KBV-VV

Kampf dem Versorgungsgesetz - mit allen Mitteln

Öffentlichkeitswirksam, aber auch hinter verschlossenen Türen will die KBV für Änderungen am Versorgungsstärkungsgesetz kämpfen. Die Vertreterversammlung bekräftigte am Freitag ihre Kritik an den geplanten Regelungen.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet und Florian StaeckFlorian Staeck Veröffentlicht:
Skeptischer Blick in die Zukunft, was das Versorgungsstärkungs-Gesetz angeht: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

Skeptischer Blick in die Zukunft, was das Versorgungsstärkungs-Gesetz angeht: KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.

© dpa/Becker

BERLIN. Eine Woche vor der ersten Lesung im Bundestag (6. März) hat die KBV-Vertreterversammlung am Freitag in Berlin ihre ablehnende Haltung zu zentralen Regelungen des Versorgungsstärkungs-Gesetzes (VSG) der großen Koalition erneuert.

"Wir schöpfen alle uns zur Verfügung stehenden Mittel aus, um auf die Politik einzuwirken. Aber diese Mittel sind eher solche des Wortes, und auch dies wird nicht immer publikumswirksam gewechselt", sagte der KBV-Vorsitzende Dr. Andreas Gassen.

Zum verbalen Kampf zählt für Gassen auch die Medienkampagne der KBV gegen das Gesetz. Sie läuft unter dem Motto "Wir arbeiten für Ihr Leben gern. Solange die Politik uns lässt."

Die hat inzwischen reagiert: BMG-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz erklärte am 25. Februar auf eine schriftliche Frage des Grünen-Abgeordneten Harald Terpe hin, der KBV sei Öffentlichkeitsarbeit auch gestattet, "um Verständnis für die Belange der Vertragsärzte zu gewinnen oder um öffentlich Konflikte deutlich zu machen".

Weiter heißt es dann süffisant, es sei aber "von der Frage der Zulässigkeit gesondert zu betrachten", ob die KBV ihren Standpunkt zum VSG nicht "in einer stärker sachbezogenen Weise zum Ausdruck bringen sollte".

KBV: Nachwuchs verunsichert über die verändernden Rahmenbedingungen

Auf strikte Ablehnung der KBV stößt die geplante Parität von haus- und fachärztlichen Vertretern in der Vertreterversammlung.

Gerade weil die KBV für alle Ärzte und Psychotherapeuten zuständig sei, dürfe sie nicht parteilich denken. In diesem Zusammenhang wurde die Bildung eines Koordinierungsausschusses für haus- und fachärztliche Angelegenheiten von der VV auf Eis gelegt.

In dem Gesetz sieht Gassen ferner den Versuch, ein neues System zu etablieren, in dem der eigenverantwortlich in eigener Praxis arbeitende Arzt durch "anonyme Großstrukturen von angestellten Ärzten (...) Patienten wie Stückgut abarbeiten".

Gassen: "Einen konzerngesteuerten MVZ-Betreiber interessiert die Arzt-Patienten-Bindung bloß im pekuniären Sinn. Für ihn zählen am Ende des Tages nur die Bilanzen."

Junge Menschen studierten nicht Medizin, weil sie in Gesundheitsfabriken Patienten wie am Fließband abarbeiten wollten. Der Nachwuchs sei verunsichert über die sich verändernden Rahmenbedingungen.

E-Health-Gesetz in Zielsetzung richtig

Grundsätzlich begrüßte Gassen die Pläne für ein Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen. Die Regelung, wonach ein Verfahren nur auf Antrag, etwa einer Kammer oder eines Berufsverbandes, eingeleitet werden könne, verhindere diffuse Verdächtigungen.

Die KBV lehnt es jedoch ab, dem Bundesgesundheitsministerium und der Öffentlichkeit regelmäßig darüber zu berichten, ob und mit welchem Ergebnissen sie korruptem Verhalten nachgegangen ist.

