COVID-19-Splitter der KW 46

Hinweise auf Arzneien für frühe Therapie

Ein positiver PCR-Test nach überstandener COVID-19 ist in den meisten Fällen belanglos, wie eine Studie ergeben hat. Und es gibt Hinweise, dass eine frühe Therapie mit Interferon-beta-1a-Inhalation oder Fluvoxamin helfen könnte.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel und Marco MrusekMarco Mrusek und Denis NößlerDenis Nößler Veröffentlicht:
Corona-Patient: Arzneien, die schweren Verläufen entgegenwirken, werden dringend gesucht.

Corona-Patient: Arzneien, die schweren Verläufen entgegenwirken, werden dringend gesucht.

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Update vom 13. November

Positive PCR-Tests nach durchgemachter COVID-19 sind meist unbedeutend. Italienische Forscher haben 32 Rekonvaleszenten untersucht, die keine Symptome mehr hatten sowie per PCR zweimal negativ auf SARS-CoV-2 getestet waren, im darauf folgenden Zeitraum aber erneut mehrere positive PCR-Testergebnisse hatten. Unklar ist in diesen Fällen, ob die Rekonvaleszenten tatsächlich infektiös sind und erneut in Isolation müssen, erinnert das Team um Dr. Flora Marzia Liotti. Mit einem speziellen Test auf „replikative SARS-CoV-2 RNA“ testeten Liotti und ihre Kollegen die Rekonvaleszenten daher erneut. „Replikative“ oder „subgenomische“ RNA weist darauf hin, dass das Virusgenom tatsächlich abgelesen wird und SARS-CoV-2 in der Zielzelle replizieren kann. Nur bei einem einzigen Rekonvaleszenten ließ sich diese replikative RNA tatsächlich feststellen, was also auf eine aktive Infektion hindeutet JAMA Intern Med. 2020; online 12. November).

In frühen Stadien von COVID-19 gibt es bei Interferon-beta-1a-Inhalation oder auch bei Therapie mit dem SSRI Fluvoxamin Hinweise auf einen Nutzen. Britische Forscher vom General Hospital in Southampton haben 100 stationär behandelte Patienten (zwei Drittel bekamen Sauerstoff) nach dem Zufallsprinzip mit dem Interferon oder Placebo behandelt. Patienten der Verumgruppe hatten im Vergleich zu Placebo nach 15 Tagen 2,3 Punkte Vorsprung auf der OSCI-Skala. Mit dieser 9-Punkte-Skala (9=Tod) wird die Schwere der Erkrankung bewertet. Ebenso verbesserte Fluvoxamin (100mg 3× täglich über 15 Tage) in einer Studie an der Klinik der Washington University in St. Louis (USA) die Genesungschancen hospitalisierter COVID-19-Patienten. Die 152 Teilnehmer bekamen randomisiert den SSRI oder Placebo. Ergebnis: Nach 15 Tagen hatten sich die Symptome bei keinem Patienten in der Verumgruppe verschlechtert, aber bei sechs in der Placebogruppe. Beide Studien war allerdings zu klein für generalisierbare Ergebnisse, und die Forscher raten davon ab, die Arzneien außerhalb von klinischen Studien zu verwenden (Lancet Resp Med 2020; online 12. November und JAMA 2020; online 12. November).

Update vom 12. November

Nach überstandener COVID-19 besteht ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen. Und umgekehrt ist eine psychische Erkrankung offenbar ein eigenständiger Risikofaktor für COVID-19. Das berichten Forscher von der Universität Oxford. Sie haben elektronische Krankenakten von 62.354 Patienten mit COVID-19-Diagnose zwischen Januar und August 2020 aus dem „TriNetX Analytics Network“ in den USA ausgewertet. Binnen 14 bis 90 Tage nach Diagnose erkrankten 18 Prozent an einem psychischen Leiden (etwa Angststörungen, Insomnie oder Demenz). Das Risiko, in dieser Zeit eine psychische Störung zu bekommen, war dabei doppelt so hoch im Vergleich zu sechs anderen häufigen Erkrankungen (Influenza, Atemwegsinfekt, Hautinfektion, Cholelithiasis, Urolithiasis, Fraktur). Bei 5,8 Prozent der Betroffenen wurde die psychiatrische Diagnose erstmals gestellt. 1,6 Prozent der Betroffenen über 65 erhielten erstmals eine Demenz-Diagnose. Zudem hatten Patienten mit psychiatrischen Vorerkrankungen im Vergleich zu Patienten ohne ein 1,6-fach erhöhtes COVID-19-Risiko. Die Forscher plädieren dafür, Patienten nach überstandener COVID-19 verstärkt auf psychische Störungen zu untersuchen (Lancet Psychiatry 2020; online 9. November).

