"Pille danach"
Keine Bewegung im Streit um Rezeptpflicht
Das Gesundheitsministerium "prüft" - schon seit November 2013. Die ins Feld geführten Gesundheitsrisiken durch ein rezeptfrei verfügbares Levonorgestrel fallen mager aus: Zwei Fälle schwerer Nebenwirkungen seit 1998.
Veröffentlicht:BERLIN. Im Streit um die "Pille danach" tritt das Bundesgesundheitsministerium auf der Stelle. Es lehnt eine Entlassung des Wirkstoffs Levonorgestrel (PiDaNa) aus der Verschreibungspflicht weiter ab.
Am 8. November 2013 hatte der Bundesrat entschieden, einer Änderung der Verschreibungsverordnung nur dann zuzustimmen, wenn die Rezeptpflicht für das Notfallkontrazeptivum aufgehoben wird.
BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) antwortete am 18. März auf eine parlamentarische Anfrage der Links-Fraktion, die Bundesregierung "prüft derzeit das weitere Vorgehen".
Gefragt danach, warum und aus welchen im Arzneimittelgesetz genannten Kriterien eine Entlassung aus der Rezeptpflicht derzeit abgelehnt wird, führt das BMG an, die Gesundheit der Patientinnen stehe im Vordergrund und verweist auf Paragraf 48 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a) und b) AMG.
Dieser regelt die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln, in Absatz 2 geht es unter anderem um Stoffe, die den Anwender gefährden können, wenn sie ohne ärztliche Überwachung angewendet werden.
Kein Kommentar zum Sachverständigenausschuss
Von einer Bewertung der im Sachverständigenausschuss für Verschreibungspflicht genannten Argumente für die Rezeptfreiheit will das BMG "absehen". Schließlich habe der Ausschuss am 14. Januar nicht einstimmig, sondern lediglich mehrheitlich für die Entlassung aus der Verschreibungspflicht votiert.
Gefragt nach möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen verweist das BMG auf die Produktinformation von Levonorgestrel - danach könne es zu thromboembolischen Ereignissen kommen.
Die UAW-Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) weise seit 1998 zwei Fallberichte aus, berichtet das BMG. Dabei gesteht das Ministerium zu, dass die relative Häufigkeit dieser thromboembolischen Ereignisse (1/50.000.000 exponierte Frauen) "deutlich unter der Inzidenz für entsprechende Fälle in der Normalbevölkerung" liegt (5 bis 10 Fälle/100.000 bei 15- bis 44-Jährigen).
Die Beratung der betroffenen Frauen und Mädchen durch Apotheker hält das BMG für nicht angezeigt, da die erforderliche Vertraulichkeit der Beratung weder während der regulären Öffnungszeiten noch nachts im Apothekennotdienst gewährleistet werden könne. Schließlich gehe es dabei um "intime Fragen zur persönlichen Lebensführung und zum Sexualverhalten".
Apotheker definiert das BMG dabei als "Arzneimittelexperten", wohingegen Ärzte aufgrund ihrer Ausbildung befähigt seien, Frauen "umfassend zu beraten", sowie über Methoden der Kontrazeption und über Gefahren durch sexuell übertragbare Erkrankungen "umfassend aufzuklären".
Linke: SPD ist komplett abgetaucht in der Debatte
Aus Sicht von Kathrin Vogler, Sprecherin für Arzneimittelpolitik und Patientenrechte in der Linksfraktion, vermag das BMG keine wissenschaftlichen Erkenntnisse vorzulegen, warum Levonorgestrel weiter rezeptpflichtig bleiben muss.
Dabei attackiert Vogler insbesondere die SPD, die sich vormals für die Freigabe der "Pille danach" ausgesprochen habe. Nun aber "taucht die SPD völlig ab und überlässt dem Gesundheitsminister das Feld."
Ungeachtet des Streits nimmt ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission Fahrt auf. Die seit November 2013 auf Eis liegende Verordnung - mit der Levonorgestrel rezeptfrei würde - enthält auch EU-Vorschriften, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Am 27. März endet eine Anhörungsfrist für die Bundesregierung - dann kann Brüssel eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof auf den Weg bringen. Wird dann eine Vertragsverletzung bestätigt, könnten Bußgelder für Deutschland fällig werden.