stunden in der Woche (Hausärzte: 57,6 Stunden, Fachärzte: 55,3, Psychotherapeuten: 42,4 Stunden).

60 Prozent der Zeit entfielen bei Hausärzten auf Sprechstunden. Fachärzte würden 62 Prozent ihrer Zeit direkt den Patienten widmen.

"Viel zu wenig", beklagen die Ärzte. Zu viel Zeit entfiele auf Bürokratie. "Die Verwaltungsarbeit macht den zweitgrößten Anteil an der Gesamtarbeitszeit aus", sagt Köhler.

Ärzte bräuchten wieder mehr Freiräume, um für ihre Patienten da sein zu können, forderte der KBV-Chef. Das Motto müsse lauten: "versorgen statt verwalten."

Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bundes, betonte, dass die Praxisgebühr dringend abgeschafft werden müsse. Das würde die Ärzte enorm entlasten.

Bereits im März hatte die KBV darauf hingewiesen, dass jeder niedergelassene Arzt und sein Praxisteam jährlich rund 120 Stunden aufwende, um die Praxisgebühr einzubehalten und zu quittieren.

Familie und Beruf für Ärzte wichtig

Die Pläne für private Aktivitäten müssten zudem oft geändert werden, weil berufliche Verpflichtungen dazwischen kommen würden (26 Prozent). 17 Prozent sagten sogar, dass die Anforderungen der Arbeit das Privat- und Familienleben "stören".

Heinrich forderte Konsequenzen aus den Umfrageergebnissen: "Die Ärzte arbeiten an der Belastungsgrenze", so Heinrich. Daher müsse man weg von den hohen Fallzahlen in den Praxen.

Kassen: Zeitlicher Spielraum für mehr Sprechzeiten vorhanden

Der GKV-Spitzenverband beurteilte den Ärztemonitor kritisch: Ärzte könnten leicht mehr Zeit für ihre Patienten erhalten, sagte Florian Lanz, Sprecher des Verbandes.

Der Verband habe im Jahr 2009 selbst eine Umfrage beim Marktforschungsinstitut FORSA in Auftrag gegeben. Demnach haben niedergelassene Haus- und Fachärzte im Schnitt 28,5 Stunden pro Woche Sprechstunde.

Rechne man Termine nach Vereinbarung hinzu, kämen Fachärzte auf knapp 32 Stunden, die sie im Durchschnitt ihren Patienten zur Verfügung stünden.

Die große Mehrheit der Hausärzte biete darüber hinaus Hausbesuche an und erreicht so durchschnittlich 36 Stunden. "Den zeitlichen Spielraum für mehr Sprechzeiten scheint es auf jeden Fall zu geben", so Lanz.

Lesen Sie dazu auch den Standpunkt: Kein Beruf für Hedonisten

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Kommentare
Dr. Matthias Peisler 06.06.201208:47 Uhr

GKV Spitzenverband - No Comment?

Ich bin mir sicher, dass viele Hausärzte (Allgemeinmediziner, Internisten wie Pädiater) gerne Herrn Florian Lanz (Sprecher des GKV-S(p)itzenVerbandes) auf eine Arbeitswoche oder mehr mitnehmen würden um ihm die aktuelle Realität des Hausärztlichen Alltags in praxi zu zeigen.
Derartige Aussagen und Wertungen über unseren ärztlichen Alltag (..."Ärzte könnten leicht mehr Zeit für ihre Patienten erhalten...") von ''Nichtklinischpraktizierenden'' sind für jene Administatoren des Systems selbstredend disqualizifierend!

Dr. Bernhard Fries 05.06.201220:39 Uhr

Hohe Zufriedenheit....

Na ich weiss nicht, ob das für eine "hohe Zufriedenheit" spricht, wenn 41% der Ärzte ihren Beruf nicht! mehr ergreifen würden.... - mich wunderte schon vor Tagen die so erfreulichen Meldungen der KBV bezüglich dieser Befragung. Man kann die Ergebnisse halt immer so und so sehen...

Wie stellt sich der GKV -Spitzenverband bei einem Hausarzt mit durchschnittlich 36 Stunden Patientenkontakt und gut 57 Stunden Wochenarbeitzeit insgesamt vor, so ganz einfach mehr Sprechzeiten einzuführen ??? Wochenarbeitszeit auf 70 Stunden erhöhen - da ist ja wirklich noch viel Spielraum nach oben... das ist einfach nur lächerlich.

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