Entscheidung der EMA
AstraZeneca-Vakzine erhält Warnhinweis – Neustart der Impfungen am Freitag
Die Corona-Vakzine von AstraZeneca bleibt der EU erhalten: Die EMA bewertet ihren Nutzen größer als die möglichen Risiken. Aber es wird einen Warnhinweis geben. Am Freitag sollen die Impfungen fortgesetzt werden. Auf Ärzte kommt Arbeit zu.
Veröffentlicht:Amsterdam/Berlin. Die Corona-Vakzine ChAdOx1-S von AstraZeneca (AZD1222) bleibt in der EU zugelassen. Das hat die Europäische Arzneimittelagentur EMA am Donnerstagnachmittag nach einer außerordentlichen Tagung ihres Pharmakovigilanzausschusses PRAC mitgeteilt. Der Nutzen der Impfung übersteige die Risiken.
Allerdings soll das Präparat einen Warnhinweis erhalten zu dem Risiko sehr seltener Fälle einer disseminierten intravasalen Koagulopathie (DIC) oder zerebraler Sinusthrombosen (cSVT). Ein generell erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse konnte der Ausschuss allerdings nicht ausmachen.
Die Impfungen sollen bereits an diesem Freitag wieder aufgenommen werden können, hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kurz nach 20 Uhr am Donnerstag in einer kurzen Pressekonferenz in Berlin verkündet.
Hintergrund für die Bewertung waren Berichte über cSVT- und DIC-Fälle, zuletzt aus Deutschland. Alle waren begleitet von Thrombozytopenien. Daraufhin wurde die Impfung mit der Vakzine in Deutschland zunächst ausgesetzt.
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Mehr Ereignisse als erwartet
Hierzulande gibt es bislang 13 gemeldete Fälle, darunter zwölf Frauen unter 55 Jahren, von denen zwei verstorben sind. Zudem sei ein Mann mit dieser Komplikation gestorben, berichtete der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), Professor Klaus Cichutek am Donnerstagabend.
Es sei allerdings nicht klar, ob jeweils die Impfungen ursächlich für die Todesfälle seien. Bis Montag waren beim PEI zunächst sieben Fälle bekannt geworden, sechs davon bei Frauen. Drei Ereignisse verliefen tödlich. Alle waren zwischen 20 und 50 Jahren alt.
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Das PRAC hat nach eigenen Angaben bei 20 Millionen Impfungen mit der AstraZeneca-Vakzine in der EU und Großbritannien bis Dienstag Kenntnis von sieben DIC-Fällen und 18 cSVT-Fällen. Thrombosen generell traten in der EU in 191 Fällen auf, was der EMA zufolge weniger ist, als zu erwarten wäre.
Die bis dato neun aus EU-Staaten gemeldeten DIC- und cSVT-Fälle ereigneten sich danach bei Menschen unter 55 Jahren und in der Mehrheit bei Frauen. In den ersten zwei Märzwochen hätte rechnerisch ein DIC-Ereignis auftreten dürfen, fünf Fälle wurden jedoch binnen 14 Tagen nach der Impfung gemeldet. Bei der cSVT wären statistisch 1,35 Fälle erwartbar gewesen, jedoch traten 12 auf.
Patienten sollten Warnzeichen kennen
Da jedoch eine COVID-19-Erkrankung mit einem deutlich erhöhten Risiko für (auch fatale) Thromboembolien assoziiert ist, überwiege der Nutzen der Impfung, so die EMA. Patienten sollten allerdings über die Red Flags von DIC und cSVT – unter anderem Petechien oder Kopfschmerzen, besonders binnen drei Tagen nach der Impfung – informiert werden und beim Auftreten rasch einen Arzt konsultieren.
Parallel zur EMA hatten PEI und das Ministerium bereits mit der Aktualisierung des Aufklärungsmerkblatts begonnen, das vor der Impfung ausgehändigt werde, sagte Spahn. Bis die Formulare vorlägen, könnten Ärzte diese Hinweise auch handschriftlich ergänzen.
Auf Nachfrage sagte der Minister, dass die Entscheidung der EMA nichts mit dem flächendeckenden Impfbeginn in den Arztpraxen zu tun habe. „Es steht genau dieselbe Menge zur Verfügung wie vorher“, sagte Spahn. Über den Impfstart in Praxen werde am Freitagnachmittag mit den Regierungsspitzen der Länder beraten.
Opposition fordert „umfassende Aufklärung“
Die Entscheidung der EMA und ihre Konsequenzen werden auch von Abgeordneten kommentiert. Nachdem die EMA den AstraZeneca-Impfstoff als sicher und wirksam bewertet habe, müssten die Impfungen damit unverzüglich wieder aufgenommen werden, sagte die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus am Donnerstag. Nach Tagen des Impfstillstands müsse alles dafür getan werden, dass diesem sicheren Impfstoff kein weiterer Imageschaden drohe.
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„Ich bin erleichtert, dass wir weiterhin auf den Impfstoff von AstraZeneca bauen können“, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Sabine Dittmar, am Donnerstag.
Es brauche jetzt gute und umfassende Aufklärung der Impfwilligen über mögliche Risiken und Ausschlusskriterien. Dies könne am besten in Arztpraxen geleistet werden. Sie seien daher „umgehend“ einzubeziehen. „Es ist jetzt wichtig, dass wir den Impfturbo einlegen.“