Hausaufgaben für den nächsten Bundestag
20-Punkte-Plan für bessere Versorgung bei Seltenen Erkrankungen
Der Bundestag schickt einen Entschließungsantrag für die bessere Erforschung und Diagnosestellung bei Orphan Diseases in den Gesundheitsausschuss. Warum das ein positives Signal für die Seltenen Erkrankungen ist.
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Sitzung im Bundestag (Archivbild): Noch Anfang Dezember waren Seltene Erkrankungen Thema im Plenum.
© Jens Krick / Flashpic / dpa / picture alliance
Berlin. Seltene Krankheiten (SE) stellen Ärzte, aber mehr noch die betroffenen Patienten und ihre Angehörigen vor belastende Herausforderungen. Im Schnitt dauert die Diagnose fünf Jahre, von den rund 6000 SE ist nach wie vor nur eine kleine Zahl mit innovativen Arzneimitteln behandelbar, zur Hälfte sind Kinder betroffen, von denen jedes Dritte das fünfte Lebensjahr nicht erlebt.
Auf Initiative des CSU-Bundestagsabgeordneten Erich Irlstorfer bereitet der Bundestag daher nun eine Entschließung vor, in der – mit Blick auf die nächste Legislaturperiode – ein 20 Punkte umfassendes Maßnahmenbündel gefordert wird, um die Situation von Menschen mit SE und ihrer Angehörigen zu verbessern. In erster Lesung hat der Bundestag den zugehörigen Antrag bereits Anfang Dezember beraten. Der Antrag wurde zur weiteren Beratung in den Gesundheitsausschuss überwiesen.
Das 20-Punkte-Paket betrifft drei wesentliche Bereiche:
- Intensivierung der Forschung: Das umfasse die langfristige Förderung der Entwicklung neuer Arzneimittel, deren beschleunigte Zulassung, die Erleichterung des Off-Label-Use und eine Anpassung des AMNOG-Verfahrens. Ferner müssten Patenschaftsmodelle zwischen Industrie und akademischer Forschung federführend an einem Runden Tisch des Forschungsministeriums initiiert werden.
- Zu Verbesserung der Diagnosestellung wird eine Ausweitung des Neugeborenen-Screenings gefordert; erwogen werden sollte eine spezielle Kommission beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Die Selbstverwaltung der Ärzte und Kassen wird aufgefordert, den Kenntnisstand von Gesundheitsberufen durch geeignete Fort- und Weiterbildung zu verbessern.
- Zur Verbesserung der Versorgung und der sozialen Lage der betroffenen Familien müsse die oft hohe Selbstbeteiligung vermindert werden. Um für die Betroffenen Zugang zu kompetenten und unterstützenden Personen zu geben, müssten Case-Manager eingeführt werden. Insbesondere für von SE betroffene Kinder und Jugendliche sei eine Schulgesundheitsfachkraft von besonderer Bedeutung. Für nicht spezialisierte Ärzte – in den meisten Fällen ist der Hausarzt die erste Anlaufstelle für Patienten und deren Eltern – müssten Patientenpfade entwickelt werden, die Diagnosestellung und Versorgung erleichtern. Die Zentrenstruktur müsse flächendeckend ausgebaut, in die Krankenhausplanung übernommen und nachhaltig finanziert werden. Die Selbsthilfe bedürfe der konkreten Unterstützung, auch durch Abbau hoher bürokratischer Hürden des Vereins-, Präventions- und Ehrenamtsgesetzes.
Arzneimitteltherapie
Orphan Drugs – wirklich unbezahlbar?
Kritik an Preispolitik
Der Initiator der Entschließung, Erich Irlstorfer, zeigte sich erfreut, dass es gelungen sei, den Antrag noch in dieser Legislaturperiode zumindest in erster Lesung im Bundestag zu beraten. Irlstorfer, der sich während dreier Legislaturperioden für Betroffene mit Seltenen Erkrankungen engagiert hat, wird dem nächsten Bundestag nicht mehr angehören.
Grundsätzlich begrüßt wurden die Anträge von allen Fraktionen und Gruppen. Abgeordnete der AfD und des Bündnisses Sarah Wagenknecht nutzten die Debatte, um ihrerseits massive Kritik an der Preispolitik der Arzneimittelhersteller zu artikulieren. 50 Prozent der Orphan Drugs wiesen „keinen Zusatznutzen“ auf, die Ausgaben erreichten inzwischen mehr als sieben Milliarden Euro, so Kai Uwe Ziegler (AfD). Es sei notwendig, das Orphan-Drug-Privileg im AMNOG zu streichen. Auch Andrej Hunko (BSW) sieht einen „Missbrauch“ dieses Privilegs durch die Industrie. (HL)