Gesetzentwurf
Koalition bläst zum Kampf gegen Krebs
Das Bundeskabinett hat ein Anti-Krebs-Gesetz beschlossen. Die wichtigsten Ziele: Die Früherkennung soll ausgebaut und die Krebsdaten einheitlich erfasst werden. Der Gesetzentwurf erntet großes Lob, die Umsetzung stößt auf Kritik.
Veröffentlicht:BERLIN. Mehr Koordination und ein stärker an konkreten Zielen orientiertes Vorgehen beim Kampf gegen Krebs: Das sind die Kernziele eines Gesetzentwurfs, den das Bundeskabinett am Mittwoch verabschiedet hat.
Dabei geht es zum einen um den Ausbau der Krebsfrüherkennung. Zum anderen wird eine neue Grundlage für Krebsregister gelegt.
Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland, 218.000 Menschen starben im Jahr 2010 mit der Diagnose Krebs. Deutschland stehe angesichts der demografischen Entwicklung "vor wachsenden Herausforderungen", sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).
Darm- und Gebärmutterhals-Untersuchung: Einladung analog zum Mammografie-Screening
Die Krebsfrüherkennung, die von vielen Bürgern nicht wahrgenommen wird, soll erweitert werden. Bisher existiert ein Einladungsverfahren nur für Frauen zwischen 50 und 69 Jahren, die zum Brustkrebs-Screening eingeladen werden.
Künftig sollen Bürger ab einem bestimmten Alter auch per Brief über Darm- und Gebärmutterhals-Untersuchungen informiert werden.
Details soll der Gemeinsame Bundesausschuss bis 2015 festlegen. Die geltende Regelung, wonach chronisch Kranke nur dann geringere Zuzahlungen für Arzneimittel leisten müssen, wenn sie regelmäßig an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen teilnehmen, wird gestrichen.
Dadurch solle die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Früherkennung gestärkt werden, hieß es.
Weiterer Schwerpunkt des Entwurfs ist die Vorgabe eines festen Aufgabenprofils für klinische Krebsregister in den Ländern.
Ziel dabei ist die möglichst vollzählige Erfassung und Auswertung der Daten über Auftreten, Behandlung und Verlauf von Krebserkrankungen in Klinik und Praxis.
Auf dieser Basis könne man dann ermitteln, welche Behandlungsmethode den größten Erfolg verspricht , sagte Bahr am Mittwoch dem "Deutschlandfunk". Er forderte, alle Krankenhäuser müssten "sich messen lassen".
Lauterbach will Daten auch den Bürgern zur Verfügung stellen
SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach verlangte, die Daten sollten nicht nur Wissenschaftlern, sondern auch den Bürgern zur Verfügung stehen.
"Die Menschen wollen wissen: Wie hoch ist das Krebsrisiko in einer bestimmten Region - etwa in der Nähe einer Chemiefabrik?, sagte Lauterbach der Nachrichtenagentur dpa.
Bahr dagegen verwies darauf, dass Krankenkassen schon heute ihren Versicherten Informationen bereitstellen und sie beraten.
Verärgert zeigte sich Bahr über die Kritik der AOK, die ein nationales Krebsregister gefordert hat.
Er sei es "langsam leid" - über den nationalen Krebsplan sei jahrelang diskutiert worden. Dabei sei - auch mit Blick auf die Kosten - "Verantwortung hin- und hergeschoben worden". Ein nationales Register würde nur Daten verwalten, argumentierte Bahr.
Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. Entscheidend sagte, eine "Zentrale" sei nicht nötig. Entscheidend seien vereinheitlichte Daten.
Brandenburgs Gesundheitsministerin Anita Tack (Linke) verwies auf das 1994 installierte Krebsregister in ihrem Land. Dessen Struktur dürfe nicht gefährdet werden.
Ziele des Nationalen Krebsplans - Basis für den Gesetzentwurf
Der Nationale Krebsplan enthält insgesamt 13 Teilziele, der Ausbau der Früherkennungsprogramme ist eines davon.
Ziel 1: Die informierte Inanspruchnahme der im Nutzen belegten Früherkennungsprogramme der gesetzlichen Kassen wird gesteigert.
Ziel 2: Früherkennungsuntersuchungen (...) berücksichtigen die europäischen Empfehlungen an systematische populationsorientierte Screeningprogramme.
Ziel 3: Früherkennungsprogramme werden hinsichtlich ihres Nutzens (vor allem Mortalitätssenkung) (...) evaluiert.
Ziel 4: Alle Krebspatienten erhalten eine qualitativ hochwertige Versorgung, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft, Wohnort und Versichertenstatus.
Ziel 5: Es existieren einheitliche Konzepte und Bezeichnungen für die Qualitätssicherung und -förderung und Zertifizierung onkologischer Behandlungseinrichtungen.
Ziel 6: Für alle häufigen Tumorarten existieren Behandlungsleitlinien der höchsten Entwicklungsstufe (S3), die umgesetzt werden.
Ziel 7: Eine sektorenübergreifende, integrierte onkologische Versorgung ist gewährleistet.
Ziel 8: Es existiert eine aussagekräftige onkologische Qualitätsberichterstattung für Leistungserbringer, Entscheidungsträger, Patienten.
Ziel 9: Alle Krebspatienten erhalten bei Bedarf eine angemessene psychoonkologische Versorgung.
Ziel 10: Alle Patienten erhalten einen (...) schnellen Zugang zu nachweislich wirksamen Krebstherapien.
Ziel 11: Es liegen für alle Krebspatienten (...) qualitätsgesicherte Informations- sowie Beratungs- und Hilfsangebot vor.
Ziel 12: Stärkung der Patientenkompetenz.
Ziel 13: Patienten werden aktiv in die Therapie einbezogen. (fst)
215.000 Menschen starben 2008 an Krebs | ||
Zahl der Krebsfälle in Deutschland im Jahr 2008 | ||
Anzahl der Sterbefälle | ||
Lokalisation | Männer | Frauen |
Mundhöhle und Rachen | 3.776 | 1.170 |
Speiseröhre | 3.655 | 1.135 |
Magen | 5.929 | 4.581 |
Darm | 13.726 | 12.936 |
Leber | 4.523 | 2.539 |
Gallenblase und Gallenwege | 1.153 | 2.092 |
Bauchspeicheldrüse | 7.327 | 7.508 |
Kehlkopf | 1.275 | 209 |
Lunge | 29.505 | 12.841 |
Malignes Melanom der Haut | 1.365 | 1.135 |
Brustdrüse | 136 | 17.209 |
Gebärmutterhals | 1.596 | |
Gebärmutterkörper | 2.420 | |
Eierstöcke | 5.529 | |
Prostata | 12.134 | |
Hoden | 153 | |
Niere | 3.060 | 2.041 |
Harnblase | 3.611 | 1.921 |
zentrales Nervensystem | 3.008 | 2.554 |
Schilddrüse | 279 | 429 |
Morbus-Hodgkin | 193 | 148 |
Non Hodgkin-Lymphome | 2.962 | 2.658 |
Plasmozytom | 1.882 | 1.786 |
Leukämien | 3.908 | 3.400 |
übrige Lokalisationen | 12.346 | 11.735 |
Krebs gesamt* | 115.870 | 99.572 |
*ohne nichtmelanotischer Hautkrebs Quelle: Zentrum für KrebsregisterdatenI - Tabelle: Ärzte Zeitung |
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