Ferner fordert sie Rechtssicherheit für legale und im SGB V genannte Kooperationsformen. Es wäre "verheerend" etwa für die ASV, wenn die Teilnehmer Sorge haben müssten, als potenzielle Straftäter angesehen zu werden.

Das E-Health-Gesetz sei in der Zielstellung richtig, so Gassen, seine Instrumente sieht er kritisch. "Das Ministerium folgt dem Grundsatz von Zuckerbrot und Peitsche. Besser wäre das Motto ,Fördern statt Strafen‘".

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Kommentare
Dr. Wolfgang Bensch 27.02.201522:15 Uhr

Punkt C: Alternativen keine

Findet sich in jedem Gesetzentwurf.
Was stellt man sich da vor, was ausgerechnet die KBV bzw. deren Vertreterversammlung ausser seitenlangen, mehrheitlich oder sogar einstimmig verabschiedeten Resolutionen tun kann oder sollte??

Dr. Thomas Georg Schätzler 27.02.201513:36 Uhr

ABS - Ärzte-"Bashing"-Syndrom

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VStG) mit dem 6-Punkte-Plan des Bundesgesundheitsministers Hermann Gröhe (CDU) bündelt anti-fachärztliche Stimmungen, verschärft Widersprüche zwischen haus- und fachärztlicher Grundversorgung und beinhaltet ein generelles Ärzte-"Bashing"-Syndrom (ABS). Es wird die Vertragsärzte mehr kosten als regierungsamtlich "im mittleren dreistelligen Bereich" avisiert. Wesentliche Kostensteigerungen zum Nachteil aller Vertragsärzte liegen wie bei einem Eisberg noch unter Wasser:

1. Das Geld für den Aufkauf von angeblich überflüssigen Vertragsarzt-Sitzen soll über unsere eigen-finanzierten KVen vom Praxis-Umsatz-Honorar abgezogen werden.

2. Passend dazu will die GROKO das kostenträchtig unvernünftige KV-Terminvergabestellen-System, ausschließlich zur Bewältigung der Facharzt-Termin-Misere konzipiert, von uns H a u s ä r z t e n, die wir jederzeit Akutsprechstunden-Termine, Notfallversorgung und dringende Hausbesuche taggleich oder spätestens am Folgetag bis in die späten Abendstunden absolvieren, mitfinanzieren lassen.

3. Überwiegend fachärztliche Klinik- und Praxis-Termine im "Zweitmeinungs"-Verfahren werden bei gedeckelter ambulanter Gesamtvergütung als GKV-Honorar nur u m v e r t e i l t.

4. Die demokratisch nach Mehrheitswahlrecht ohne Minderheitenschutz (Verhältniswahlrecht) legitimierten Selbstverwaltungen können nur Facharzt- bzw. Marburger-Bund (mb) dominierte Stimmenverhältnisse abbilden, die damit zum Nachteil der Hausärzte "durchregieren" wollen.

5. Subtile Mechanismen der Benachteiligung von Hausärztinnen und Hausärzten finden sich in der Parallelwelt des Entwurfes eines Gesetzes "zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention" (PrävG): Danach sollen 550 Millionen Euro jährlich verteilt werden, o h n e irgendein angemessenes Hausarzt-Honorar für z u s ä t z l i c h e ärztliche Arbeit abzubilden. "Die ärztliche Präventionsempfehlung ... stellt für die Krankenkassen eine wichtige Grundlage für die Entscheidung über die Gewährung von Leistungen zur primären Prävention im Individualfall dar"..."Dafür erhalten die Ärzte k e i n zusätzliches Honorar – ihnen entstehe als vertraglichen Leistungserbringern kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand", steht im Referentenentwurf.

6. Geht es Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, der Medizin-bildungsfernen GROKO und der Gesundheitspolitik im GKV-VStG eher um die Abschaffung der freiberuflichen, ambulanten, wohnortnahen Patientenversorgung als um deren Stärkung.

