WIP-Studie
Krebspatienten profitieren schnell von neuen Onkologika
Neue Arzneimittel, insbesondere Onkologika, kommen in Deutschland zügig auf den Markt – im Vergleich zu anderen EU-Ländern.
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Patienten in Deutschland haben im Ländervergleich rasch Zugang zu neuen Krebsmedikamenten. Das gilt auch für Orphan Drugs.
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Köln. In Deutschland haben Krebspatienten einen deutlich schnelleren Zugang zu neuen Onkologika als in anderen europäischen Ländern. Grundsätzlich stehen ihnen hierzulande mehr neu entwickelte Arzneimittel zur Verfügung als anderswo.
Das zeigt eine aktuelle Studie des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherung (WIP).
Deutschland punktet nach der Untersuchung von Dr. Frank Wild und Devora Yordanova generell mit einer schnellen Verfügbarkeit von neuen Arzneimitteln nach der Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA.
„Durchschnittlich 119 Tage nach der EMA-Zulassung ist ein neues Präparat auf dem deutschen Markt verfügbar, wird von den Kostenträgern erstattet und steht dem Arzt als Therapieoption zur Verfügung“, schreiben sie.
In der Schweiz warten Patienten 171 Tage
Die Erhebung bezieht sich auf Medikamente der Generation 2015 bis 2017 am Stichtag 1. Januar 2019. Im EU-Durchschnitt dauert der Marktzugang 426 Tage. In der Schweiz müssen Patienten 171 Tage warten, in Portugal 634 Tage (siehe nachfolgende Grafik).
Gleichzeitig haben deutsche Patienten auch Zugang zu deutlich mehr neuen Arzneimitteln. Von den 121 in Europa im Zeitraum 2015 bis 2017 neu zugelassenen Medikamenten waren in Deutschland Anfang Januar 2019 insgesamt 104 auf dem Markt, in Österreich waren es 102 und in Italien 96. Am anderen Ende der Skala befinden sich Bulgarien (23), Polen (24) und Ungarn (46).
Hierzulande ist der Zugang zu neuen Krebsmedikamenten besonders schnell. Sie stehen Ärzten und Patienten nach der Erhebung bereits nach 82 Tagen zur Verfügung. Der EU-Durchschnitt beträgt 445 Tage. In Estland sind es 988 Tage (siehe nachfolgende Grafik).
Spitzenreiter auch bei Orphan Drugs
In Deutschland stünden derzeit 30 der insgesamt 31 in Europa neu zugelassenen onkologischen Medikamente den Ärzten und Patienten zur Verfügung, berichten Wild und Yordanova. „In keinem anderen nationalen Gesundheitssystem sind so viele neue onkologische Medikamente für die Patienten verfügbar.“ In vielen anderen Ländern würden weniger der neuen Arzneimittel von den Erstattungssystemen erfasst und könnten deshalb nicht in der Therapie eingesetzt werden, erläutern sie.
Eine gute Verfügbarkeit gibt es auch in den Niederlanden und Österreich (jeweils 29) und der Schweiz (27). In Polen können nur fünf der Neuentwicklungen in der Versorgung eingesetzt werden, in Estland sechs und in Bulgarien neun.
Auch bei Orphan Drugs zur Versorgung von Patienten mit seltenen Erkrankungen ist Deutschland nach der WIP-Studie europäischer Spitzenreiter. Hierzulande vergeht eine Spanne von 113 Tagen zwischen Zulassung und Markteintritt, an zweiter Stelle folgt die Schweiz mit 207 Tagen. Im EU-Schnitt sind es 493 Tage. Die Schlusslichter sind Polen (1141 Tage) und Estland (940).
Vor Abschluss der Nutzenbewertung verfügbar
Von den seit dem Jahr 2000 von der EMA zugelassenen 143 Orphan Drugs waren Anfang 2019 in Deutschland 134 verfügbar, von ihnen wurden 133 von den Kostenträgern erstattet. „Diese Marktdurchdringung erreicht kein anderes europäisches Land.“
Als wesentliche Ursache für die Unterschiede zwischen den Ländern benennt das WIP die Besonderheiten der nationalen Regulierungssysteme, vor allem die verschiedenen Prozesse des Health Technology Assessments (HTA) zur Bewertung von Arzneimitteln. Während in manchen Ländern Medikamente erst dann verfügbar sind, wenn sie einen teils langwierigen HTA-Prozess durchlaufen haben, kommen sie in Deutschland bereits vor Abschluss der Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss auf den Markt.
„Weitere Gründe für die Spitzenposition Deutschlands sind die Attraktivität des Pharmamarktes Deutschland für die forschenden Pharmaunternehmen sowie die sehr gute medizinische Infrastruktur, die bei vielen neuen onkologischen Präparaten oftmals unerlässlich ist“, heißt es.