Luftqualität
In Umweltzonen wird weniger für Asthma- und Herz-Mittel ausgegeben
Gibt es einen Zusammenhang zwischen städtischen Umweltzonen und den Ausgaben für Herz- und Atemwegsarzneien? Forscher haben zu dieser Frage Daten des Umweltbundesamts und der AOK analysiert.
Veröffentlicht:Berlin. Nach einer empirischen Untersuchung sorgen städtische Umweltzonen nicht nur für eine bessere Luftqualität, sondern sie bringen auch volkswirtschaftlichen Nutzen. Das teilt das Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) mit, unter dessen Federführung die Studie erstellt wurde (Econ Lett 2020; online 12. Mai).
Die Berechnungen der Forscher basieren auf Luftqualitätsmessungen des Umweltbundesamts sowie den anonymisierten Arzneimittelausgaben der Krankenkasse AOK für 2,7 Millionen Versicherte. Die Wissenschaftler analysierten für den Zeitraum 2008 bis 2013 den Schadstoffausstoß und den Arzneimittelverbrauch nach Einführung von Umweltzonen – sowohl relativ zum Stand vor der Einführung als auch zur Situation in strukturell ähnlichen Städten mit erst später eingeführter Umweltzone. Statistische Störeffekte wie Wetterlagen und regionale Wirtschaftsentwicklungen seien herausgerechnet worden, heißt es in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie.
15,8 Millionen Euro weniger für Medikamente
„Wir konnten zeigen, dass die Einführung von Umweltzonen die Konzentration von Feinstaub der Partikelgröße PM10 im Durchschnitt um 5,9 Prozent gesenkt hat“, wird Nicolas Koch, Senior Researcher am MCC und Erstautor der Studie, in der Mitteilung zitiert. „Zudem wurden in den Städten mit Umweltzone jährlich 15,8 Millionen Euro Ausgaben für Arzneien gegen Herz- und Atemwegserkrankungen eingespart.“
Berücksichtigt hatten die Forscher dabei Medikamente, die Patienten mit COPD oder Asthma verschrieben werden, sowie Arzneien für Patienten mit Herzerkrankungen – ausgenommen Antihypertensiva. Von den laut Berechnung eingesparten 15,8 Millionen Ausgaben für Arzneien entfielen 12,7 Millionen allein auf Asthma- und COPD-Mittel, 3,1 Millionen auf Herz-Medikamente.
Jedes der 200.000 älteren Diesel-Fahrzeuge, die nicht einmal die hohen Schadstofflimits für die „rote Plakette“ erfüllten, hätten technisch nachgerüstet werden müssen – wofür in der Regel 600 Euro gereicht hätten, teilt das MCC mit. Die dadurch entstandenen Kosten von insgesamt 120 Millionen Euro wären durch die jährlich 15,8 Millionen Euro an Arzneimittel-Einsparungen, Zinseffekt mitgerechnet, binnen eines Jahrzehnts gegenfinanziert.
„Nutzen damit nur zu einem kleinen Teil erfasst“
Und der Nutzen der Umweltzonen sei damit nur zu einem kleinen Teil erfasst: „Denn beziffert wurde eben nur, was man belastbar in Euro und Cent bei verschreibungspflichtigen Medikamenten erfassen kann. Arzneimittel machen insgesamt nur 17 Prozent der Kosten des öffentlichen Gesundheitswesens aus. Außer Betracht bleiben weitere Gesundheitsausgaben für die ärztliche Versorgung, die häufig betrachteten bedeutsamen Effekte auf verfrühte Sterblichkeit und auch die nachweislich positiven Effekte besserer Luftqualität auf individuelle Leistungsfähigkeit, Produktivität und Bildungserfolg“, so das Institut in seiner Mitteilung. Zudem falle der Blick eben nur auf die Einführungsphase, die besonders schadstoffintensive alte Fahrzeuge betraf.
„Unser Forschungsansatz ermöglicht auch für die Zukunft eine rationale Kosten-Nutzen-Analyse“, so Koch in der Mitteilung. „Etwa mit Blick auf die Diskussion um eine weitere Verschärfung durch eine blaue Plakette.“ (mal/eb)