Die KVen bzw. die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und die Vertreterversammlung (VV) bleiben bei rein appellativen Strategien. Sie lassen sich in der Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrags vom Gesetzgeber, der Großen Koalition von SPD/CDU/CSU und selbst von der gesamten Opposition nur noch am Nasenring vorführen.

Die aktualisierte Stellungnahme der Bundesärztekammer (BÄK) zum Versorgungsstärkungsgesetz stiftet eher Verwirrung. Diese "Arbeitsgemeinschaft der Landesärztekammern" ist vom Marburger Bund (mb) majorisiert und Interessen geleitet. Sie hat im Gegensatz zu den KVen mit dem ambulanten System der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) nicht das Geringste zu tun und sollte sich besser auf ihr ureigene und allzu oft vernachlässigte Kernkompetenz, z.B. die hoffnungslos veralteten GOÄ, besinnen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Klaus Günterberg 27.02.201513:34 Uhr

Wo soll denn die ärztliche Kapazität herkommen?

Da hat sich der Minister etwas Gutes ausgedacht: Jeder Versicherte soll jederzeit Zugang zum Vertrags-Facharzt in der Niederlassung haben, binnen vier Wochen. Wo das nicht funktioniert, da helfen Termin-Service-Stellen. Wo das eventuell auch nicht funktioniert, da kann der Versicherte sich Hilfe vom Facharzt im Krankenhaus holen. Die Kosten haben dann die niedergelassenen Fachärzte zu tragen. Welcher Versicherte könnte wohl etwas gegen solche Wohltat haben?

Allein, der Teufel sitzt im Detail: Da haben wir, inzwischen unumstritten, einen zunehmenden Ärztemangel, obwohl niedergelassene Ärzte unverhältnismäßig oft über das 63. und 65. Lebensjahr hinaus arbeiten. Doch der Ärztemangel wird noch größer, gehen doch absehbar diese vielen älteren Ärzte bald in den Ruhestand.

Ärzte arbeiten, ob in Klinik oder Praxis, durchschnittlich 56 Stunden pro Woche. Dennoch sind die Wartezimmer voll. Vielleicht würde mancher (jüngere) Arzt sogar noch mehr arbeiten oder seine Praxis mit mehr Technik und mit mehr Personal wirtschaftlicher machen. Allein das Bundesministerium für Gesundheit hat vor Jahren sog. „leistungsbegrenzende Maßnahmen“ eingeführt, Maßnahmen, die eigentlich „kostenbegrenzende Maßnahmen“ sind. Ohne hier auf Einzelheiten einzugehen: Seitdem lohnen Investitionen und ärztliche Mehrarbeit nicht. Die Bremse greift.
Und nun wird kräftig Gas gegeben: Den Niedergelassenen wird Druck gemacht, damit die Wartezeiten sinken. Wie lebensfremd! Wie Gas und Bremse gleichzeitig.

Wo soll denn die ärztliche Kapazität für kürzere Wartezeiten herkommen? Sollen die Niedergelassenen noch mehr arbeiten? Oder schneller arbeiten? Oder weniger beraten? Oder Notwendiges unterlassen? Sollen künftig die Krankenhausärzte die Mehrarbeit leisten? Soll dann dort der Chirurg, um den Furunkel zu versorgen, die OP abbrechen, soll dann der Kreißsaal-arzt die Pille verordnen und der Pathologe das fiebernde Kind versorgen?

Wie lebensfremd! Das wird nicht funktionieren: Wo das Krankenhaus die ambulante Arbeit nicht leisten kann, da lassen sich auch keine Kosten auf die Niedergelassenen verlagern. Was hat der Kapitän auf dem Dampfer Gesundheitswesen eigentlich für Kenntnisse von dem, was unten auf seinem Kahn passiert?

So ist das, was jetzt geplant wird, blanker Aktionismus. Leider würden die Maßnahmen teuer werden. Verbessern können sie nichts.

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