Schwangerschaftsabbrüche

Frauenärzte fordern politischen Rückhalt beim Thema Abruptio

Umstrittene Vorschläge aus Baden-Württemberg zu Einstellungsvoraussetzungen für Klinikärzte sowie die wenig zufriedenstellende Lösung zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche lösen bei den Frauenärzten heftige Kritik aus.

Christiane BadenbergVon Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Sachliche Beratung und Hilfe im gesetzlich vorgegebenen Rahmen wollen Frauenärzte leisten und zwar ohne, dass ihre Arbeit mit einem gesellschaftlichen Makel behaftet ist.

Sachliche Beratung und Hilfe im gesetzlich vorgegebenen Rahmen wollen Frauenärzte leisten und zwar ohne, dass ihre Arbeit mit einem gesellschaftlichen Makel behaftet ist.

© Rido / Getty Images / iStock

Berlin. Die Idee, die Bereitschaft Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen zur Einstellungsvoraussetzung für Ärzte an baden-württembergischen Unikliniken zu machen, ist zwar vom Tisch.

Aber die Möglichkeit, dieses überhaupt in Betracht zu ziehen, hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sowie den Berufsverband der Frauenärzte bewogen, gemeinsam eindeutig Stellung zu beziehen. Auch zum weiter umstrittenen Paragrafen 219a, der das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche regelt, äußern sich die Gynäkologen dezidiert.

So beklagen die Frauenärzte, dass die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche zu einseitig, ideologisch verkürzt und eingeengt geführt werde. Sie lasse eine „differenzierte Auseinandersetzung vermissen“, heißt es.

„Wenn das Ringen um alternative Hilfen von allen Beteiligten mit dem gleichen Engagement geführt würde wie das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch, wäre es leichter, einen tragenden gesellschaftlichen Konsens zu erreichen, und die Option des Schwangerschaftsabbruchs ausreichend zugänglich zu machen“, schreiben Verband und Gesellschaft, die sich zum German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG) zusammengeschlossen haben.

Ethische Herausforderungen

Die Entscheidung, an einem Schwangerschaftsabbruch teilzunehmen, stelle das medizinische Personal vor große ethische Herausforderungen. Dies gelte für Ärzte und Assistenzpersonal. Der Erhalt von Leben sei zentraler und definierender Bestandteil des beruflichen Selbstbildes und der Ethik.

„Eine Abtreibung ist zumindest nach Überzeugung Vieler die Beendigung eines Lebens. Das muss jeder Beteiligte vor seinem Gewissen rechtfertigen“, schreiben die Gynäkologen. Gefahr für Leben und Gesundheit der Schwangeren, auch für die soziale und psychische Gesundheit, könnten eine Rechtfertigung sein, an einem Abbruch mitzuwirken. Jeder werde bei dieser Abwägung zu einer persönlichen Entscheidung kommen. Aber diese Abwägung müsse nach dem Wertesystem, auf das sich unser Staat beziehe, jedem Einzelnen in freier Entscheidung möglich sein.

„Dieses Recht einer persönlichen Entscheidung kann nicht als Voraussetzung für einen Arbeitsvertrag entzogen werden“, stellen die Gynäkologen ihre Sicht dar. Das gelte auch für Menschen, die an einer Universitätsklinik arbeiten wollen oder eine akademische Laufbahn anstreben.

„ÄrztInnen den Zugang zu dieser Karriere verwehren zu wollen, weil ihre Gewissensentscheidung die Teilnahme an einem solchen Eingriff nicht zulässt, ist unerhört“, so der GBCOG. Ärzten das Recht zuzugestehen, frei und fallbezogen zu entscheiden, habe nichts mit einer Einschränkung der Selbstbestimmung der Schwangeren zu tun, sondern vielmehr mit dem Recht auf die eigene Selbstbestimmung.

