Phyto-Forum
Wie Phytos mit Krebsarzneien wechselwirken
Bereits seit einigen Monaten ist das Phyto-Forum online. Fünf Experten beantworten kostenfrei Fragen. Viele Beiträge zur Phytotherapie sind inzwischen im Forum, das allen Fachkreisen offen steht.
Ein Kollege fragt im Forum: Wie sieht es mit Wechselwirkungen pflanzlicher Präparate und Krebsarzneien aus? Gelbwurz und Echinacea sollen da negative Wirkungen haben - stimmt das?
Professor Karin Kraft: Zu den Interaktionen von pflanzlichen Medikamenten mit Zytostatika ist sehr viel zu sagen, bedingt auch dadurch, dass es in der Literatur sehr unterschiedliche Ergebnisse gibt oder dass oft nur in vitro Ergebnisse vorliegen und klinische Interaktionsstudien fehlen.
Phytopharmaka sind nicht immer harmlos und nebenwirkungsfrei.
Einige können Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Krebstherapeutika erheblich beeinflussen, indem sie auf das Cytochrom-P450-System oder auf Effluxtransporter wie das P-Glykoprotein einwirken.
Aufgrund ihrer geringen therapeutischen Breite und ihrer erheblichen Toxizität spielen Interaktionen mit metabolisierenden Enzymen bei Tyrosinkinase-Inhibitoren eine besondere Rolle.
Dabei stellen einerseits Wirkungsminderungen mit unzureichenden Antitumoreffekten oder verminderter Abbau und damit erhöhte Toxizität ernsthafte Probleme dar.
Hemmung und Induktion von CYP-Enzymen
Für beide Arten von Wechselwirkungen - Hemmung und Induktion von CYP-Enzymen - gibt es Beispiele unter den pflanzlichen Wirkstoffen.
Als Beispiel soll Imatinib betrachtet werden. Es ist ein Substrat von CYP3A4 und ein Hemmer von CYP3A4, CYP2D6, CYP2C9 und CYP2C19 und kann somit den Metabolismus gleichzeitig verabreichter Medikamente beeinflussen.
So kann es über das CYP-System zu Interaktionen mit Johanniskraut kommen. Während und vor einer Behandlung mit Imatinib ist die Einnahme von Johanniskraut-Präparaten kontraindiziert.
In einer Interaktionsstudie mit Probanden führte die gleichzeitige Gabe eines Johanniskraut-Extrakts für zwei Wochen zu einer Abnahme der Imatinibwirkung um 32 Prozent. Die Halbwertszeit reduzierte sich von 13 auf 9 Stunden, die maximale Plasmakonzentration sank um 18 Prozent, die Clearance von Imatinib nahm um 43 Prozent zu.
Diese Veränderungen waren statistisch signifikant und wurden in einer weiteren Studie bestätigt. Gleiches gilt für Nevirapin.
Johanniskraut beschleunigt Abbau von Ciclosporin
Ein weiteres Beispiel für Interaktionen von Zytostatika mit pflanzlichen Arzneimitteln ist das nach Organtransplantationen lebenswichtige Medikament Ciclosporin. Das Präparat muss auf eine relativ konstante Wirkkonzentration eingestellt werden, damit es nicht zu Organabstoßungen kommt.
Nehmen Patienten zum Beispiel nach Nierentransplantation Ciclosporin und gleichzeitig ein Johanniskraut-Präparat ein, kann es zu einer Abnahme der Konzentration von Ciclosporin im Plasma kommen, da Johanniskraut den Abbau von Ciclosporin in der Leber beschleunigt.
Johanniskraut beschleunigt durch Enzyminduktion von CYP3A4 auch den Abbau von Tacrolimus und Irinotecan. Ein Beispiel für eine Erhöhung der Plasmakonzentration ist die Interaktion von Tacrolimus mit Beerentrauben (Schisandra)-Inhaltsstoffe. Bei gleichzeitiger Gabe wird die Bioverfügbarkeit von Tacrolimus durch Schisandra-Inhaltsstoffe um rund 1700 Prozent gesteigert.
Auch Gelbwurz wirkt auf CYP-Enzyme ein
Ein weiteres Phytotherapeutikum, das auf CYP-Enzyme einwirkt, ist die Kanadische Gelbwurz (Hydrastis canadensis), die häufig kombiniert mit Echinacea bei grippalen Infekten angewendet wird. Gelbwurz soll eine immunstimulierende Wirkung haben.
Laboruntersuchungen haben ergeben, dass es ein starker Hemmstoff von CYP3A4 ist. Zubereitungen aus der Wurzel der Kanadischen Gelbwurz könnten also die Toxizität von CYP3A4-Substraten wie Irinotecan und Imatinib steigern und könnten die Wirkung von Tamoxifen fast gänzlich aufheben, wie in manchen Aufsätzen zu lesen ist.
Jedoch fand eine Studie nach einer Gabe von 1140 mg Gelbwurz (zweimal täglich für zwei Wochen) keinen Einfluss auf die Plasmakonzentration von Indinavir.
Produkte aus verschiedenen Echinacea-Arten sind als Immunstimulanzien sehr beliebt. In vitro blockieren Echinacea-Extrakte CYP3A4.
In einer Studie mit Midazolam und 400 mg Echinacea purpurea Extrakt, viermal täglich über acht Tage verabreicht, wird berichtet, dass eine bessere Aufnahme von Midazolam auftrat aber gleichzeitig auch eine beschleunigte Ausscheidung erfolgte, sodass sich die Plasmakonzentration nicht veränderte. Dies weist auf komplexe Wechselwirkungen mit mehreren Systemen hin.
Die hier aufgeführten Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, dass Patienten den behandelnden Ärzten mitteilen, welche pflanzlichen Präparate sie einnehmen.
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