Rückblick
Die ersten 100 Ministertage von Ulla Schmidt
28. April 2001, wer kann sich noch erinnern an den Tag, an dem Gesundheitsministerin Ulla Schmidt genau 100 Tage im Amt gewesen ist? "Macht es Ihnen immer noch Spaß, Frau Schmidt?", will die "Ärzte Zeitung" in einem Interview über die ersten Wochen im Amt wissen. "Es ist keine einfache Sache, aber was ist schon einfach?" fragt die SPD-Politikerin zurück. Im Nachhinein wird klar: Schmidts 100-Tage-Zwischenbilanz nötigt auch politischen Gegnern Respekt ab.
Rückblick, Januar 2001: In Berlin ist seit 1998 die rot-grüne Koalition mit Kanzler Gerhard Schröder am Ruder, als am 9. Januar 2001 die glücklose Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) mitten in der Legislaturperiode vom Amt zurücktritt. Sie stolpert über ein missglücktes Krisenmanagement im Kampf gegen den Rinderwahnsinn BSE.
Drei Tage später, am 12. Januar, beruft Bundeskanzler Gerhard Schröder die Sonderschulpädagin Ulla Schmidt aus Aachen als Fischer-Nachfolgerin. Schmidt hat zu diesem Zeitpunkt Erfahrungen als Sozialpolitikerin gesammelt, gilt aber im Bereich Gesundheit als absolute Newcomerin. Sie sei "die Frau mit dem gewissen Nichts" spotten Gegner, doch das ficht die Sozialdemokratin nicht an. Vom Start weg drückt die neue Ministerin kräftig auf die Tube.
Wenige Tage nach Amtseinführung laden Schmidt und Schröder führende Ärztevertreter zum Dialog ins Kanzleramt ein. Und noch im Januar streicht die Ministerin den Kollektivregress der Ärzte bei Budgetüberschreitung. Die Botschaft: KVen und Ärzte sollen selbst dafür sorgen, dass die Arzneiausgaben im Rahmen bleiben.
Unermüdlich arbeitet Schmidt an einem Konsens zwischen Kassen und Industrie im Dauerstreit um Festbeträge für Arzneimittel. Zugleich forciert sie das Tempo und präsentiert Eckpunkte für eine Reform des Risikostrukturausgleichs. Kernidee: ein kassenartenübergreifender Risikopool für Patienten, die extrem hohe Kosten verursachen und die Einführung von Disease-Management-Programmen.
Mit dem Medienecho nach 100 Tagen muss sich Ulla Schmidt nicht verstecken. Sie sei zielstrebig, heißt es. Mit hartnäckiger Konsequenz mische sie "feindliche Interessensgruppen durcheinander" und treibe sie zu konsensfähigen Beschlüssen. Im Haifischbecken Gesundheitswesen verhält sich die Ministerin zunächst friedfertig "Haie beißen nur zu, wenn es ernst wird", sagt sie der "Ärzte Zeitung". "Und genau in diesem Sinn kann ich auch Hai sein." In den Monaten und Jahren danach wird Schmidt beweisen, dass sie es mit dieser Ankündigung sehr ernst meint. (fuh)
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