Jahresstatistik

So viele Behandlungsfehler gab's 2015

Die Medizinischen Dienste haben eine Behandlungsfehlerstatistik vorgelegt.  Die meisten Beschwerden gab es nach Operationen.

Anno FrickeVon Anno Fricke und Jana Kötter Veröffentlicht:
Medizinische Dienste fordern mehr Transprenz bei Fehlern.

Medizinische Dienste fordern mehr Transprenz bei Fehlern.

© Coloures-pic / fotolia.com

BERLIN. Vertreter der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) haben eine Meldepflicht für Behandlungsfehler gefordert.

"Die tatsächliche Anzahl der Behandlungsfehler ist nicht bekannt", sagte Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt beim Dienst des GKV-Spitzenverbands bei der Vorstellung der Behandlungsfehler-Statistik für 2015 am Donnerstag in Berlin.

Mit einer systematischen Erfassung ließen sich die Statistiken der Medizinischen Dienste, der Schlichtungsstellen der Ärzteschaft, der Haftpflichtversicherer, der Gerichte und Rechtsanwälte zusammenfassen.

Der größte Datensatz liegt den Medizinischen Diensten vor. Ihre Gutachter wurden 2015 in rund 14.800 Fällen gefordert, von Patienten erhobene Vorwürfe zu prüfen. Das waren 200 mehr als im Jahr zuvor. 4026 Mal bestätigten die Gutachter den Verdacht der Patienten - auch diese Zahl stieg im Vergleich zu 2014, als noch 3796 Fehler bestätigt wurden.

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125 Menschen starben als Folge

3156 Mal haben Fehler im vergangenen Jahr direkt einen Schaden bei Patienten ausgelöst, zeigt die MDK-Statistik. 125 Menschen starben infolge von Behandlungsfehlern.

"Die Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs", sagte Gronemeyer. Dieser Einschätzung schloss sich in einer ersten Reaktion die Grünen-Politikerin Maria Klein-Schmeink an. Es fehle an Transparenz. Die Politikerin erneuerte ihre Forderung nach der Einrichtung eines Härtefallfonds im Patientenrechtegesetz.

Das Gros der Beschwerden, in Zahlen 9899, sei nach Operationen in Krankenhäusern eingegangen, berichteten die MDK-Vertreter. Fehler seien dort für Patienten leichter erkennbar als zum Beispiel bei Diagnosefehlern in Praxen niedergelassener Ärzte. Im ambulanten Sektor wurde 4905 Vorwürfen nachgegangen.

Die Fehlerstatistik der Bundesärztekammer (BÄK) war im März zu vergleichbaren Ergebnissen gekommen. Hier war die Zahl der 2015 festgestellten Behandlungsfehler (2132) im Vergleich zum Vorjahr (2252) zwar leicht gesunken.

Mit insgesamt 11.822 Anträgen bei den Schlichtungsstellen für Arzthaftpflichtfragen waren aber deutlich mehr Verdachtsmomente geäußert worden. Als Grund wurde das Patientenrechtegesetz angegeben, das seit drei Jahren in Kraft ist.

Gemeinsam haben beide Statistiken auch, dass vor allem Unfallchirugen und Orthopäden betroffen sind: In der aktuellen Statistik der MDK-Gemeinschaft bezogen sich 32 Prozent aller Vorwürfe auf Orthopädie und Unfallchirurgie, 11 Prozent auf die Innere Medizin und Allgemeinmedizin und weitere 11 Prozent auf die Allgemeinchirurgie.

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Pflege: Jeder zweite Verdacht ist wahr

5 Prozent der Vorwürfe wurden in der Pflege geäußert. Hier fällt auf, dass in mehr als 52 Prozent der Fälle tatsächlich ein Fehler festgestellt wurde: 768 eingegangenen Vorwürfen lagen 403 Behandlungsfehler zugrunde.

Im Verhältnis zur Gesamtzahl der medizinischen und pflegerischen Behandlungen liegt die Zahl der Behandlungsfehler jedoch niedrig. Der stationäre Sektor verzeichnet rund 19 Millionen Behandlungen, die niedergelassenen Ärzte 550 Millionen Behandlungen im Jahr.

