Virtueller Gipfel
Impfgerechtigkeit und Corona beherrschen G7-Tagesordnung
Ärzte- und Hilfsorganisationen fordern eine faire weltweite Verteilung der Corona-Impfstoffe. Am Freitag kommen die Regierungs-Chefs der größten Industrieländer virtuell zusammen. Die USA melden sich dabei wohl zurück – mit einer Milliarden-Gabe.
Veröffentlicht:Berlin. Die Corona-Pandemie diktiert einen Großteil der Tagesordnung der internationalen Politik. Auch beim virtuellen G7-Treffen und der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag stehen der weltweite Kampf gegen COVID-19 und globale Impfgerechtigkeit im Mittelpunkt, mithin auch die Frage, ob Pharmaunternehmen Lizenzen für die Produktion von Impfstoffen frei vergeben sollten.
Hilfsorganisationen forderten im Vorfeld eine fairere Verteilung der Impfstoffe. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, hat im Vorfeld der Tagungen die „Pflicht der Industrienationen“ betont, den Menschen weltumspannend Zugang zu Impfstoffen zu ermöglichen.
Milliarden Dollar für COVAX
Der neue US-Präsident Joe Biden will offenbar die Corona-Impfinitiative COVAX mit zunächst zwei Milliarden Dollar unterstützen. Das berichtete die „Washington Post“ am Donnerstag. Weitere zwei Milliarden Dollar könnten in den kommenden beiden Jahren folgen. Die USA waren COVAX erst nach dem Amtsantritt Bidens beigetreten. Das Programm sieht vor, 180 Mitgliedsstaaten mit Impfdosen für wenigstens 20 Prozent ihrer Bevölkerung auszustatten. Biden hatte mit seinem Bekenntnis zur Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Rückkehr der USA in die internationale Gesundheitspolitik eingeleitet.
Zu den G 7-Staaten gehören außer Deutschland auch die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien, Kanada und Japan. Der nächste reguläre G 7-Gipfel soll im Juni 2021 in England abgehalten werden.
Die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ forderte die reichen Länder auf, ihre Impfstoffkontingente aus bilateralen Vorab-Kaufverträgen mit den besonders betroffenen Ländern im südlichen Afrika zu teilen, sobald medizinisches Personal und Risikogruppen durchgeimpft seien. Zudem dürften sie die Aussetzung von Patentrechten für die Dauer der Pandemie nicht länger blockieren. Claire Waterhouse von ÄoG in Südafrika sprach angesichts des drohenden Zusammenbruchs der Gesundheitsversorgung im südlichen Afrika von einem „inakzeptablen Versagen der Weltgemeinschaft“.
Vorwurf „Impfnationalismus“
Die Industrieländer horteten Impfstoffe und erschwerten den ärmeren Ländern den Zugang zu den Vakzinen, sagten Vertreter der Hilfsorganisation „One“ vor dem internationalen Gipfeltreffen. Stephan Exo-Kreischer, Direktor von One-Deutschland sprach von „Impfnationalismus“. Die EU, Großbritannien, die USA, Kanada und Japan hätten sich zusammen bereits drei Milliarden Dosen der bislang zugelassenen Impfstoffe gesichert. Das sei eine Milliarde mehr als nötig, um die Bevölkerungen dieser Länder zweimal zu impfen. Die G7-Staaten müssten begreifen, dass sie nicht im Wettbewerb gegeneinander stünden, sondern gegen das Virus, so Exo-Kreischer.
Die Global Perspectives Initiative, ein breites Bündnis von Organisationen, Vereinen und Körperschaften, forderte einen Ausbau der Infrastruktur in Ländern mit geringem Einkommen. Die Kühlung der Impfstoffe während des Transports und der Lagerung müsse sichergestellt werden. Das Logistikunternehmen DHL baue derzeit medizinische Lieferketten auf, um über weltweite Drehkreuze mehr als zehn Milliarden Impfdosen verteilen zu können, teilte die Initiative mit, zu der auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), mehrere Bundesministerien, Unicef und die Bertelsmannstiftung gehören.
Weltweiter Ausbau von Kapazität
Der SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann forderte, den Schutz der Weltbevölkerung vor COVID-19 ohne Rücksicht auf die Kosten voranzutreiben. „Whatever it takes“ müsse das Motto sein. Mit diesem Schlagwort hatte der damalige Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi 2012 den Finanzmärkten signalisiert, dass die Bank alles tun werde, um die europäische Währung aus der Finanzkrise zu führen.
Bullmann forderte einen weltweiten Ausbau von Produktionskapazitäten für Impfstoffe. Es seien vor allem die G7 und die Europäische Kommission, die einer internationalen Lösung und einer offenen Diskussion über Patent- und Lizenzfragen im Wege stünden. Die Europäische Union will mit der Initiative „HERA Inkubator“ die Entwicklung, Studien und Zulassungsverfahren für an Mutationen angepasste Impfstoffe beschleunigen.