Corona-Pandemie

Spanischer Arzt beklagt: „Der psychologische Druck ist enorm“

Was die Corona-Pandemie Ärzten abverlangt, zeigt ein Blick nach Spanien. Gerade auch die Triage-Entscheidungen belasten.

Manuel MeyerVon Manuel Meyer Veröffentlicht:
Die Ärzte in Spanien wussten teilweise nicht mehr wohin mit den COVID-19-Patienten. Hier ein Blick in das eilig errichtete Feldhospital in Madrid.

Die Ärzte in Spanien wussten teilweise nicht mehr wohin mit den COVID-19-Patienten. Hier ein Blick in das eilig errichtete Feldhospital in Madrid.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com

Madrid. Edwin Mercedes ist erschöpft – körperlich wie mental. Seit über sechs Wochen kämpft der spanische Lungenfacharzt im Madrider Universitätsklinikum Ramón y Cajal gegen das neue Coronavirus Sars-CoV-2.

„Mittlerweile bekommen wir die Situation unter Kontrolle, aber zu Beginn der Epidemie fühlten wir Ärzte uns wie im Krieg“, sagt der 37-Jährige.

Wie fast alle Madrider Krankenhäuser stand auch die Uniklinik unter hohem Druck. „Wir wussten gar nicht mehr, wohin mit den ganzen COVID-19-Patienten“. Mit über 235.000 Infizierten und mehr als 24.000 Todesopfern ist Spanien eines der am stärksten von der Pandemie betroffenen Ländern.

Erlebtes „mit nichts vergleichbar“

„Wir machten Überstunden, Doppelschichten. Bei so vielen Patienten fühlte man sich aber fast schuldig, wenn man abends nach Hause ging“, berichtet Mercedes. Richtig schlafen konnte er nach seiner Schicht aber kaum. Auch wenn er vollkommen übermüdet war. „Der psychologische Druck ist enorm. Wir sind es gewohnt, viel zu arbeiten und auch schwere Entscheidungen zu treffen. Doch das, was wir heute erleben, ist mit nichts vergleichbar“.

Der ständige Druck, entscheiden zu müssen, welcher Patienten auf der Intensivstation an ein Beatmungsgerät kommt und mehr Chancen hat zu überleben, und welcher nicht, sei brutal gewesen.

„Doch die vielleicht noch größere Belastung ist die Ansteckungsgefahr“, meint der Lungenfacharzt. „Gerade zu Beginn waren wir dem Virus total ausgesetzt. Es gab weder ausreichend Schutzmasken noch Kittel“.

Um Gesundheit der Mutter besorgt

Natürlich war er um seine Gesundheit besorgt. Aber noch mehr um die seiner Mutter. „Sie ist 72 Jahre alt und wohnt wegen verschiedener Erkrankungen bei mir. Ich hatte regelrechte Angst, abends nach Hause zu kommen und sie anstecken zu können“, so Mercedes.

Zu Recht: Aufgrund fehlender Protokolle und Schutzmaterial infizierten sich in Spanien gleich bei Ausbruch der Epidemie über 35 .300 Ärzte und Krankenpfleger mit dem Virus.

Deshalb nahm er das Angebot des Vermieterbunds Madrid Aloja in Anspruch, welcher Ärzten und Pflegern kostenlos während der Pandemie Airbnb-Wohnungen zur Verfügung stellt, damit sie nicht ihre Familien zu Hause in Gefahr bringen.

Wichtig: Gegenseitig Mut machen

Wichtig ist laut Mercedes, mit dem Druck nicht alleine zurechtkommen zu wollen: „Mit meinen Kollegen spreche ich viel über das Thema. Man muss sich einfach austauschen, gegenseitig Mut machen. Sonst steht man das nicht durch.“

Viele spanische Ärzte nehmen auch immer häufiger professionelle Hilfe in Anspruch. „In den vergangenen Wochen haben wir einen deutlichen Anstieg an anonymen Anrufen von Ärzten und Krankenpfleger, die sich an der Grenze ihrer psychischen Belastung sehen“, erklärt Psychiaterin Enriqueta Ochoa vom Madrider Ärzteverband.

Ihr Verband musste in den vergangenen Wochen sogar mehr Psychologen einstellen, um die Anfragen der verbandsinternen Hilfs- und Beratungshotline zu bewältigen.

Notlage dauert länger

Als islamistische Terroristen im März 2004 gleichzeitig in mehreren Nahverkehrszügen in Madrid Bomben explodieren ließ, erlebte man eine ähnliche Situation. Damals kamen 191 Menschen ums Leben, über 2000 wurden teils schwer verletzt in die Hauptstadt-Kliniken eingeliefert.

„Die Lage ist nun aber noch schlimmer. Einerseits dauert diese Notlage länger an. Andererseits sehen sich auch die Ärzte der Gefahr ausgesetzt“, so Miguel Sánchez Chillón, Vorsitzender des Madrider Ärzteverbands.

Nach der Krise psychologische Hilfe annehmen

Aber es wird noch schlimmer kommen, befürchtet María Neira, Direktorin für Öffentliche Gesundheit bei der Weltgesundheitsorganisation WHO. „Bei vielen Ärzten werden wir posttraumatischen Stress und Angst feststellen, sobald die Krise und der Arbeitsdruck abnehmen“, sagt sie im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“.

Zumal es vielen Ärzten während der Krise schwerfällt, psychologische Hilfe anzunehmen, weil sie sich selber in der Rolle des Helfers sehen.

„Damit sich ihre psychologischen Wunden schließen, müssen wir alle auch nach der Krise dicht an ihrer Seite stehen. Die Ärzte müssen auch nach der Krise die Sympathien, Zuwendung und Anerkennung der Bevölkerung und der Institutionen spüren“, sagt Neira.

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