Depression/Schlafstörungen
Pflanzliche Mittel für die Psyche
Leichte bis mittelschwere depressive Verstimmungen, Angst- und Schlafstörungen - bei all diesen Symptomen bietet auch die Phytotherapie eine Option.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Pflanzliche Mittel weisen bei psychischen und neurovegetativen Erkrankungen einige Vorteile im Vergleich zu synthetischen Medikamenten auf: Sie sind gut verträglich, erzeugen keine körperliche oder psychische Abhängigkeit, erzeugen keinen "Hangover" und weisen meist keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auf. Dies ist gerade mit Blick auch auf die Anwendung bei multimorbiden und polymedizierten Senioren von Bedeutung.
Phytopharmaka sind in den genannten Indikationen zusätzlich zu Allgemeinmaßnahmen die Mittel der ersten Wahl, wenn keine Störung mit akutem Handlungsbedarf vorliege, meint Dr. Markus Wiesenauer aus Weinstadt in seinem Buch "Phyto Praxis" (Springer-Verlag 5. Auflage 2013; ISBN: 978-3-642-32772-8 (Print) 978-3-642-32773-5 (Online)).
Nach Angaben des Allgemeinmediziners und Arztes für Naturheilverfahren kommen als pflanzliche Sedativa Baldrian, Hopfen, Lavendel, Melisse und Passionsblume in Betracht, als pflanzliche Antidepressiva in erster Linie Johanniskraut sowie mit Einschränkungen koffeinhaltige Pflanzen wie Guarana, Kola und Mate sowie die Ginsengwurzel und die Taigawurzel.
Sport stärkt Selbstwertgefühl
Ob depressive Verstimmung, Angst oder Unruhe - prinzipiell gilt, dass die medikamentöse Therapie im Allgemeinen nur dann erfolgreich sein wird, wenn auslösende Faktoren im Sinne einer Gesprächspsychotherapie und Beratung mit adressiert werden.
Solche Faktoren können Über- oder Unterforderung im Beruf sein, eine schwierige soziale Situation oder eine somatische Erkrankung.
Wiesenauer: "Ein maßvolles Bewegungsprogramm und ausreichend Licht wirken antriebssteigernd und antidepressiv." Zudem unterstützt körperliche Aktivität das Selbstwertgefühl, Sport in Gruppen erleichtert zwischenmenschliche Kontakte.
Wichtigstes Phytotherapeutikum bei leichten bis mittelschweren Depressionen ist Johanniskraut. Laut der S3-Leitlinie "Unipolare Depressionen" kann ein erster Therapieversuch mit Johanniskraut unternommen werden, wobei die spezifischen Nebenwirkungen und Interaktionen beachtet werden müssen.
Standardisierter Johanniskrautextrakt hat sich bei leichten und mittelschweren Depressionen als vergleichbar wirksam erwiesen wie synthetische Antidepressiva sowie als besser verträglich.
Gesichtsgüsse wirken belebend
Die Patienten sollten über unterschiedliche Wirkstärken der verfügbaren Zubereitungen informiert werden, heißt es in der Leitlinie. Wissen müssen sie zudem, dass erst allmählich und nach zwei- bis dreiwöchiger Einnahme mit spürbaren Wirkungen zu rechnen ist.
Das gilt auch für die Traubensilberkerze, die Wiesenauer in Phasen depressiver Verstimmung in den Wechseljahren bevorzugt.
Bei einer Stresserkrankung oder Burnout empfiehlt Professor Andre-Michael Beer aus Hattingen asiatischen Ginseng, sibirischen Ginseng, Rosenwurz und Ginkgo biloba.
"Auch Kombinationspräparate, beispielsweise aus Johanniskraut, Baldrian und Passionsblume oder schlaffördernde pflanzliche Arzneimittel können gegeben werden", so Beer.
Gesichtsgüsse wirken belebend, ansteigende Armbäder, Melissenbäder oder stimmungsaufhellende Bauchwickel und CO2-Gasbäder verbessern das positive Körpererleben. Nicht zu unterschätzen sei der Wert einer Ernährungstherapie, meint Beer, weil das Verhältnis zum Essen entscheidend das Verhältnis zum Körper präge (MMW-Fortschr Med 2013; 155: 24).
Schwindel, Herzrasen, Schweißausbrüche oder Verdauungsstörungen können somatische Symptome von Angststörungen und Unruhezuständen sein.
Solange keine körperliche Grunderkrankung oder der Verdacht auf eine schwere psychische Krankheit besteht, die selbstverständlich der fachärztlichen Behandlung bedarf, stehen Anwendungen mit Baldrian, eventuell auch in Kombination mit Hopfen und Melisse im Mittelpunkt. "Sind Angststörungen ein Teilkomplex einer depressiven Verstimmung, dann ist ein hoch dosierter Johanniskrautextrakt therapeutisch sinnvoll", so Wiesenauer.
Als Adjuvans bei Schlafstörungen
Auch für Schlafstörungen gilt, dass die medikamentöse Behandlung nicht mehr als ein Adjuvans sein kann und pflanzliche Anwendungen keine Sofortwirkung aufweisen. Die Motivation zu einer guten Schlafhygiene und das Ausschalten den Schlaf störender Faktoren gehören daher zu den Grundsätzen der Behandlung.
Sedierend und entspannend wirken vor allem Hopfen, Melisse und Lavendel, Passionsblumenkraut hat sich im Tierversuch vor allem als schlafverlängernd erwiesen. Bei Unruhe und mangelnder Einschlafbereitschaft sowie klinischen Zeichen einer Hyperthyreose empfiehlt Wiesenauer Wolfstrappkraut.
Die Zubereitung eines Schlaf- und Beruhigungstees kann Bestandteil des abendlichen Schlafrituals werden. Zudem kann dies einem übermäßigen Alkoholkonsum entgegenwirken. Um einer Nykturie vorzubeugen, sollte der Tee nicht unmittelbar vor dem Zubettgehen getrunken werden.
Empfehlenswert sind Teekombinationen nach persönlichem Geschmack. Hilfreich sind zudem ansteigende Fußbäder mit Wassertemperaturen von etwa 28°C bis 37°C, gegebenenfalls mit Zugabe von Lavendel oder Melisse.
Die Priscus-Liste soll eine Orientierung bei der medikamentösen Versorgung von multimorbiden Patienten geben.
Die Auflistung von Phytopharmaka könnte, so Nieber, die Therapie optimieren, die medikamentöse Behandlungssicherheit sowie die Lebensqualität dieser Patienten erhöhen.