Impfgegner

Aufklärung allein macht nicht immun

Beim aktuellen Masernausbruch sind die Impfzweifel vieler Menschen in den Blick gerückt. Besser aufzuklären wird dringend empfohlen. Doch das allein hilft nicht - und kann bei manchen sogar ins Gegenteil umschlagen.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Keine Lust aufs Impfen? Das trifft offenbar auf immer mehr Menschen zu.

Keine Lust aufs Impfen? Das trifft offenbar auf immer mehr Menschen zu.

© Dmitry Lobanov / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Erstaunlich an den Gegnern des Impfens ist vor allem, dass es sie gibt. In der Medizingeschichte lassen sich jedenfalls nur wenige medizinische Maßnahmen finden, die der allgemeinen Gesundheit zuträglicher gewesen sind als das aktive Immunisieren.

Hartgesottene Impfgegner ficht das indes nicht an, wie nicht zuletzt der aktuelle Masernausbruch vor Augen führt. Und selbst wenn ihre Argumente aus wissenschaftlicher Sicht unsinnig sind, finden sie bei vielen Menschen Gehör.

Allerdings musste schon Edward Jenner, einer der Begründer der Methode, seine Pockenschutzimpfung Anfang des 19. Jahrhunderts gegen Kritik verteidigen.

In der "Oeconomisch-technologischen Encyclopädie" von Johann Georg Krünitz hieß es damals: "Man hält nämlich die natürlichen Blattern für eine Art Sauerteig, den jedes neugeborne Kind mit auf die Welt bringt, und der, wie jeder Sauerteig, eine Gärung hervorbringen müsse."

Bei der Pockenkrankheit, so die Vermutung, handle es sich um eine notwendige Reinigung des Körpers von schlechten Säften. Diese Reinigung werde durch die Impfung verhindert, und noch schlimmere Ersatzkrankheiten könnten die Folge sein.

Das erinnert nicht nur von ferne an die Vorstellungen heutiger Impfskeptiker, wonach man der Natur ihren Lauf zu lassen habe, weil Kinder nach überstandener Infektion gesünder und stärker seien als vorher.

Immerhin ist in diesem Zusammenhang heute nicht mehr von den Pocken die Rede, die einst ebenfalls als Kinderkrankheit galten, sondern meist von den Masern.

Aufklärung erhöhte Furcht vor Nebenwirkungen

Es scheint naheliegend, solch irrationalen Annahmen zu begegnen, indem man über die wahren Sachverhalte aufklärt. Tatsächlich gelingt es auch, unrichtige Auffassungen zu korrigieren.

Ein Beispiel dafür ist die Annahme, wonach die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR) das Risiko für Kinder erhöht, Autismus zu entwickeln.

Dieser Irrtum lässt sich laut Ergebnissen einer Studie von Professor Brendan Nyhan vom Dartmouth College in Hanover im US-Staat New Hampshire) und Mitarbeitern durchaus beseitigen, wenn man den Betreffenden wissenschaftliche Belege dafür vorlegt, dass zwischen Impfung und Autismus keine Verbindung besteht.

Die Zustimmung zur falschen Annahme sank dadurch bei den knapp 1800 Studienteilnehmern auf fast die Hälfte (Pediatrics 2014; 133: e835).

Der Haken an dieser Form der Überzeugungsarbeit ist nur: Die Bereitschaft zu impfen steigt nach Korrektur des Irrtums nicht zwangsläufig. Schlimmer noch: Sie kann sogar abnehmen.

Anfällig dafür sind vor allem jene Personen, die dem Impfen gegenüber von Haus aus besonders skeptisch eingestellt sind. In der genannten Studie lag die Wahrscheinlichkeit dafür, Kinder künftig impfen zu lassen, bei den am stärksten gegen die MMR-Vakzine eingestellten Probanden zunächst bei 70 Prozent.

Doch nach der Aufklärung über den nicht bestehenden Zusammenhang mit Autismus nahm die Wahrscheinlichkeit keineswegs zu. Im Gegenteil: Sie sank auf 45 Prozent.

Informationen über die Gefährlichkeit der Erkrankung, Bilder von Kindern mit Folgeerkrankungen oder dramatische Berichte über Fast-Todesfälle - alles Dinge, die sich derzeit in den Medien finden lassen - führen den Forschungsresultaten zufolge ebenso wenig zu einer höheren Impfbereitschaft.

Stattdessen verstärken sie den Glauben an Irrtümer und erhöhen die Furcht vor Nebenwirkungen der MMR-Impfung.

