PDSG

Koalition bringt E-Patientenakte Richtung Versorgung

Ab Januar wird es in Deutschland elektronische Patientenakten geben. Die vier Oppositionsparteien im Bundestag stimmten dem Regierungsentwurf zum Patientendatenschutzgesetz (PDSG) geschlossen nicht zu.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Digitalisierung soll nicht nur bei den Patienten ankommen: Gesundheitsminister Jens Spahn, bei einem Pressestatement nach der Verabschiedung des Patientendatenschutzgesetzes im Bundestag.

Die Digitalisierung soll nicht nur bei den Patienten ankommen: Gesundheitsminister Jens Spahn, bei einem Pressestatement nach der Verabschiedung des Patientendatenschutzgesetzes im Bundestag.

© Bernd von Jutrczenka / dpa / picture alliance

Berlin. Die elektronische Patientenakte kann durchstarten. Rund 16 Jahre, nachdem ein solches Projekt aufs Gleis gesetzt worden wurde, hat der Bundestag am frühen Nachmittag mit den Stimmen von Union und SPD das Patientendatenschutzgesetz beschlossen. Dagegen stimmten die Fraktionen von AfD, FDP und Linken, die Abgeordneten von Bündnis 90/ Die Grünen enthielten sich.

Das regelt das PDSG:

Mit dem Gesetz wird eine gesetzliche Vorgabe scharfgeschaltet, dass Krankenkassen ab Januar 2021 ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anbieten müssen. Das analoge Datensystem besteht fort.

  • Für die Versicherten ist die Nutzung der Akte freiwillig. Sie entscheiden, was in der Akte gespeichert sein soll. Sie können Ärzten den Einblick in die Akte verweigern. Ab Januar 2022 erhalten Versicherte die Möglichkeit, genau zu steuern, welcher Arzt oder Therapeut auf welche Daten zugreifen können darf.
  • Niedergelassene Ärzte, die erstmals Daten in eine ePA eintragen, erhalten dafür eine Entschädigung von zehn Euro. Unterstützen müssen sie ihre Patienten allerdings nur im jeweils aktuellen Behandlungskontext.
  • In der Akte abgebildet werden können Befunde, Arztberichte und Röntgenbilder; ab 2022 sollen der Impfausweis, der Mutterpass, das gelbe U-Heft für Kinder und das Zahn-Bonus-Heft in der Akte gespeichert werden.
  • Mit dem PDSG wird die Entwicklung einer App für das elektronische Rezept durch die gematik angestoßen.
  • Ab 2023 können Versicherte ihre in der Akte abgelegten Daten freiwillig zu Forschungszwecken „spenden“.
  • Um die Digitalisierung der Pflege voranzutreiben, sollen alle in der Altenpflege Beschäftigten eine der Arztnummer vergleichbare Identifikationsnummer erhalten. Das soll auch dem Abrechnungsbetrug entgegenwirken.

Spahn: „Wir müssen anfangen!“

„Die Digitalisierung soll nicht nur bei den Patienten ankommen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Verlauf der Abschlussdebatte vor der Abstimmung. Die Einführung der Akte ab Januar werde nicht ohne Probleme ablaufen. „Aber wir müssen anfangen“, sagte der Minister.

Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte werde die analoge Patientenbuchführung nicht abgeschaltet, sagte SPD-Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut. Somit könne nicht die Rede davon sein, dass digital nicht affine Menschen dann auf der Strecke blieben. „Das PDSG ist ein gutes, sicheres Gesetz, das den Datenschutz in den Vordergrund stellt“, sagte Heidenblut.

Opposition übt Kritik

Genau das stellten die Oppositionsparteien in Frage. Das Berechtigungsmanagement wurde in der Debatte stark kritisiert. Dass Versicherte im ersten Jahr der elektronischen Patientenakte nur die Wahl haben, allen oder keinem Behandler Einsicht in die Daten zu gewähren, stieß bei den Oppositionsparteien nicht auf Verständnis. Das Projekt werde unfertig in die Versorgung gebracht, lautete ein Vorwurf.

Die Akte benötige von Beginn an einen rechtssicheren Rahmen, sagte Christine Aschenberg-Dugnus für die FDP mit Blick auf die ersten zwölf MonateLaufzeit der Akte ohne echtes Berechtigungsmanagement. Ein weiterer Kritikpunkt der Liberalen ist der Ausschluss der privaten Unternehmer von der Nutzung der von den Versicherten für die Forschung gespendeten Daten.

Auch Laien müssten die Akte bedienen können. Das aber sei bei der Komplexität des Projekts eine „kaum zu realisierende Notwendigkeit“, sagte Detlev Spangenberg von der AfD.

Als unausgereift bezeichnete Achim Kessler, gesundheitspolitischer Sprecher der Links-Fraktion die Akte. In der aktuellen Ausführung werde die Akzeptanz bei Patienten und Ärzten gefährdet.

Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen kritisierte die mangelnde Beteiligung von Patienten- und Selbsthilfeorganisationen an der Ausgestaltung der Akte. Die Zivilgesellschaft sei auf allen Ebenen der Entwicklung unterrepräsentiert.

AOK-Chef sieht Logikbruch

Auf Unverständnis stößt die Tatsache, dass es mit dem PDSG zusätzlich zur elektronischen Patientenakte eine App für das elektronische Rezept geben soll. Der Vorstandsvorsitzende der AOK-Baden-Württemberg Johannes Bauernfeind bezeichnete dies als Logikbruch.

„Es wäre besser gewesen, diese Funktion gleich in die elektronische Patientenakte zu integrieren, die von den Krankenkassen ohnehin entwickelt wird“, sagte Bauernfeind der „Ärzte Zeitung“.

Kopfschütteln bei der Industrie

Dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Körperschaft des Öffentlichen Rechts künftig Softwarelösungen im Wettbewerb selbst entwickeln können soll, stößt in der Industrie auf Kritik. Dies vor allem deshalb, weil die KBV gleichzeitig die Produkte der Industrie zu zertifizieren habe, zu denen sie mit eigenen Entwicklungen im Wettbewerb stehe.

Als bewusste Entscheidung gegen den Wettbewerb bezeichnete der Bundesvervand Gesundheits-IT (bvitg) die Regelung, dass nur gesetzliche und private Krankenversicherer eine von der gematik zertifizierte Patientenakte anbieten dürften.

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Kommentare
Dr. Karlheinz Bayer 04.07.202009:25 Uhr

Cui bono?
Wenn man den Tatenschutz ernst nimmt, kann man erst ab dem Jahr 2 die elektronische Patientenakte guten Gewissens befürworten. Wir sind doch nicht mit dem Klammerbeutel gepudert, dass wir seit der Gründung der Bundesrepublik großen Wert auf die Patientendaten legen, wenn wir jetzt mit einem Staatsstreich alle Daten ins Netz stellen sollen.

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