COVID-19
RKI will nicht mehr regelmäßig briefen
Das Robert Koch-Institut stellt seine regelmäßigen Pressekonferenzen zu COVID-19 ein. Die Entscheidung sei ein Schritt zurück zur „neuen Normalität“, heißt es. Zugleich warnt das Institut vor einer zweiten Infektionswelle.
Veröffentlicht:Berlin. Überraschende Nachricht des Robert Koch-Instituts (RKI): Das Institut stellt seine regelmäßigen Pressebriefings zur Coronavirus-Pandemie ein.
RKI-Vize-Chef Professor Lars Schaade begründete den Schritt mit sinkenden Fallzahlen in Deutschland. „Es gibt eine neue Phase in der Epidemie und eine neue Normalität im Alltag.“ Auf Bundesebene lasse sich zudem nicht alles beantworten, was zunehmend auf Länderebene zu entscheiden sei.
Das Institut wolle Öffentlichkeit und Presse künftig „anlassbezogen“ informieren, sagte Schaade. Es handele sich um eine Entscheidung der Leitung des RKI. Bei den virtuell zugeschalteten Journalisten sorgte die Ankündigung für Unverständnis.
Pandemie noch nicht vorbei
Zu Beginn der Coronavirus-Pandemie hatte das RKI werktäglich zu Ausbruchsgeschehen und Gegenmaßnahmen informiert. Zuletzt waren die Briefings zweimal wöchentlich abgehalten worden. RKI-Chef Professor Lothar H. Wieler und Vize Schaade standen dabei Rede und Antwort. Zuletzt hatte es aber auch Kritik an der Arbeitsweise des Instituts gegeben.
Die Pandemie sei noch nicht vorbei, sagte Schaade. „Das Virus ist noch in Deutschland.“ Gesellschaft, Gesundheitsämter und andere Behörden müssten weiter „sehr wachsam“ sein. Die Gesellschaft müsse mit dem Virus solange leben, bis es einen Impfstoff oder eine Therapie dagegen gebe.
Es sei möglich, dass es zu einer zweiten Infektionswelle im Herbst oder früher komme, warnte Schaade. Ein saisonaler Effekt auf die Ausbreitung des Coronavirus durch die warmen Sommermonate sei unwahrscheinlich. „Wir haben es in der Hand, ob und wann eine zweite Infektionswelle kommt.“
„Pragmatischer Grenzwert“
Zu den am Mittwoch von Bund und Ländern beschlossenen weiteren Lockerungen von Alltagsbeschränkungen sagte Schaade, das alles müsse „mit Augenmaß“ und unter Einhaltung von Hygiene- und Abstandsregeln erfolgen. Nur dann ließen sich Infektionszahlen niedrig halten.
Die neue regionale Obergrenze von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner im Zeitraum von sieben Tagen nannte Schaade einen „pragmatischen Grenzwert“. Er sei wichtig, um eine „neue Eskalationsstufe zu starten“, sollte die Zahl von Neuinfektionen in einem bestimmten Landkreis erneut stark steigen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatten die Obergrenze als „Notfallmechanismus“ bezeichnet. Er greife, wenn das Infektionsgeschehen regional wieder aufflamme.
Corona-Beschlüsse
Bund und Länder öffnen Tür zur neuen Normalität
Ruf nach mehr Testungen in der Pflege
Laut den Bund-Länder-Beschlüssen von Mittwoch werden auch die Besuchsauflagen in Altenheimen und Krankenhäusern gelockert.
Heimbewohner und Patienten dürfen demnach wieder Besuch empfangen – zunächst von einer festen Person und auch nur, wenn es in der betreffenden Einrichtung kein akutes Ausbruchsgeschehen gibt.
Der Chef des Deutschen Pflegeverbandes, Rolf Höfert, sagte der „Ärzte Zeitung“ dazu am Donnerstag, die Lockerung bedeute „steigende Verantwortung“. Die aktuelle Zahl des Weltbundes der Pflegenden von geschätzt 90.000 infizierten Pflegepersonen weltweit und die RKI-Zahl von über 10.000 Infizierten im Gesundheitswesen in Deutschland seien Belege für eine „dringend“ zu verschärfende Testung bei Beschäftigten, Patienten und Bewohnern in allen Versorgungsbereichen.
„Was im Fußball möglich ist, muss für die potenziellen Risikogruppen erst recht selbstverständlich sein“, betonte Höfert.Mehr als 166.000 Corona-Infizierte gezählt
Laut RKI waren in Deutschland Stand Donnerstagmorgen null Uhr mehr als 166.000 Corona-Infektionen offiziell gemeldet. Von Mittwoch auf Donnerstag wurden dem Institut knapp 1300 neue Fälle übermittelt – etwas mehr als an den Vortagen. Zuletzt habe die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro Tag zwischen 700 und 1300 gelegen, sagte Schaade.Die Zahl der Todesfälle stieg laut RKI auf 7119. Das entspräche einem Anteil von 4,3 Prozent und sei eine „hohe Zahl“, kommentierte Schaade. Sie erkläre sich auch dadurch, dass es in Altenheimen und Krankenhäusern, wo besonders viele Risikogruppen lebten und versorgt würden, weiter zu Ausbrüchen von COVID-19 komme. Mit einem Anstieg der Todesfälle sei daher weiter zu rechnen.
Knapp 140.000 an Corona erkrankte Patienten seien inzwischen wieder genesen, so Schade. Der Reproduktionsfaktor habe zuletzt bei geschätzt 0,65 gelegen. Er gibt an, wie viele weitere Personen ein Infizierter im Schnitt ansteckt.