Studie von Psychiatern
Wie stark die Corona-Pandemie Kindern zusetzt
Wissenschaftler am Hamburger UKE zeigen sich überrascht, in welchem Ausmaß die psychische Gesundheit von Kindern durch die Pandemie gelitten hat.
Veröffentlicht:Hamburg. Mehr Ängste und Schlafprobleme, Gereiztheit, aber auch Kopf- und Bauchschmerzen: Von diesen und weiteren Problemen berichten Kinder und Jugendliche als Folge der Corona-Pandemie. Ihre psychische Gesundheit, bestätigt eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE), leidet aufgrund der Pandemie.
Das Ausmaß dieser Probleme hat die Forscher zwar überrascht, sie warnten aber zugleich vor einer Dramatisierung. Allein aufgrund dieser Erkenntnisse etwa eine Öffnung von Schulen und Kitas zu veranlassen, hielten sie nicht für gerechtfertigt.
„Kinder tragen die Last der Krise mit“, sagte Professor Ulrike Ravens-Sieberer. Die Leiterin der Studie und der Forschungsgruppe „Child Public Health“ der UKE-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie berichtete am Freitag bei der Vorstellung der Studienergebnisse, dass Kinder und Jugendliche sich vermehrt Sorgen machen, weniger auf ihre Gesundheit achten und häufiger Streit innerhalb der Familie hätten.
Je gestresster die Eltern, desto mehr leiden die Kinder
Betroffen sieht sie insbesondere Kinder, deren Eltern durch die Pandemie stark unter Stress geraten. Schwer haben es nach ihren Angaben vornehmlich Familien, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss, einen Migrationshintergrund und geringe finanzielle Ressourcen aufweisen oder die über wenig häuslichen Rückzugsraum verfügen. Je schwerer es die Eltern in Pandemiezeiten haben, so die Faustformel, desto eher seien die Kinder betroffen.
Für die Studie hatten im Mai und Juni 1040 elf- bis 17-jährige Kinder und Jugendliche sowie 1580 Eltern von sieben- bis zehnjährigen Kindern Fragen der UKE-Forscher online beantwortet. 71 Prozent der Kinder und Jugendlichen fühlen sich durch die Pandemie belastet, Zwei Drittel von ihnen gab eine verminderte Lebensqualität und geringeres psychisches Wohlbefinden an. Vor Corona war dies nur bei einem Drittel von ihnen der Fall.
Risiko für Auffälligkeiten stark gestiegen
„Wir haben mit einer Verschlechterung des psychischen Wohlbefindens in der Krise gerechnet, dass sie allerdings so deutlich ausfällt, hat auch uns überrascht“, sagte Ravens-Sieberer. Die Rate psychischer Auffälligkeiten sei von 18 Prozent vor der Krise auf 31 Prozent in der Krise gestiegen. Zu den Auffälligkeiten zählten Gereiztheit (54 Prozent), Einschlafprobleme (44 Prozent), Kopfschmerzen (40 Prozent), Bauchschmerzen (31 Prozent), Hyperaktivität (24 Prozent), emotionale Probleme (21 Prozent) und Verhaltensprobleme (19 Prozent).
Zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen empfand Schule und Lernen während der Pandemie als anstrengender als vorher und gab an, die Bewältigung des schulischen Alltags sei teilweise extrem belastend.
Mehr Unterstützung für Eltern beim Homeschooling
Auch die Eltern gaben an, mit dieser Situation überfordert und unvorbereitet zu sein. Ravens-Sieberer regte deshalb an, den Familien flächendeckend mehr Unterstützung für die Organisation des Home Schoolings zu geben, damit Teile der Ängste bei einer zweiten Pandemiewelle nicht mehr so ausgeprägt auftreten.
Sie kündigte an, die Ergebnisse mit dem Robert Koch-Institut (RKI) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gemeinsam zu bewerten. Sie warnte aber schon vor einer Dramatisierung, weil viele der Probleme im Zuge der Lockerungen nach ihrer Erwartung wieder verschwinden. In welchem Umfang, will sie in weiteren Untersuchungen herausfinden.