Klimawandel
Verheerende Auswirkungen auf Gesundheit
Extremwetterereignisse, Luftverschmutzung, veränderte Ausbreitungsgebiete von Infektionskrankheiten: Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Gesundheit aus. In Paris scheint diese Erkenntnis angekommen zu sein - doch hierzulande führt das Thema nach wie vor ein Schattendasein.
Veröffentlicht:BERLIN. Wenn an diesem Freitag die Weltklimakonferenz in Paris endet, so ist das ein fulminantes Ereignis: Der Nachfolgevertrag für das Kyoto-Protokoll mit verbindlichen Klimazielen für die 196 Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention steht.
"Es ist erstmals in den Köpfen der Klimakonferenzteilnehmer angekommen, dass der Klimawandel Auswirkungen auf die Gesundheit hat", meint Dr. Otmar Kloiber. Aus Sicht des Generalsekretärs des Weltärztebundes (WMA) ist der Klimagipfel allein deshalb als Erfolg zu werten.
Seit etlichen Jahren flackern Bilder von Überschwemmungen in Indien, Wirbelstürmen auf den Philippinen oder Menschen mit Atemschutzmasken in Peking über die Bildschirme, immer öfter tauchen in den Medien asiatische oder afrikanische Tigermücken in Europa auf.
"Wir wissen, dass extreme Wetterbedingungen zur Zunahme von Erkrankungen und Todesfällen führen und dass sich die Mster von Infektionserkrankungen durch den Klimawandel verändern", sagte der ehemalige Präsident des Weltärztebundes Dr. Xavier Deau am Rande der Pariser Konferenz.
Viel zu lange hätten Politiker aber die Auswirkungen der Klimaveränderungen ignoriert, kritisierte Deau.
Hitze, Malaria, Luftverschmutzung
Wie gravierend die Folgen des Klimawandels für die Gesundheit sind, machen Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus dem Jahr 2014 deutlich: In den Jahren 2030 bis 2050, so die Annahme, werden jedes Jahr 250.000 Menschen an den Folgen des Klimawandels sterben - bedingt durch Hitze, Unterernährung, Malaria- oder Durchfallerkrankungen oder Luftverschmutzung.
Das Bewusstsein dafür ist - zumindest in Teilen - angekommen. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) symbolisierte am Rande des Weltklimagipfels, dass vor allem die armen Länder im Umgang mit den Klimafolgen nicht allein gelassen werden sollen: So sagte BMZ-Minister Dr. Gerd Müller vor einigen Tagen weitere 50 Millionen Euro für den Fonds für die am wenigsten entwickelten Länder (LDCF) zu.
Dieser Fonds ist bei der Globalen Umweltfazilität angesiedelt und unterstützt Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel in den ärmsten Ländern, die zudem am stärksten vom Klimawandel betroffen sind.
Künftige Projekte umfassen auch den Bereich Gesundheit. Mit einem Gesamtbeitrag von 215 Millionen Euro seit 2001 ist die Bundesrepublik größter Geber.
Darüber hinaus verstärkt das BMZ sein Engagement für die Klimarisikoversicherungsinitiative InsuResilience.
Mit der Initiative sollen weitere 400 Millionen Menschen bis 2020 in Entwicklungsländern Zugang zu Versicherungen gegen Extremwetterereignisse haben - bislang waren es 100 Millionen Menschen. Deutschland, so Müller, wird bis 2016 mehr als 150 Millionen in die Initiative investieren.
Initiative im eigenen Land fehlt
Seit Ende 2013 gibt es zudem ein globales Programm zur Anpassung an den Klimawandel im Gesundheitssektor, erneut initiiert vom BMZ. Durch dieses Programm soll explizit die internationale Klimadebatte in Gesundheitsfragen verstärkt eingebracht werden.
Als verlängerter Arm des BMZ berät die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) Partnerländer in Afrika und Asien dabei, die Vulnerabilität ihres Gesundheitssektors zu evaluieren.
Weniger aktiv geht die Bundesrepublik das Thema Klimawandel und Gesundheit allerdings im eigenen Land an. Vielleicht liegt das auch daran, vermutet Professor Matthias Niedrig vom Robert Koch-Institut (RKI), dass das RKI kein Geld für die Erforschung von Situationen erhält, die in 30 bis 50 Jahren eintreffen könnten.
Dabei, weiß Niedrig, muss die Erforschung epidemiologischer Situationen immer langfristig angegangen werden.
2010 erstellte das RKI einen Sachstandsbericht "Klimawandel und Gesundheit". Das Fazit: "In Deutschland sind bisher keine eindeutigen positiven oder negativen gesundheitlichen Effekte des Klimawandels nachweisbar, sondern allenfalls gewisse Indizien für Auswirkungen erkennbar."
Die Autoren gestanden, dass dies auch an der geringen Anzahl durchgeführter Studien liegen könnte. Weitere Studien, sagt Niedrig, habe das RKI seitdem nicht unternommen.
Die Forschung im Bereich Klimawandel und Gesundheit konzentriert sich aktuell auf vereinzelte Projekte, etwa Untersuchungen vom Bundeslandwirtschaftsministerium und vom Umweltbundesamt in Kooperation mit dem Friedrich-Löffler-Institut und dem Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin zur Häufigkeit und zur Einschleppung von Mücken.
"Die Mücke selbst ist noch kein Erreger, daher gibt es bislang keine Alarmsignale in Deutschland", sagt Professor Egbert Tannich vom Bereich Parasitologie am Bernhard-Nocht-Institut.
Allerdings: Je wärmer es werde, desto leichter vermehrten sich auch die Erreger in Mücken. Gleichzeitig nehme die Zahl der Mücken mit zunehmender Temperatur zu. "Wir müssen jetzt schon aufpassen, dass sich die asiatische oder afrikanische Tigermücke nicht bei uns ansiedelt", sagt Tannich. Die Mücke kann unter anderem Dengue-Fieber übertragen.
Klimaanpassungsschule für Ärzte
Ein bislang einmaliges Projekt im ärztlichen Bereich förderte bis vor kurzem das Bundesumweltministerium an der Charité.
Im Rahmen der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel hatte das Bundeskabinett 2011 einen Aktionsplan beschlossen, der auch Aus- und Weiterbildungsangebote für Ärzte und Pfleger im Bereich "gesundheitliche Auswirkungen des Klimawandels" vorsah.
An einer Klimaanpassungsschule der Charité wurden als E-Learning-Kurse Themen wie "Auswirkungen der Hitzewelle", "Auswirkungen von UV-Strahlungen auf die Haut" oder "Veränderungen im Pollenflug in Deutschland und Europa" angeboten - nach Ansicht von Professor Karl-Christian Bergmann mit Erfolg.
Der Leiter der allergologisch-pneumologischen Ambulanz des Allergie-Zentrums der Charité geht davon aus, dass sich die Charité künftig noch stärker mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit beschäftigen wird. Die Pariser Konferenz könne die Arbeit zu diesem Thema neu beleben.
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