Molekulare Tumorboards
Gute Erfahrungen mit personalisierter Onkologie
Kollegen der vier Zentren für Personalisierte Medizin in Baden-Württemberg sammeln bereits seit Jahren Erfahrungen in Molekularen Tumorboards. Beim DKK 2020 wurde detailliert dazu informiert.
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Diskutieren, beraten, abwägen und Vorschläge erarbeiten: Für das Molekulare Tumorboard treffen sich Kollegen unterschiedlicher Fachdisziplinen.
© Mathias Ernert, DRK Klinik Baden-Baden
Berlin. Die molekularen Tumorboards der Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM) in Baden-Württemberg werden zunehmend Teil der regulären Versorgung. Erste Auswertungen zeigen, dass oft spezifische Therapieempfehlungen gegeben werden können.
Molekulare Tumorboards (MTB) sind stark interdisziplinär besetzte Expertengremien, in denen Krebspatienten tumorartenübergreifend mit einem Fokus auf die molekularen Merkmale eines Tumors besprochen werden. In Baden-Württemberg wird dieses Konzept an den vier in den Jahren 2016/2017 gegründeten Zentren für Personalisierte Medizin (ZPM) verfolgt, die eng mit den universitären Krebszentren kooperieren.
ZPM Tübingen mit rund dreijähriger Erfahrung
Professor Nisar Malek von der Inneren Medizin am Universitätsklinikum Tübingen gab beim Deutschen Krebskongress in Berlin einen Einblick in die jetzt rund dreijährigen Erfahrungen am ZPM Tübingen. Dort seien zwischen 2017 und 2019 insgesamt 1195 Patienten im Rahmen des MTB diskutiert worden. 276 davon waren Wiedervorstellungen. „Für das Jahr 2020 rechnen wir mit einem deutlichen Anstieg der Patientenzahlen“, so Malek.
Der Onkologe präsentierte eine Detailauswertung der Jahre 2016 bis 2018. In dieser Zeit wurden am MTB Tübingen zu 494 Patienten Beschlüsse gefasst. Bei 347 Patienten konnte ein molekulares Target als Ansatzpunkt für spezifische Therapien identifiziert werden. Es wurden sowohl zugelassene als auch Off-Label-Therapien empfohlen. Ein Teil der Patienten konnte in laufende klinische Studien eingeschlossen werden, bei anderen wurden individuelle Heilversuche vorgeschlagen.
Arzneimittel aus 30 Substanzklassen empfohlen
Was die Substanzklassen angeht, bezogen sich allein 100 Empfehlungen auf CDK 4/6-Hemmer, weitere gut 60 auf mTOR-Inhibitoren, rund 50 auf den ErbB-Rezeptor-Signalweg bzw. die EGFR-Hemmer, gut 40 auf Immuntherapien und jeweils zwischen 30 und 40 auf FGFR- und PARP-Inhibitoren. Insgesamt wurden Arzneimittel aus annähernd 30 Substanzklassen empfohlen, viele davon nur bei einigen wenigen Patienten.
Noch etwa stärker ins genetische Detail geht eine Analyse von 96 Patienten mit gastrointestinalen Tumoren, die am Tübinger MTB zwischen April 2016 und Februar 2018 versorgt wurden. Diese Patienten hatten im Median drei Vortherapien vor der Vorstellung im MTB. Die Genanalysen erfolgten bei den meisten Patienten als Panelsequenzierung, bei einigen wenigen auch als Exomanalyse.
„Keimbahnveränderungen miterfassen!“
Immerhin 19 dieser ausgewählten Patienten zeigten Keimbahnveränderungen, die in fünf Fällen auch relevant für die Therapie waren: „Keimbahnveränderungen sollten also miterfasst werden, da sie für die Planung wichtig sein können“, so Malek. Insgesamt konnte bei jedem zweiten MTB-Patienten mit GIT-Tumor eine molekulare Zielstruktur identifiziert werden. Die häufigsten Indikationen waren Gallenwegstumoren, obere gastrointestinale Tumoren und Pankreastumoren.
Nicht einfach zu beantworten sei die Frage, ob jene Patienten, die eine molekular begründete Therapie erhalten, davon dann auch wirklich profitieren, betonte Malek. Dies werde im Rahmen der ZPM versucht, herauszuarbeiten, und es gebe auch Kooperationen mit den klinischen Krebsregistern, um möglichst valide Daten zu erheben.
Sein persönlicher Eindruck sei, dass die Empfehlungen bei einigen Patienten für das Gesamtüberleben relevant seien, so der Onkologe. In einer wissenschaftlichen Veröffentlichung soll das in Kürze etwas genauer herausgearbeitet werden.