Es geht um mehr, als nur Ansichten zu korrigieren

Nyhan überprüfte den Befund auch in einer Studie zur Grippeimpfung (J Vaccine 2015; 33: 459). Ziel der Korrektur war der Aberglaube, der Grippeimpfstoff könne selbst eine Grippe auslösen - ein Glaube, der immerhin von 43 Prozent der 1000 Befragten geteilt wurde.

 Wiederum gelang es mit entsprechenden Informationen, den Irrtum zu korrigieren und die Zustimmung dazu signifikant zu reduzieren. Und wiederum nahm dadurch vor allem in der Gruppe mit den größten Bedenken die Bereitschaft, sich gegen Grippe impfen zu lassen, nicht zu, sondern ab.

Das von Nyhan berichtete Phänomen ist keineswegs auf Impfen und Medizin beschränkt. Es ist auch in anderen Bereichen zu beobachten, etwa auf dem Feld politischer Überzeugungen (J Polit Behav 2010; 32: 303).

Es geht bei all dem um weit mehr als nur darum, falsche Ansichten durch richtige zu ersetzen. Es geht um Geflechte aus Dogmen, die sich zu einer Ideologie zusammensetzen.

Gegenargumente werden hier oft als Angriffe auf die Person gewertet und können eine einmal eingenommene Haltung eher verhärten, als sie zu lockern.

"Was dem Herzen widerstrebt, lässt der Kopf nicht ein", so hat das der Philosoph Arthur Schopenhauer formuliert.

Falls er Recht hat, und Nyhans Ergebnisse sprechen dafür, genügen Informationsbroschüren und Aufklärungskampagnen bei Weitem nicht, um die Impfskepsis abzubauen. Nicht nur der Wissensstand, sondern die gesamte Einstellung zum Impfen müsste sich ändern.

 Anders ausgedrückt: Wer nur auf den Kopf zielt, verfehlt leicht das Herz.

Jetzt abonnieren
Mehr zum Thema

Schwächere Immunantwort

Wie das Alter die Wirkung von Impfungen verändert

Kommentare
Helmtrud Harnack 30.03.201517:03 Uhr

Helmtrud Harnack

Völlig richtig ist, dass Aufklärung nicht immun macht. Es ist eine Voraussetzung zur Impfbereitschaft. Leider werden Impfkritiker gleich als Impfgegner und Impfskeptiker bezeichnet. Unrichtig ist allerdings, dass die Pocken nur eine Kinderkrankheit waren. Zumindest früher hat die Pharmaindustrie im Medizinstudium die Referenten für den Impfbereich gestellt. Forschungen gab es bisher nicht und gibt es auch heute nicht. Wie wenig über Impfauswirkungen der verschiedenen Impfstoffe tatsächlich bekannt ist, lässt sich in allen Newslettern des BfArM und PEI: „Bulletin zur Arzneimittelsicherheit“ nachzulesen.
Richtig ist auch, dass keine Impfung die entsprechend tatsächliche Infektionskrankheit auslöst. Eine Impfung löst eine künstliche Infektionskrankheit aus, die noch heute gültige AHP, Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit, BMG, Grundlage bei möglichen Impfschäden, §§ 60, 61 IfSG. § 21 IfSG: Impfstoffe: Impfstoffe, die ja Mikroorganismen enthalten, dürfen verwendet werden, „welche von den Geimpften ausgeschieden und von anderen Personen aufgenommen werden können. Das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 23 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz) wird insoweit eingeschränkt.“ Zu beachten ist dabei auch das GG Art. 74 Nr. 19.
Die Sicherheit der Impfstoffe sind die Chargennummern. Die Wirksamkeit der Impfstoffe setzt die Bildung der Antikörper voraus, letztlich die gesicherte Erzeugung einer Allergie, die dann den Schutz gegen die geimpfte Infektionskrankheit sichern soll. Das gilt auch für moderne Impfstoffe.
Auch bei Infektionskrankheiten werden Antikörper untersucht, ob/welche Infektionskrankheit gesichert besteht. Das ist z.B. auch die Voraussetzung einer bestehenden meldepflichtigen Grippe oder zu den Hepatitis-Erkrankungen.
Die Bereitschaft zu Impfungen könnte zumindest dadurch entschärft werden, wenn bei Geimpften vor jeder Auffrischimpfung Antikörper untersucht werden, ob überhaupt oder noch ein so genannter Schutz bestünde, wobei die korrekte Definition Impfschutz seit den Pockenschutzimpfungen der Schutz der Impfung ist.
Bei Untersuchungen der Antikörper vor einer Auffrischimpfung würde sich der Verdienst auf verschiedene medizinische Bereiche verteilen, nicht nur auf die Pharmaindustrie. Zur früheren Pockenschutzimpfung ging es auch nur um finanzielle Belange der Pharmaindustrie, Bayer. Hauptstaatsarchiv. Es gäbe sicher auch weniger UAW, keine Impfdurchbrüche, wenn sie auch selten sind.
Dafür gäbe es sicher mehr Bereitschaft zu Impfungen.. Es ist sicher nicht damit getan, wenn ein Impfschaden ohne weiterer Kenntnisse nur abgewehrt wird, z.B. bei einer sonst gesunden 90-Jährigen nach einer Grippeimpfung, Kommentar zum Beitrag vom 11.03.15: Keine Lust auf den Pieks.