Hilfsangebote ohne Druck

Allerdings sei es auch eine gesellschaftliche Verpflichtung, jeder Frau, die wegen einer ungewollten Schwangerschaft in Not sei, Zugang zu Hilfsangeboten zu gewährleisten. Das schließe nicht nur die Option Schwangerschaftsabbruch ein, sondern auch das Recht auf alternative Hilfsangebote.

„Der ungehinderte und diskriminierungsfreie Zugang zu Beratungsstellen muss daher ebenso garantiert werden wie der Zugang zu Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen“, so die Frauenärzte. Die Konfrontation von hilfesuchenden Frauen durch Gegner dieses Rechts vor Beratungsstellen müsse verhindert werden. Ebenso müssten Frauen leichten Zugang zu Informationen über Einrichtungen haben, welche diesen Eingriff vornehmen, fordern sie.

„Es ist absurd, ÄrztInnen öffentliche Hinweise darauf zu verbieten, dass sie bereit sind, Frauen mit Schwangerschaftskonflikten zu betreuen“, kritisieren die Frauenärzte. Dies als Werbung zu werten, zeige auch ein Versagen der Gesellschaft, und der politischen Kompromissfähigkeit der gesetzgebenden Institutionen auf.

Ärztliche Aufgaben wahrzunehmen darf kein Makel sein

Wenn das Vornehmen von Schwangerschaftsabbrüchen als Hilfe für Frauen in Not verstanden werde – und nur dann sind sie aus Sicht der Frauenärzte ethisch vertretbar – dann dürfe dies auch nicht als gesellschaftlicher Makel angesehen werden. Dass die Politik dabei versage, dies zu gewährleisten, „zeigt der aus unserer Sicht unwürdige rechtliche Konflikt zum ‚Werbeverbot‘“.

Es sei verständlich, dass es nur wenige Ärzte und Institutionen gebe, die es aushielten als „Abtreibungsklinik“ oder „Abtreibungspraxis“ gebrandmarkt zu werden.

„Daher appellieren wir, dass die Gesellschaft und der Gesetzgeber sich dazu bekennen, dass Schwangerschaftsabbrüche in der in Deutschland gesetzlich erlaubten Form eine notwendige Voraussetzung dafür sind, geltendes Recht umzusetzen“, so die Gynäkologen.

Dies wäre ein geeigneterer Weg, Frauen in Not einen flächendeckenden Zugang zu Einrichtungen, die ihnen helfen, zu garantieren als die Missachtung der ethischen Selbstbestimmung von Ärzten.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 23.07.202011:27 Uhr

Für und wider Schwangerschaftsabbrüche

Zu der arbeitsrechtlich völlig unhaltbaren Idee, die Bereitschaft Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen zur Einstellungsvoraussetzung für Ärztinnen und Ärzte an baden-württembergischen Unikliniken zu machen, haben die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bzw. der Berufsverband der Frauenärzte eindeutig Stellung bezogen. Der umstrittene und widersprüchlich formulierte Paragraf 219a ("Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche") traf bei den GynäkologInnen ebenfalls auf Ablehnung.

Abgehoben wurde dabei darauf, dass konflikthaft erlebte, ungewollte Schwangerschaften von fast allen Gesetzgebungen dieser Welt grundsätzlich anders beurteilt werden, als gewollte, ge- und erwünschte Schwangerschaften.

Deshalb wird in vielen Staaten dieser Erde der Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen legalisiert, weil er die juristisch verbindlichen Kriterien z. B. eines Mordes, vorsätzlicher oder fahrlässiger Tötung gar nicht erfüllen kann.

Dass zur Konflikthaftigkeit, Lebenswegentscheidung, Ungewolltheit oder Ablehnung einer Schwangerschaft immer mindestens 2 Personen gehören, sollte insbesondere auch den Männern endlich klarer und nachvollziehbarer sein.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
10 Jahre ärztlicher Mitarbeiter im Essener AWO-Beratungszentrum 'Lore Agnes Haus' für Familienplanung, Schwangerschaftskonflikte und Fragen der Sexualität.

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