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 16.05.201620:17 Uhr

Liebe Frau Dr. Ilona Köster, Sie müssen aber doch zugeben,

dass die Zahl 125 doch gerade noch unter der Zahl der Verkehrstoten im Straßenverkehr liegt.

Dr. Andreas Rahn 12.05.201615:18 Uhr

MDK: unabhängig???

Der MDK wird von den gesetzlichen Krankenkassen finanziell getragen.
Die Krankenkassen haben ein Eigeninteresse an der Feststellung von Behandlungsfehlern.
Wenn ein Arzt bei einer ärztlichen Fortbildungsveranstaltung als bestochen angesehen wird, wenn eine Pharmafirma ihm ein Essen bezahlt, wie kann man dann die Mitarbeiter des MDK als unabhängig ansehen - das geht für mich nicht zusammen.
Behandlungsfehler können nur von wirklich unabhängigen Gutachtern festgestellt werden.
Wir sollten uns insgesamt mehr um eine menschliche Medizin und Pflege bemühen, als die Akteure als "Leistungserbringer" und "Profit-Center" zu (vermeintlich) wirtschaftlichem Handeln zu zwingen. Was würde es wohl für die Behandlung von Patienten bringen, wenn nur die Hälfte der Ärzte und Pflegekräfte der MDK''s vor Ort am Patienten tätig wären - dann hätte man viel mehr Zeit und Ressourcen für den Einzelfall...

Dr. Ilona Köster 12.05.201612:54 Uhr

Irreführende Interpretation

So regelmäßig wie die Zahlen von Ärztekammern und MDS zu Behandlungsfehlern veröffentlicht werden so regelmüßig ist auch ihre Fehlinterpretation. Es gibt keinesfalls nur ca. 4000 Behandlungsfehler (plus die entsprechenden Werte der Ärztekammern) jährlich in Deutschland.

Zunächst einmal sind Patienten im Falle eines Behandlungsfehlers in einer denkbar schlechten Position, diesen überhaupt zu erkennen. Im Zweifelsfall sind sie gesundheitlich geschädigt oder gar ihre betroffenen Angehörigen verstorben. Verständlich, dass man zunächst mit der Verarbeitung dieser Lebensumstände und nicht mit der Vermutung oder gar Verfolgung ihrer Ursachen beschäftigt ist. Dann befinden sich sämtliche Beweismittel in der Hand der Behandler - mit allen Konsequenzen. Wenn das noch nicht abschreckend genug ist, müssen Patienten nach Unterstützung in Form von Anwälten und/oder Gutachtern suchen - vielen sind die Möglichkeiten über Ärztekammern oder Krankenkasse/MDK nicht bekannt und sie scheuen den Gang zum teuren Anwalt bzw. finden erst gar keinen. Und dann müssen sich Patienten im schlimmsten Fall auf ein langjähriges Gerichtsverfahren (beginnend mit der Einklagung der Herausgabe der Patientenakte bis zum Revisionsverfahren auf Antrag der Haftpflichtversicherung) einstellen. Dass diesen Weg nur wenige gehen ist verständlich. Und das alles steht unter den Erfordernissen, auf der Grundlage der durch den Behandler vorgenommenen Dokumentation umfangreiche Beweispflichten (Fehler, Schaden und Kausalität)erfüllen zu müssen. Dieser letzte Aspekt relativiert auch die Aussage, dass nur ca. 4.000 von 14.800 Vorwürfen bestätigt wurden. Korrekterweise muss man sagen, dass nur in ca. 4.000 Fällen nach Einschätzung der Gutachter die Beweiskraft der Dokumentation ausreicht, um dem Behandlungsfehler nachzugehen.

Und schließlich muss man noch Bereiche wie etwa die Hygiene in Betracht ziehen. Dass Versäumnisse bei der Hygiene z.B. aufgrund von Personalknappheit zu vermeidbaren Patientenschäden (=Behandlungsfehler) führen, ist gesicherte Erkenntnis. Aufgrund der Beweiserfordernisse wird aber kaum je ein Fall in die Behandlungsfehlerstatistik eingehen, denn es kann ja nicht ausgeschlossen werden, dass es sich im Einzelfall um schicksalhafte Ereignisse handelt.

Vor diesem Hintergrund hätte ich mir wirklich eine andere Überschrift über dem Artikel gewünscht.

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