Irgendwo zwischen Herkules und Sisyphus

Kaum ein Politiker wird so beäugt wie Philipp Rösler. Das liegt am Thema, für das er steht. Aber auch am Ziel, das er sich gesetzt hat: die Gesundheitsprämie. Herkulesaufgabe nennen das die einen, Sisyphusarbeit die anderen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:

BERLIN. Das Büro von Philipp Rösler ist für Ministerverhältnisse ziemlich klein. Wer es betritt, dem springt sofort eine blau-gelbe Postkarte ins Auge, die auf dem Regal hinter Röslers Schreibtisch steht und auf der in dicken Lettern "We Can Do It!" geschrieben steht. Er hat die Karte von seinem Vater. Dass sie das Arbeitszimmer von Rösler ziert, sagt viel aus über das, was sich der FDP-Mann vorgenommen hat: eine Radikalkur für das deutsche Krankenversicherungssystem namens GKV, an dessen Grundfeste sich seit Bismarck kaum ein Sozialpolitiker herangewagt hat.

Rösler traut sich das zu. Das jetzige System sei "unfertig", weil "unsozial", sagt er. Deshalb müsse die einkommensunabhängige Gesundheitsprämie her, die jeder zahlt - der viel zitierte Manager genauso wie dessen Putzfrau. Für die, die sich die Prämie nicht leisten können, soll ein Sozialausgleich über Steuern organisiert werden. Ein solcher Ausgleich, ist Rösler überzeugt, sei viel gerechter als das heutige System mit Beiträgen, gestaffelt nach Einkommenshöhe und endend bei 45 000 Euro Beitragsbemessungsgrenze pro Jahr.

Rösler kämpft für sein Vorhaben. Auf die sanfte Tour. Den Vorschlaghammer zieht er nicht aus der Tasche. Auch nach 100 Tagen im Amt nicht. Und auch nicht nach Dutzenden von Anfeindungen - vor allem aus den Reihen des bayerischen Koalitionspartners. Unermüdlich trägt Rösler in Interviews und Talkshows seine Argumente vor. Lächelnd, höflich, manchmal feixend - Journalisten begrüßt er schon mal mit "Moin, moin". Er formuliert klar, so als habe er das, was er sagt, vorher lange einstudiert. Ganz anders als seine Vorgängerin im Amt, die Haupt- und Nebensätze zu einem bunten Strauß an Botschaften flocht, und bei der man am Ende doch wusste, was sie meint.

Bei Rösler bleiben trotz klarer Sätze viele Fragen auch nach 100 Tagen im Amt unbeantwortet: Wie soll der Sozialausgleich, der bis zu 40 Milliarden Euro im Jahr verschlingen dürfte, angesichts von 85 Milliarden Euro Neuverschuldung finanziert werden? Sollen die Einkommen von rund 50 Millionen Kassenmitgliedern vom Finanzamt überprüft werden, um festzustellen, wer Anspruch auf sozialen Ausgleich hat? Sind die Zusatzbeiträge der Einstieg in die kleine Prämie? Wenn ja, wann kommt die große? Und ist das Thema Gesundheit am Ende nicht doch ein zu ernstes, um es mit einem smarten Lächeln einfangen zu können? Fragen, die Rösler auch in den kommenden 100 Tagen beschäftigen dürften.

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