Schutzimpfung

Gegen Skepsis und Trägheit ist mehr Aufklärung gefordert

Dass Impfungen schweren Krankheiten vorbeugen und damit eine große Chance für die Gesundheit sind, wird in großen Teilen der Bevölkerung angezweifelt. Für bessere Impfquoten sind daher mehr Informationen und mehr Angebote nötig.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Impfungen komplett? Das sollte bei Patienten regelmäßig geprüft werden.

Impfungen komplett? Das sollte bei Patienten regelmäßig geprüft werden.

© Raths / fotolia.com

Obwohl es in Deutschland den umfassendsten Impfkalender in Europa gibt und alle von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlenen Impfungen auch von den Kassen bezahlt werden, ist es um den Schutz nicht optimal bestellt. Das wird besonders an dem aktuellen Masernausbruch deutlich. Die Ursache: In Deutschland gibt es vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen unbefriedigende Impfquoten, die vielfach seit Jahren stagnieren oder sogar zurückgehen. Darüber hinaus gibt es in Deutschland einige Regionen mit großen Impflücken bei Kindern.

Anhand von Beispielen hat Dr. Klaus Schlüter, der Leiter der Impfstoffsparte bei MSD, die Defizite geschildert: So hatten sich im Winter 2008/09 noch fast 50 Prozent der Erwachsenen in Deutschland gegen Influenza impfen lassen, in der vergangenen Grippesaison waren es nur noch 37 Prozent, sagte er bei einer von seinem Unternehmen initiierten Podiumsdiskussion am Rande des DGIM-Kongresses. Besonders schlecht sind die Impfquoten zudem bei der Pneumokokken-Impfung, die nur zehn Prozent der Zielgruppe der über 60-Jährigen wahrnehmen.

Und die hocheffektive HPV-Impfung zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs nutzen bisher nur 40 Prozent der Mädchen und jungen Frauen. Hier gilt der Prophet offenbar nichts im eigenen Land: Die Grundlagen dieser Impfung hatte der Heidelberger Forscher Professor Harald zur Hausen gelegt und 2008 dafür den Medizin-Nobelpreis bekommen.

Angesichts solcher Impflücken wird besonders bei Masernausbrüchen von Fachgesellschaften und Politikern immer wieder eine Impfpflicht gefordert. Diese würde das Problem aber nur zum Teil lösen. "Wer Impflücken genauer analysiert, der stellt fest: Wo das Impfen – wie bei Kleinkindern – gut organisiert ist, da sind auch die Impfraten vergleichsweise hoch. Aber je älter wir werden, desto mehr nehmen sie ab", sagte Schlüter. Er fordert einen über alle Altersklassen greifenden Plan mit aufsuchenden Impfangeboten etwa in Schulen und Betrieben. Solche Angebote sind in Deutschland bisher kaum in Sicht.

Hartnäckige "Fake News" von Impfgegnern

Dass – wie immer wieder angeführt wird – ein großer Teil der Impflücken auf dogmatische Impfgegner zurückzuführen ist, wollte Professor York Zöllner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg bei der Veranstaltung nicht bestätigen. Es sei vor allem eine Mischung aus Skepsis und Trägheit, die viele Menschen von Impfungen abhält. Auch mangelt es in der Bevölkerung an Bewusstsein, dass man durch den eigenen Impfschutz auch schwache Menschen in der Gemeinschaft durch Herdenimmunität vor Krankheiten bewahrt. Zudem werden Menschen immer wieder verunsichert durch Gerüchte über vermeintliche Risiken wie Autismus durch Masernimpfung oder toxische Quecksilbermengen in Impfstoffen. Solchen hartnäckigen "Fake News" im Internet müsse man viel mehr seriöse Informationen entgegensetzen, betonte er. Einzelne Altersgruppen sollten dabei spezifisch angesprochen werden, zum Beispiel Jugendliche und junge Erwachsene oder Senioren.

Der CDU-Gesundheitspolitiker und Bundestagsabgeordnete Thomas Stritzl aus Kiel setzt vor allem auf das Präventionsgesetz. Eltern müssen danach vor Aufnahme ihres Kindes in eine Kita oder einen Kindergarten zum Impfschutz beraten werden. Und bei einem Ausbruch von Masern können ungeimpfte Kinder vorübergehend von der Gemeinschaftseinrichtung ausgeschlossen werden. Auch nimmt das Gesetz die Hausärzte in die Pflicht: Bei jeder Routineuntersuchung müssen sie künftig auch den Impfschutz ihrer Patienten abklären und fehlende Impfungen anbieten.

Impfende Ärzte brauchen mehr Rückendeckung

Allerdings brauchten niedergelassene Ärzte für die Umsetzung des Gesetzes mehr Rückendeckung, betonte Dr. Lutz Hager, Geschäftsführer von der IKK Südwest in Saarbrücken, bei der Veranstaltung. Vor allem Hausärzte müssten sich nämlich mit Impfskeptikern auseinandersetzen. Würden die Impfziele in Deutschland besser definiert und öffentlich stärker propagiert, wäre das für Ärzte schon eine Unterstützung. Als Beispiel nannte er die Kampagne "Schluckimpfung ist süß, Kinderlähmung ist grausam" in den 1960-er Jahren. Der damalige Erfolg ist auch auf die große Akzeptanz in der Bevölkerung zurückzuführen. Hager bedauert, dass es heute keine Impfkampagnen in Schulen mehr gibt, bei denen vor allem auch Jugendliche besser erreicht würden.

Interessant sind einige Modellprojekte, mit denen Kassen einzelne Impfungen regional fördern. So gab es zum Beispiel im letzten Winter für Hausärzte in der KV Thüringen bei hohen Grippe-Impfraten einen Extrabonus. Wer dort eine Zielquote von mindestens 57,5 Prozent Durchimpfung bei den Senioren erreichte, bekam für jeden geimpften Versicherten über 60 der AOK PLUS einen Qualitätsbonus von zwei Euro.

Ein anderes Projekt zielt auf bessere Quoten der HPV-Impfung ab. Dabei gehen im Gesundheitsnetz Rhein-Neckar Gynäkologen und Kinderärzte mit Unterstützung der KV in Schulen und klären über die HPV-Impfung auf. Auf Wunsch können Mädchen dabei auch gleich geimpft werden.

Solche Projekte verbessern sicher die Impfquoten punktuell. Das Ziel einer Masern-Elimination, zu dem sich Deutschland bei der WHO verpflichtet hat, wird sich damit aber nicht erreichen lassen.

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