Organspende
Ärzte wollen sich selbst beaufsichtigen
Manipulationssichere Transplantationsmedizin. Das ist das Ziel der ärztlichen Selbstverwaltung. Mehraugenprinzip und interdisziplinäre Konferenzen sollen es richten - und auch die Androhung von Strafe.
Veröffentlicht:BERLIN (af). Die Selbstverwaltung der Ärzte will die Transplantationsmedizin manipulationssicher machen. So soll künftig bei der Anmeldung von Wartelisten-Patienten das Mehraugenprinzip in den Transplantationsrichtlinien verankert werden.
Interdisziplinäre Transplantationskonferenzen in den Transplantationszentren sollen vor einer Anmeldung Pflicht werden.
"Manipulationen sollen dann nicht mehr möglich sein", sagte Professor Hans Lilie, der Vorsitzende der Ständigen Kommission Organtransplantation (StäKO), bei der Bundesärztekammer (BÄK) bei der Vorstellung einer gemeinsamen Erklärung von Trägern der Selbstverwaltung sowie der Bundesärztekammer und ihrer Kommissionen zur Organtransplantation.
Schon bei der Kommissionssitzung im Herbst sollen die neuen Verfahren beschlossen und dann zügig eingeführt werden.
Bedenken kamen aus dem Parlament und von Verbraucherschützern. Grüne, Linke und die Patientenschutzorganisation Deutsche Hospiz Stiftung halten die Selbstkontrolle der Ärzte für nicht ausreichend und rufen nach dem Staat.
BÄK erwartet "polizeiliche Kompetenzen"
Ärzten, die die Verfahren der Zuteilung von Organen manipulieren, soll künftig der Entzug der Approbation drohen. Darauf werde die Bundesärztekammer dringen, kündigte BÄK-Präsident Dr. Frank Ulrich Montgomery an.
Um hier schneller handeln zu können, strebe die Kammer das Approbations- und Approbationsentzugsrecht an.
Wegen der zum Teil noch schwebenden Verfahren wollte sich Montgomery nicht dazu äußern, ob auch die Transplantationsabteilungen in Göttingen und Regensburg von den Sanktionen bereits betroffen sein könnten.
Von der Politik erwarteten die Ärzte eine Art "polizeilicher Kompetenz". Ohne den transplantationsmedizinischen Sachverstand kämen die Staatsanwaltschaften unlauteren Machenschaften nicht auf die Spur, sagte Montgomery.
Einer staatlichen Aufsicht erteilte Montgomery eine Absage. "Die Politik wird nie ohne den Sachverstand der sachnäheren Fachleute auskommen."
Dies sehen Vertreter der Grünen, der Linken und von Patientenschützern anders. Die Politik dürfe ihre Verantwortung nicht an die Deutsche Stiftung Organspende (DSO), die Bundesärztekammer und die holländische Stiftung Eurotransplant abtreten, sagte die Linken-Politikerin Kathrin Vogler.
Die Ärztekammer erlasse Vorschriften und kontrolliere sie selbst. "Ein derart geschlossenes System ist für Manipulationen extrem anfällig", sagte Vogler am Donnerstag in Berlin.
Hilfe aus der Labormedizin
Das ganze System der Organspende in Deutschland sei krank und brauche mehr staatliche Kontrolle, sagte auch die grüne Fraktionsvorsitzende Renate Künast.
Der Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, forderte am Donnerstag ein aktives Eingreifen des Staates im Vorfeld von Straftaten. "Dazu bedarf es eines verfassungsgemäßen Organspendegesetzes, das private Akteure zurückdrängt, denn nur der Staat darf in Grundrechte eingreifen", sagte Brysch.
Mehr Sicherheit ins Verfahren soll die Labormedizin bringen. Er verstehe unter dem Mehraugenprinzip auch, dass ein Laborarzt die gemeldeten Werte von Spender- und Empfänger auf Plausibilität prüfe, sagte Montgomery.
Die Transplantationsmedizin müsse im Bild der Öffentlichkeit vom "Odium der Mogelei" befreit werden. Dies solle durch eine ständige Berichterstattung zur Lage der Organspende geschehen, kündigte der Ärztepräsident an.
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) reagierte umgehend auf die Ankündigungen. "Ich begrüße, dass die Selbstverwaltungsorgane nun erste Konsequenzen ziehen und erste Vorschläge vorlegen", sagte Bahr.
Das Vertrauen in die Organspende und die Verfahren bei der Vermittlung müssten wieder hergestellt werden. Bahr hat für den 27. August zu einem Gipfeltreffen aller an der Transplantationsmedizin beteiligten Stellen eingeladen.
An diesem Treffen nehmen auch Vertreter der Länder teil. Mit ihren Beschlüssen von Donnerstag hätten die Ärzte ein erstes wichtiges Signal ausgesendet, dass sie in der Sache Handlungsbedarf sähen, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK), der saarländische Gesundheitsminister Andreas Storm (CDU), der "Ärzte Zeitung".
Kassen wollen Kontrollen finanzieren
Der GKV-Spitzenverbandsvorsizende Johann-Magnus von Stackelberg bestätigte, dass die ebenfalls geplanten verdachtsunabhängigen und flächendeckenden Kontrollen in den Transplantationszentren von den Kassen finanziell mitgetragen würden, wenn sie "intelligent" seien.
Fehlanreize wie Mindestmengen für Transplantationen einzelner Organe zu überdenken, forderte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft Georg Baum.
Besser sei es, lediglich Orientierungswerte vorzugeben. Baum nahm einen weiteren Anreiz ins Visier: Die Arbeitgeber sollten jedwede Zusammenhänge zwischen Operationszahlen und Lohnhöhen vermeiden, sagte Baum.
Seit dem Jahr 2000 sind von rund 30.000 Transplantationsfällen 118 Verfahren auffällig geworden, berichteten die Teilnehmer der Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin. In 20 Fällen seien Verstöße gegen die Richtlinien festgestellt worden.
Ein abgeschlossener Fall wie der in Regensburg gilt als ein Fall. Zu den anderen Fällen äußerten sich die Teilnehmer der Sitzung nicht konkret. Als ein Beispiel wurden Kommunikationsprobleme zwischen Eurotransplant und einer Klinik angeführt.
Dabei soll es darum gegangen sein, ob eine Leber hälftig oder asymmetrisch geteilt werden sollte, was jeweils ein anderes Zuteilungsverfahren nach sich ziehe.