Dr. Hans-Jürgen Schrörs 30.03.201508:45 Uhr

Der Schwerpunkt der Aufklärung sollte bei den Skeptikern liegen

Impfgegner machen bei uns ca. 1-3% aus. Diese zu überzeugen ist praktisch nicht möglich auch nicht mit wissenschaftlichen Argumenten. Die zitierte Studie hat gezeigt, dass es Unbehagen verursacht, wenn man eine langgehegte Ansicht aufgeben soll. Sie erklärt auch die Beobachtung, dass sich Impfgegner einer Impfung noch intensiver verweigern, wenn sie ihre Argumente verlieren. Die Ablehnung ganz aufzugeben, bedeutet nämlich, einen lange verteidigten Fehler mit potenziell gravierenden Folgen für sich und die eigenen Kinder einzugestehen. Das schmerzt,außer man behält die Meinung trotz widerlegter Argumente bei. Sich bekehren zu lassen bedeutet nämlich, dass man zugeben muss, in der Vergangenheit einen Fehler gemacht zu haben. Bei Impfverweigerung kann das gravierende Folgen haben, die man seiner Umgebung und seinen Kindern gegenüber begründen muss. Deswegen, wie auch in vielen anderen Bereichen des Zusammenlebens, beharrt man lieber auf seiner Meinung, um nicht das Gesicht zu verlieren.
Aber viel wichtiger ist es, die Impfskeptiker zu beraten. Diese Gruppe ist aufnahmebereit und ist 20 – 40% sehr groß. Gefragt ist hier in erster Linie der Hausarzt und sein Team. Hier muss sich das Präventionsbewusstsein durchsetzen, was leider häufig nicht der Fall ist, wie zahlreiche Studien und Zahlen der KV-en belegen.

Dr. Thomas Georg Schätzler 30.03.201507:54 Uhr

Quellenangabe der Debatte auf SpringerMedizinOnline

http://www.springermedizin.de/eingefleischten-impfskeptikern-helfen-keine-infos/5564876.html

Dr. Thomas Georg Schätzler 30.03.201507:52 Uhr

Mit "hartgesottenen Impfgegnern" ist es wie mit eingefleischten Vegetariern/Veganern...

Sie sind in der Regel beratungsresistent und rationalen Informationsmaterialien nicht zugänglich. Ihr Werte- und Beurteilungssystem ist von naivem Empirismus geprägt. Im öffentlichen Diskurs herrscht emotionale Personalisierung vor. Wie ich selbst in Debatten erlebe, werden 90-Jährige zitiert, die ganz sicher als UAW (unerwünschte Arzneimittelwirkung) nach der Grippe-Impfung verstorben sind. Andere denkbare Todesursachen werden kategorisch ausgeschlossen. Ein Impfschaden gilt dann als belegt, wenn eine offizielle Untersuchung genau das Gegenteil verifiziert hat und eine UAW ausschließen konnte. Infektionsrisiken z. B. bei Masern werden verniedlicht, weil doch mehr Menschen im Straßenverkehr oder an Influenza A+B sterben würden, usw. usf. Ich stimme dem Kommentar von Prof. Dr. med. H. Holzgreve ohne Einschränkung zu: "Korrekturversuche können ineffektiv oder sogar kontraproduktiv sein." Man kann nur Vertrauen aufbauen, immer wieder beratend unterstützen und die Selbst- bzw. Fremdwahrnehmung schärfen. Spätestens wenn Veganer krank und mit Mangelerscheinungen zu Laboruntersuchungen kommen, sollte man die Ursachen ansprechen. Bei präventiven Schutzimpfungen ist es dann leider häufig zu spät. Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

ACC-Kongress

Wenig trinken bei Herzinsuffizienz? Seien Sie nicht so streng!

Lesetipps
Frau telefoniert

© Matthias Balk / picture alliance

Kontakt mit Patienten

Arztpraxis ohne Telefon: Kann das funktionieren?

Ein Arzt ist im Gespräch mit seinem Patienten. Der Arzt hält ein Herzmodell in der Hand.

© rocketclips / stock.adobe.com

Zwei Millionen Erwachsene untersucht

Zehn Jahre länger leben ohne fünf kardiovaskuläre Risiken