Brust- und Darmkrebs: Senkt Sport die Sterberate?

Sport kann bei Krebs die Lebensqualität bessern und nach Therapie das Rezidivrisiko senken. Brust- und Darmkrebspatienten kommt regelmäßige körperliche Aktivität offenbar noch stärker zugute - ihr Sterberisiko sinkt.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Von täglich strammem Gehen profitieren Krebspatienten.

Von täglich strammem Gehen profitieren Krebspatienten.

© Maria P / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Forscher des US-Nationalen Krebsinstituts haben jetzt insgesamt 45 Publikationen zum Thema "Sport bei Krebs" analysiert, und zwar unter den Aspekten Gesamt- und krebsspezifische Mortalität sowie Biomarker (J Natl Cancer Inst 2012; online 8. Mai). Die Publikationen erschienen zwischen 1950 und 2011.

Den Ergebnissen von elf randomisierten kontrollierten Studien zufolge bessert körperliche Aktivität die Insulinspiegel, verringert Entzündungsprozesse und stärkt möglicherweise die Immunabwehr, gemessen etwa anhand der Aktivität der natürlichen Killerzellen.

Da die Studien so verschieden voneinander sind - weshalb eine Metaanalyse wenig sinnvoll ist -, lassen sich daraus jedoch keine konkreten Empfehlungen dazu ableiten, welche Art der körperlichen Aktivität und welche Dauer bei welcher Tumorart am besten für die Patienten geeignet sind.

Die besten Daten zur Assoziation zwischen körperlicher Aktivität und Sterberate liefern derzeit Beobachtungsstudien mit Brustkrebspatientinnen. Nach Angaben von Dr. Rachel Ballard-Barbash aus Bethesda und ihren Kollegen geht aus den meisten Studien hervor, dass körperliche Aktivität mit einer verringerten krebsspezifischen Sterberate sowie einer reduzierten Gesamtsterberate assoziiert ist.

Bei der Hälfte dieser Studien war dieser Zusammenhang signifikant: In sechs Studien wurde die Brustkrebssterberate um 41 bis 51 Prozent reduziert. Zudem gibt es offenbar auch einen Dosiseffekt: je mehr körperliche Aktivität, umso niedriger die Sterberate.

Fördern Insulin und IGF-1 das Krebswachstum?

Eine ähnlich starke Reduktion der Sterberate wie bei Brustkrebs fanden die Wissenschaftler in Beobachtungsstudien bei Patienten mit einem Kolorektalkarzinom - nämlich zwischen 41 und 61 Prozent. Diese Erkenntnis hat dazu geführt, dass der Zusammenhang derzeit in der ersten randomisierten kontrollierten Interventionsstudie überprüft wird.

An der Studie CHALLENGE (The Colon Health and Life Long Exercise Change) nehmen 963 Darmkrebspatienten im Stadium II oder III der Erkrankung teil, die mit und ohne Anleitung nach einem strukturierten Programm körperliche Übungen machen sowie allgemeine Informationen über einen gesunden Lebensstil erhalten. Die Kontrollgruppe erhält nur die Gesundheitsinformationen.

Ziel der Intervention ist, die Patienten so weit zu trainieren, dass sie ihre Leistungsfähigkeit von 10 MET-Stunden (Metabolisches Äquivalent) auf 27 MET-Stunden pro Woche steigern. Das entspricht etwa einer Stunde täglichen strammen Gehens oder je einer Stunde Joggen an jedem zweiten Tag.

Die Interventionsphase dauert drei Jahre, in der alle sechs Monate die Rate des krankheitsfreien Überlebens bestimmt wird. Danach wird diese Rate jährlich bis zum zehnten Jahr der Nachbeobachtung dokumentiert.

Randomisierte kontrollierte Studien mit Biomarker-Endpunkten lassen schließlich vermuten, dass Brustkrebspatientinnen durch regelmäßige körperliche Aktivität die Blutspiegel von Insulin, IGF-1 (insulin-like growth factor 1) und dessen Bindeprotein positiv beeinflussen können.

Den stärksten Effekt auf das Insulin hatte ein entsprechendes Training wie zu erwarten bei Patienten mit erhöhtem BMI. Es wird vermutet, dass Insulin und IGF-1 das Krebswachstum fördern.

Die US-Forscher plädieren dafür, dass in künftigen Studien gezielt geprüft wird, welche Art von körperlicher Aktivität bei welcher Tumorart mit welcher Intensität und Dauer die beste Wirkung auf die Überlebensrate hat. Zudem sei zu prüfen, wie Adipositas, Gewichtsverlust und die jeweilige Krebstherapie den Effekt der körperlichen Aktivität beeinflussen.

Etwa 850 Rehabilitationssportgruppen in Deutschland

In einem Kommentar zur Übersicht von Ballard-Barbash und ihren Kollegen geht der Epidemiologe und Ernährungswissenschaftler Professor Edward L. Giovannucci von der Harvard School of Public Health in Boston sogar so weit, erneut zu fordern, dass individuelle körperliche Aktivität zum Standard in der Versorgung von Krebspatienten gehören sollte (JNCI 2012; online 8. Mai).

Bewegungstherapie für Krebspatienten muss maßgeschneidert sein. In Deutschland gibt es etwa 850 Rehabilitationssportgruppen, in denen zunächst die Patienten mit individuellen Maßnahmen betreut werden. Sie erlernen dort sportliche Elemente, die sie später selbstständig weiterführen und in den Alltag integrieren können.

 Die erste Krebsnachsorge-Sportgruppe wurde bereits 1981 gegründet, und zwar für Brustkrebspatientinnen, die heute die meisten Mitglieder der Reha-Sportgruppen stellen.

Die Kosten für die Teilnahme an den Sportgruppen - zum Beispiel für 50 Übungseinheiten - übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen für einen Zeitraum von 18 Monaten.

Krebskranke haben Sport zu selten auf dem Plan

Die Angebote an sportlichen Aktivitäten zur Verbesserung des Krankheitsverlaufes werden offenbar von Krebspatienten noch zu wenig genutzt.

Metaanalysen bestätigen, dass Krebskranke von sportlichen Aktivitäten während und nach der Therapie profitieren. Allerdings gibt es Hinweise, dass die entsprechenden Angebote noch zu wenig genutzt werden, wie jetzt aus einer prospektiven anonymen Befragung von fast 230 Patienten an Kliniken in Gießen und Marburg hervorgeht (GMS Onkologische Rehabilitation und Sozialmedizin 2012; 1: 1-6). Fast 71 Prozent von ihnen wollten zwar gerne Sport nach der Akuttherapie machen, vor allem zur Verbesserung der Beweglichkeit und der allgemeinen Fitness. Das Ziel der Verbesserung des Krankheitsverlaufes wurde jedoch nur von 8,6 Prozent der Befragten angegeben. 71 Prozent gaben an, fachlich nicht beraten worden zu sein. (ple)

Quelle: www.springermedizin.de

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