Nicht nur bei Winterblues

Lichttherapie wirkt auch bei Manisch-Depressiven

Mit hellem Tageslicht zur Mittagszeit lässt sich eine Bipolar-Depression deutlich lindern. In einer kleinen placebokontrollierten Studie war die Remissionsrate dreifach höher als in einer Kontrollgruppe mit Rotlicht.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Eine 7000 Lux-Therapie zur Mittagszeit zeigte in der Studie Wirkung.

Eine 7000 Lux-Therapie zur Mittagszeit zeigte in der Studie Wirkung.

© Rocky89/Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

CHICAGO. Eine Lichttherapie lindert häufig milde bis moderate Depressionen, vor allem gegen saisonale Stimmungstiefs hilft Tageslicht, aber auch bei anderen Depressionsformen konnten Forscher günstig Effekte nachweisen, zumal dann, wenn die Behandlung morgens erfolgt. Für Patienten mit einer Bipolarstörung ist eine Lichtdusche zur Mittagszeit aber offenbar besser geeignet: In einer kleinen Studie kam es dabei zu einer überraschend hohen Remissionsrate.

Für die Untersuchung konnten Psychiater um Dr. Dorothy Sit von der Northwestern University in Chicago 46 Patienten mit eine Bipolar-I- oder -II-Störung gewinnen (Am J Psych 2017, online 3. Oktober). Alle befanden sich in einer moderaten bis schweren depressiven Episode, 78 Prozent erhielten vor Studienbeginn Stimmungsstabilisierer kombiniert mit Antidepressiva, die übrigen nur Stimmungsstabilisierer. Die Medikation konnten die Patienten im Studienverlauf beibehalten. Patienten mit manischen, hypomanischen oder gemischten Episoden sowie solche mit Rapid Cycling in den vergangenen sechs bis zwölf Monaten durften nicht teilnehmen.

Im Schnitt waren die Betroffenen 45 Jahre alt, zu zwei Drittel weiblich und hatten drei psychiatrische Klinikaufenthalte hinter sich.

Therapie zwischen 12 und 14:30 Uhr

Alle bekamen eine Lichtbox, die sie 30 cm vom Gesicht entfernt platzieren sollten. Die eine Hälfte erhielt über sechs Wochen eine 7000-Lux-Therapie mit Tageslicht (Farbtemperatur 4000 Kelvin), die andere eine Behandlung mit 50 Lux Rotlicht. Empfohlen wurde die Lichttherapie täglich zwischen 12 und 14:30 Uhr. Dieses Zeitfenster wählten die Psychiater, nachdem in einer Pilotstudie auf die morgendliche Lichtdusche nur einer von vier Patienten angesprochen hatte und die übrigen eine Hypomanie entwickelten. Zudem fand eine andere Studie keine positiven Effekte für eine morgendliche Lichttherapie.

Beginnen sollten die Patienten mit 15 Minuten pro Tag und die Dosis nach und nach auf 60 Minuten steigern, sofern sie keine Hypomanie entwickelten. Behandelt wurde ausschließlich im Winterhalbjahr.

Als primären Endpunkt nahmen die Forscher um Sit die Remissionsrate basierend auf einer Variante des Hamilton-Scores (SIGH-ADS). Von einer Remission gingen sie bei Werten unter 8 Punkten aus; die Werte wurden wöchentlich überprüft.

In den ersten drei Wochen nach Therapiebeginn entwickelten sich die Remissionsraten beider Gruppen fast im Gleichschritt – sowohl mit hellem Tageslicht als auch schwachem Rotlicht gelangten rund 20 Prozent der Patienten in Remission. Nach sechs Wochen zeigten sich aber signifikante Unterschiede: Mit Tageslichtbehandlung hatten 68 Prozent der Patienten eine Remission erzielt, nur 22 Prozent gelang dies in der Kontrollgruppe.

Keine Hypomanien

Etwas weniger deutlich, aber immer noch signifikant waren die Differenzen beim SIGH-ADS-Wert: Dieser sank in der Tageslichtgruppe von 24,2 auf 9,2 Punkte (minus 62 Prozent), mit der Rotlichttherapie von 27,7 auf 14,9 Punkte (minus 46 Prozent).

Deutlich günstiger als in der Kontrollgruppe entwickelte sich mit der Tageslichttherapie auch das Funktionsniveau der Betroffenen, sie konnten sich zudem besser konzentrieren und verbrachten nicht mehr so viel Zeit im Bett. Tendenziell verbesserte sich die Schlafqualität; Ängste und soziale Probleme gingen stärker zurück – die Unterschiede im Vergleich zur Rotlichtbehandlung waren hier aber nicht signifikant. Hypomanien oder ein Switch in eine Manie wurden im Laufe der Behandlung bei keinem der Patienten beobachtet.

Die Forscher um Sit folgern aus der Studie, dass helles Mittagslicht eine Depression bei Bipolarpatienten deutlich lindert. Weshalb Morgenlicht weniger geeignet zu sein scheint, ist noch ein Rätsel. Möglicherweise induzieren zirkadiane Effekte eher dann eine Hypomanie, wenn die Behandlung am frühen Morgen erfolgt.

Die Ergebnisse müssen nun in größeren Studien überprüft werden, auch ist unklar, wie lange die Wirkung von hellem Tageslicht anhält. Die Autoren sehen die Lichttherapie zumindest als nebenwirkungsarme Ergänzung einer Arzneimittelbehandlung.

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