Prospektive Kohortenstudien

Viel Bewegung verhindert chronischen Rückenschmerz

Eine aktuelle Übersichtsarbeit bestätigt: Wer in der Freizeit körperlich aktiv ist, erkrankt seltener an chronischem Kreuzschmerz. Ein gelegentliches Zwacken im Rücken lässt sich damit jedoch nicht verhindern.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Das Risiko für chronische, aber nicht für episodische Kreuzschmerzen lässt sich durch Sport reduzieren.

Das Risiko für chronische, aber nicht für episodische Kreuzschmerzen lässt sich durch Sport reduzieren.

© djma/stock.adobe.com

HELSINKI. Die nationale Versorgungsleitlinie Kreuzschmerz äußert sich in einem Punkt sehr deutlich: So wird bei lumbalem Rückenschmerz eine "konsequente Steigerung der körperlichen Aktivität (Bewegungstherapie, Sporttherapie) mit Motivierungs- und Beratungselementen" empfohlen. Doch solche Empfehlungen stoßen nicht nur auf Zustimmung: Einige Experten bezweifeln, dass körperliche Aktivität viel nützt, manche glauben sogar, viel Bewegung könnte bei Kreuzschmerzen eher schaden.

Nicht ganz unschuldig an solchen Annahmen sind offenbar Querschnittstudien, in denen körperlich Aktive vermehrt unter Kreuzschmerzen litten. Allerdings ist hier eine reverse Kausalität recht wahrscheinlich: Viele bewegen sich etwas mehr, weil man ihnen das gegen ihre Kreuzschmerzen empfohlen hat, vermuten Arbeitsmediziner um Dr. Rahman Shiri aus Helsinki.

Ein Team um Shiri hat in einem aktuellen Review die vorhandene Evidenz zu körperlicher Aktivität in der Freizeit und der Kreuzschmerzinzidenz erneut beurteilt (Br J Sports Med 2017; online 14. Juni). Dabei haben die Forscher nur prospektive Kohortenstudien berücksichtigt, um die Gefahr einer reversen Kausalität zu minimieren.

Sie fanden 36 geeignete Studien mit zusammen über 158.000 Teilnehmern. In allen Studien waren die körperliche Aktivität sowie die Häufigkeit von Rückenschmerzen prospektiv erfasst worden. Wie sich zeigte, traten lumbale Schmerzen bei körperlich Aktiven nicht signifikant seltener auf als bei nicht Aktiven. Wurden nur die körperlich Hochaktiven berücksichtigt – dazu zählten Personen, die mehr als drei- bis viermal oder mehr als zwei bis vier Stunden die Woche Sport trieben – war die Rate für Kreuzschmerzen in den vergangenen zwölf Monaten sogar um 6 Prozent erhöht, bei moderat Aktiven hingegen um 6 Prozent erniedrigt, keines der Resultate erwies sich jedoch als signifikant. Auch wenn der Zeitraum auf das vergangene halbe Jahr oder den vergangenen Monat begrenzt wurde, ergaben sich keine signifikanten Differenzen. Durch Kreuzschmerzen bedingte Fehltage am Arbeitsplatz traten bei körperlich Aktiven und Inaktiven ähnlich häufig auf.

Ein anderes Bild ergab sich jedoch, wurde nach häufigen oder chronischen Kreuzschmerzen geschaut. Als chronisch galt der lumbale Schmerz, wenn er über mindestens drei Monate anhielt oder mehr als 30 Schmerztage innerhalb eines Jahres auftraten.

Hierzu fanden die Forscher um Shiri sechs qualitativ hochwertige Studien. Teilnehmer, die in ihrer Freizeit sportlich aktiv waren (mindestens ein- bis zweimal pro Woche oder mindestens eine halbe bis ganze Stunde pro Woche) und zum Beginn der jeweiligen Untersuchung noch keine Rückenschmerzen hatten, bekamen zu 11 Prozent seltener chronische Kreuzschmerzen als Inaktive. Wurde die Intensität berücksichtigt, zeigte sich ein Dosiseffekt: Moderat Aktive entwickelten 14 Prozent seltener und Hochaktive 16 Prozent seltener chronischen Kreuzschmerz. Alle Resultate waren statistisch signifikant. Interessant ist auch eine Zwillingsanalyse in einer der Studien: War einer der Zwillinge sportlich aktiv und der andere nicht, dann bekam der aktive Zwilling wesentlich seltener Kreuzschmerzen.

Die Ärzte um Shiri schließen aus den Resultaten, dass sich die Gefahr von chronischem Kreuzschmerz durch Sport und körperliche Aktivität tatsächlich verringern lässt. Dies gilt jedoch nicht für episodische Kreuzschmerzen, wie sie mit einer Häufigkeit von 25 bis 40 Prozent innerhalb eines Jahres bei einem Großteil der Bevölkerung auftreten. Solche Schmerzen seien recht unspezifisch und hätten daher wohl wenig mit dem Ausmaß der körperlichen Freizeitaktivität zu tun, schreiben sie. Vielmehr sei auch bei einem gesunden Lebensstil gelegentlich mit Rückenschmerzen zu rechnen.

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