Update vom 10. November

Enge Wohnverhältnisse in Altenheimen (etwa Mehrbettzimmer und Gemeinschaftsbäder) sind mit einer erhöhten COVID-19-Sterberate assoziiert. Das berichten Forscher von Public Health Ontario in Toronto (Kanada). Das Team hat retrospektiv Daten aus 618 kanadischen Heimen mit über 78.000 Bewohnern aus der Zeit zwischen Ende März und Mai analysiert. In dieser Zeit waren 5218 der Heimbewohner (6,6 Prozent) an COVID-19 erkrankt und 1452 (1,8 Prozent) daran gestorben. Die Zahl der Infektionen war dabei ungleich verteilt: 86 Prozent der Fälle traten in nur zehn Prozent der Heime auf. Die Forscher konnten zeigen, dass Heime mit zwei und mehr Bewohnern pro Schlafraum und Badezimmer besonders stark von COVID-19 betroffen waren. Verglichen mit Heimen mit mehr Platz war die Sterberate mehr als verdoppelt (1,3 vs 2,7 Prozent). Vor allem Vierbettzimmer waren mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Durch Umwandlung dieser Zimmer in Zweibettzimmer hätten sich knapp jede fünfte Infektion und jeder fünfte Todesfall vermeiden lassen (JAMA Intern Med. 2020; online 9. November).

Update vom 9. November

Britische Forscher finden Kreuzreaktivität durch Erkältungscoronaviren bei jedem Zwanzigsten. Bei 16 von 302 Probanden in einer britischen Studie fand sich eine Immunantwort auf SARS-CoV-2, obwohl diese Personen nachweislich nicht mit dem neuen Coronavirus infiziert waren. Die Forscher vermuten bei diesen 5,29 Prozent eine „Immunisierung“ durch vorangegangene Infektionen mit saisonalen Coronaviren. Die IgG-Antikörper zeigten eine Kreuzreaktivität gegen die S2-Untereinheit des Spike-Proteins von SARS-CoV-2. Das Spike-Protein steht bekanntlich im Fokus der Impfstoffentwicklung. Auffallend in der Untersuchung war, dass insbesondere Kinder und Jugendliche eine ausgeprägte Kreuzreaktivität aufwiesen: In einer Kohorte von 48 Ein- bis 16-Jährigen, die nicht mit SARS-CoV-2 infiziert waren, konnten die Forscher diese IgG-Antikörper bei 21 (43,8 Prozent) nachweisen. Das könnte erklären, warum Kinder und Jugendliche seltener erkranken, Älterere dafür umso öfter (Science 2020; online 6. November).

Infizierte Kinder bilden weniger und schwächere Antikörper (AK) gegen SARS-VoV-2 als Erwachsene, berichten US-Forscher vom Columbia University Irving Medical Center. Sie haben Rekonvaleszenten-Plasma von 47 Kindern und 32 Erwachsenen verglichen, und zwar von Patienten mit unterschiedlich schweren Krankheitsverläufen (ambulante oder stationäre Therapie) in der Zeit von März bis Juni. Ergebnis: Bei Kindern gab es vor allem IgG-AK gegen das Virus-Spike-Protein. Bei Erwachsenen fanden sich auch AK gegen weitere Virusproteine, und diese hatten im Vergleich eine stärkere virus-neutralisierende Wirkung. Der Befund könnte ein Hinweis darauf sein, dass Kinder sich selten schwer mit dem Virus infizieren und daher auch weniger AK bilden, so die Forscher. Und: Bei keinem Kind wurden AK gegen das „Nukleokapsid-Protein“ des Virus gefunden. Das N-Protein sei aber die Basis vieler Tests, die damit offenbar zurückliegende Infekte bei vielen Kindern nicht erkennen könnten, so die Forscher Nature Immunol 2020; online 5. November).

In München waren während der ersten Infektionswelle viermal so viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert wie nach den offiziellen Fallzahlen zu vermuten gewesen wäre. Das haben Untersuchungen in der prospektiven COVID-19-Kohorte München (KoCo19) ergeben. In der repräsentativen Gruppe von 5313 Einwohnern im Alter ab 13 wurden bei etwa 1,8 Prozent Antikörper gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gefunden, berichten die Forscher um Professor Michael Hölscher von der LMU. Nach den Fallzahlen bis April war aber nur von einer Infektionsrate in der Münchener Bevölkerung von 0,4 Prozent ausgegangen worden. Basierend auf den KoCo19-Antikörperbefunden und den zum Ende der Feldarbeit den Behörden gemeldeten COVID-19-Todesfällen in München ergab sich eine Sterberate von 0,76 Prozent der Infizierten. Dies sei eine um ein Vielfaches höhere Rate als bei saisonalen Grippeinfektionen (Publikation auf Klinikum LMU-Website).

Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier.

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