Der Standpunkt
Schluss mit der Kakofonie
Es sind die vielversprechenden Auftritte von Philipp Rösler, die den jungen Minister in die Bredouille gebracht haben. Sicherlich: Man kann dahinter eine Strategie vermuten, die Katze nicht eher aus dem Sack zu lassen, bevor die Regierungskommission eingesetzt ist und sie die ersten Eckpunkte für eine Gesundheitsreform präsentiert hat.
Genau das stellt sich jetzt als Irrtum heraus. Seit Monaten ist klar, dass die Kommission mit einem eindeutigen Handlungsauftrag ausgestattet werden soll. Doch über die Inhalte schweigen sich Rösler und sein neues Team aus.
Und wer ist sein neues Team? Es sind viele ehemalige Zuarbeiter von Ulla Schmidt, weil auf deren Expertise nicht verzichtet werden kann. Die FDP will eine fundamental andere Politik, doch die eigene Personaldecke ist so dünn, dass im Ministerium offenbar viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muss.
Aber darauf nehmen die Akteure im Gesundheitswesen keine Rücksicht. Sie erwarten von einem Minister, dass nach 100 Tagen einer vagen Vision ein konkretes Arbeitsprogramm entsteht. Und der Minister wird noch mehr zum Getriebenen, wenn er nicht jetzt das Finanztableau für die Kopfpauschalen-Pläne auf den Tisch legt. So lange nur das Schlagwort existiert, bleiben die Vorwürfe im Raum, die FDP befördere eine Entsolidarisierung in der GKV.
Derweil erleben wir die reflexartigen Reaktionen in der Diskussion um Zusatzprämien. Sie werden vermischt mit den Vorstellungen zur Bürgerversicherung und zur Gesundheitsprämie. Eine sachliche Diskussion bleibt auf der Strecke, wozu primär der Koalitionspartner aus München beigetragen hat. Wenn Rösler jetzt nicht dagegen hält, läuft er Gefahr, den Vertrauensvorschuss zu verspielen. Seine indirekte Rücktritts-Androhung könnte ihn dann schnell einholen.
Fazit: Es war wohltuend, dass die neue Koalition nicht gleich zu Beginn der Legislaturperiode in Aktionismus verfallen ist und ein Vorschaltgesetz aus dem Hut gezaubert hat. Es ist an der Zeit, schnellstmöglich die gesundheitspolitische Kakofonie innerhalb der Koalition zu beenden. Sonst verfestigt sich der Eindruck: Vieles an Blödsinn ist in den vergangenen Tagen geäußert worden - nur noch nicht von jedem. . .
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