Wegen Corona

Medizinstudenten droht Verschiebung des Staatsexamens

Das schriftliche Staatsexamen M2 soll auf nächstes Jahr verschoben werden. Das würde den Studenten das frühere „Hammerexamen“ zurückbringen. Die Medizinstudierenden wehren sich vehement.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Mehrere hundert Medizinstudenten kommen normalerweise zum schriftlichen Staatsexamen M2 zusammen.

Mehrere hundert Medizinstudenten kommen normalerweise zum schriftlichen Staatsexamen M2 zusammen.

© Erwin Scheriau / picture alliance

Berlin. Die SARS-CoV-2-Epidemie könnte nun auch dazu führen, dass medizinischer Nachwuchs weniger schnell in die Versorgung kommt.

Das Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) und der Medizinische Fakultätentag (MFT) haben den zuständigen Ministerien empfohlen, das für April geplante große schriftliche Staatsexamen (M2) auf das Jahr 2021 zu verschieben, wie aus einer gemeinsamen Stellungnahme hervorgeht.

Das IMPP habe eine Risikoanalyse für die im April anstehende schriftliche Staatsprüfung durchgeführt, erklären Professor Jana Jünger, Direktorin des IMPP, und Professor Matthias Frosch, Präsident des MFT.

„Nach sorgfältiger Abwägung einer ganzen Reihe von Optionen – zum Beispiel Prüfung in kleineren Gruppen durch Nutzung weiterer Räume – ist das IMPP gemeinsam mit dem MFT zu der Überzeugung gekommen, dass es unter Berücksichtigung aller Umstände die beste Alternative wäre, das M2 im April 2020 nicht durchzuführen“, so ihr Resümee.

Es sei ihnen ein großes Anliegen, die Prüflinge und Prüfer in der aktuellen Situation zu schützen und eine faire Examensprüfung sicherzustellen.

Studenten sollen direkt ins PJ

Damit sich die Studienzeit nicht verlängert, solle die Möglichkeit geschaffen werden, bereits für das M2 zugelassene Studierende unmittelbar ins Praktische Jahr (PJ) zu entsenden.

„Wir haben diese Empfehlung den zuständigen Ministerien vorgestellt. Diese werden in enger Abstimmung zwischen Bund, Ländern und Landesprüfungsämtern eine Lösung entwickeln“, erklären Jünger und Frosch.

Damit müssten die Studenten nach dem PJ zwei Prüfungen ablegen: das M2 und die praktische M3-Prüfung. In früheren Zeiten war dieses „Hammerexamen“ üblich. Eine enorme Belastung für die Studenten.

bvmd: M2 erlassen wie in anderen Ländern

Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) lehnt dieses „Hammerexamen“ kategorisch ab. Man nehme „mit Entrüstung und tiefer Bestürzung“ die Empfehlung des MFT und IMPP zur Kenntnis, sagt bvmd-Vizepräsident Tim Schwarz.

Die bvmd nehme die derzeitige Krise sehr ernst. Zahlreiche Studierende hätten sich auch bereits freiwillig gemeldet, um in verschiedenen Bereichen des Gesundheitssystems zu helfen. Aber: „Sollte das M2 nicht wie geplant stattfinden, sollte es entsprechend aktueller internationaler Beispiele erlassen werden“, fordert die Bundesvertretung der Medizinstudierenden.

Das fühlt sich alles andere als fair an.

Luzia Rehborn, Medizinstudentin

Es sei fraglich, warum man zukünftigen Ärzten und Ärztinnen zusätzlich zu den erwartbaren psychischen Belastungen während der COVID-19-Pandemie die immense psychische Belastung eines solchen kombinierten M2 und M3 zumuten sollte.

„Durch die erfolgreiche Zulassung zum M2 und dem dafür notwendigen Bestehen aller fakultären Prüfungen haben die Studierenden bereits nachgewiesen, dass sie über genügende Kenntnisse in diversen medizinischen Fächern verfügen, die sie in der mindestens dreimonatigen intensiven Lernphase bereits festigen konnten“, so Schwarz.

Ein ganzer Jahrgang ein Semester später im Beruf

Das sieht auch Medizinstudentin Luzia Rehborn so: „Das hieße für mich, in einem Jahr den doppelten Druck erfahren zu müssen: Die soeben absolvierten sechs Lernmonate wären hinfällig und müssten während der PJ-Phase oder danach wiederholt werden, um dann in einer Doppelprüfung abgeschlossen zu werden“, sagt sie.

„Das fühlt sich alles andere als fair an.“ Man würde mit diesem Vorgehen unter sehr veränderten Studienbedingungen auf ein Verfahren zurückgreifen, das man mit guten Gründen vor zehn Jahren abgeschafft habe. „Unser Curriculum hat sich inzwischen deutlich gewandelt“, erklärt sie.

Im von SARS-CoV-2 schwer betroffenen Italien habe man sich dafür entschieden, das M2 komplett und ohne Ersatzleistung ausfallen zu lassen. In Großbritannien sei man hingegen zu dem Schluss gekommen, dass gerade jetzt die Prüfungen für Ärzte wichtiger denn je sind, um sie schnellstmöglich qualifiziert ins Gesundheitswesen zu entlassen, sagt die Studentin. „Für einen dieser beiden Wege sollte man sich auch in Deutschland entscheiden“, so ihre klare Ansage.

Rehborn glaubt nicht, dass sich ein geplanter Abschluss des Studiums auf diese Weise in Regelzeit bewältigen lässt, was für die medizinische Versorgung bedeute: Ein ganzer Jahrgang von Ärzten käme mindestens ein Semester später in den Beruf.

Ähnlich argumentiert Tobias Löffler, Bundeskoordinator für medizinische Ausbildung bei der bvmd: Die mentale Belastung, die aktuell auf den Examensanwärtern laste, sei enorm.

„Zudem erwartet sie zum Einstieg in das PJ während der aktuellen Krise eine weitere Belastungsphase“, so Löffler. „Würde diese erneut von einer langwierigen Examensvorbereitungsphase im Anschluss flankiert werden, erwarten wir drastische Auswirkungen auf die mentale Gesundheit der zukünftigen Ärzte und Ärztinnen.“

Sorge um Ausbildungsvielfalt im PJ

Die Medizinstudierenden sehen noch ein weiteres Problem: Die Versorgungssituation in Deutschland hat sich verändert. „Zahlreiche elektive Eingriffe wurden abgesagt, Stationen sind geräumt, Kapazitäten werden aufgestockt: Daher verstehen wir, dass es notwendig sein kann, geplante PJ-Abläufe anzupassen“, erklärt die bvmd.

Die Studierenden seien dafür offen, im Rahmen der Pflichttertiale auch anderweitig Verantwortung zu übernehmen. Aber: „Auch für unsere zukünftigen Berufswege ist das PJ entscheidend, daher muss es möglich bleiben, sein individuelles Wahlfach so gut als möglich durchzuführen“, fordert die Vereinigung.

Da ein Qualitätsverlust durch die derzeitige Ausnahmesituation nicht gänzlich vermeidbar sein werde, sei es wichtig, diesen durch regelmäßiges Feedback, Supervision, Anleitung in neuen Tätigkeitsbereichen und digitale Lehrformate so gut es geht zu begrenzen, lautet der Vorschlag der Medizinstudierenden.

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