Kampf der Korruption

Geplantes Gesetz als Chance für Ärzte

Vor zwei Jahren war der Widerstand aus der Ärzteschaft noch laut hörbar. Inzwischen sind auch führende Ärztevertreter für ein Antikorruptionsgesetz im Gesundheitswesen. Juristen fordern Rechtssicherheit für Kooperationen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen und Anno FrickeAnno Fricke Veröffentlicht:
Mit einem neuen Gesetz soll Korruption im Gesundheitswesen künftig effektiver bekämpft werden.

Mit einem neuen Gesetz soll Korruption im Gesundheitswesen künftig effektiver bekämpft werden.

© Minerva Studio / fotolia.com

BERLIN/MÜNSTER. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen wird aktuell heiß diskutiert. Ärztevertreter sehen darin große Chancen, das Bild der Ärzte in der Öffentlichkeit zu korrigieren.

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dr. Edgar Franke (SPD), ein Jurist, frohlockt: Vorwürfe Einzelner, das Gesetz öffne Tür und Tor für Denunziation, seien nicht nachzuvollziehen, sagte Franke Ende vergangener Woche. Seine Kollegin Hilde Mattheis (SPD), gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, betonte die abschreckende Wirkung.

Drakonische Strafen seien notwendig, damit Patienten sicher sein könnten, medizinisch richtig behandelt zu werden und nicht, weil Schmiergelder flössen.

Der Gesetzentwurf, der noch bis zum 10. April im Stellungnahmeverfahren ist, sieht für Bestechlichkeit und Bestechung Freiheitsstrafen für alle staatlichen Gesundheitsberufe von bis zu fünf Jahren vor.

Ludwigs Appell an die Tugend

Das Gesetz und die freiwilligen Initiativen der Industrie werden wohl nicht im Handumdrehen wirken. "Es werden Jahre ins Land ziehen, bis wir die gewünschte Transparenz erzeugen", sagte Professor Wolf-Dieter Ludwig bei der Frühjahrstagung der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) am 13. März in Berlin.

Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) plädierte bei der Veranstaltung "Durchsichtige Ärzte in einem undurchsichtigen Staat" für freiwillige Verhaltensänderungen bei den Ärzten und der Industrie. "Beide Seiten müssen Tugend walten lassen", sagte Ludwig.

Reinhardt: Gesetz bietet Chancen

Eine pauschale Kritik der Ärzteschaft am Antikorruptionsgesetz ist nach Einschätzung des Hartmannbund-Vorsitzenden Dr. Klaus Reinhardt unberechtigt. Es sei problematisch, dass es bisher im Strafrecht den Tatbestand der Korruption bei Ärzten nicht gebe, sagte Reinhardt.

Der Große Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat hier eine Lücke festgestellt, die der Gesetzgeber habe schließen müssen. Es sei klar, dass Kick-Back-Geschäfte, etwa Verordnungen oder Zuweisungen gegen Geld, bestraft werden müssen, findet der Hartmannbund-Chef, in dessen Verband sowohl niedergelassene als auch angestellte Ärzte vertreten sind.

Das Antikorruptionsgesetz sei daher kein Spezialgesetz für Ärzte, betonte Reinhardt, der auch Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe ist. Angesichts der vielen Dreiecksverhältnisse sei das Gesundheitswesen tatsächlich anfällig für Vorteilsnahmen.

Montgomery: Schutz der Ehrlichen

Das deckt sich mit der Haltung von Bundesärztekammer-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery.

Das "nasse Pappschwert" des Kammerrechts und der nicht vorhandene "Kammerknast" machten aus seiner Sicht eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften notwendig. Denn mehr als 99,9 Prozent der Ärzte arbeiteten anständig und hätten es satt, ständig für die Unehrlichen den Kopf hinzuhalten, wird Montgomery in einer Mitteilung der Landesärztekammer Baden-Württemberg aus der vergangenen Woche zitiert.

Strafrecht müsse hier nicht als Bedrohung verstanden werden, sondern als Schutz der Ehrlichen.

Reinhardt ergänzt die Argumentationslinie mit einem berufspolitischen Aspekt, der sich auszahlen könnte. "Der Generalverdacht der Korruption, mit dem die Krankenkassen die Ärzte regelmäßig überziehen, hat sich damit erledigt", sagte Reinhardt bei einer Informationsveranstaltung für Vertragsärzte der Kanzlei am Ärztehaus und der Apotheker- und Ärztebank in Münster.

Details des Entwurfs kommentiert auch Reinhardt kritisch. So seien an vielen Stellen präzise Definitionen nötig, etwa des Begriffes "unlauter". Man merke den Texten an, dass bei der Erstellung Fachleute aus der Praxis außen vor geblieben seien, monierte Reinhardt.

Pharma will Generalverdacht tilgen

Den Generalverdacht, massenhaft Ärzte zu bestechen, will auch die Pharmaindustrie loswerden. Dr. Karl Mattussek aus der Geschäftsleitung von Astra Zeneca Deutschland warnte bei der Veranstaltung in Berlin vor der negativen öffentlichen Wahrnehmung der Zusammenarbeit von Ärzten mit der Industrie.

"Die gesellschaftlichen Erwartungen an die Transparenz dieser Kooperation steigen", sagte Matussek. Sein Unternehmen will auf einer Webseite Einsicht in alle Zahlungen an Ärzte gewähren, wie es der vfa-Kodex zwingend fordert.

Dafür müssten sich die Ärzte damit auch einverstanden erklären. Die Daten von Ärzten, die sich verweigerten, könnten nur anonym veröffentlicht werden. Aggregierte Zahlen seien jedoch ein "stumpfes Schwert", sagte Matussek.

Risiko für Kooperationen?

Fachleute fürchten, dass Kooperationen im Gesundheitswesen wegen der internen Geldflüsse durch das Gesetz in rechtliche Grauzonen geraten könnten. Laut Begründung des Gesetzentwurfs sollen und Kooperationen unter Ärzten und mit anderen Institutionen von dem neuen Korruptionsparagrafen nicht erfasst werden, es sei denn, ihre vertragliche Grundlage erfüllt den Tatbestand einer Unrechtsvereinbarung.

Für den Medizinjuristen Dr. Daniel Geiger (Dierks & Bohlen) sind diese Formulierungen aber nicht überzeugend. "Es ist wenig hilfreich, wenn die Regierung sagt, was erlaubt ist, bleibt auch erlaubt", kommentiert Geiger den Entwurf.

Ärzte fordern daher für Netze, BAGs und die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) ausdrücklich Rechtssicherheit. Ärztekammern und Kassenärztliche Vereinigungen sollten zur Beurteilung dessen, was korrupt sei, herangezogen werden.

Zusammenarbeit unverzichtbar?

Die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Industrie sei unverzichtbar, betont Professor Ludwig. Interessenkonflikte sollten daher nicht per se einen pejorativen Beigeschmack haben.

Interessenkonflikte beeinflussten das professionelle Urteilsvermögen der Ärzte nicht zwangsläufig, könnten aber unbewusst auf die Wahrnehmung einwirken. Das könne Inhalte von Leitlinien und anderen Publikationen verzerren, sagte Ludwig.

Er forderte die Ärzte zur Wahrung wissenschaftlicher Integrität auf. Dazu gehöre der Dialog mit der wissenschaftlichen Gemeinde und Aufschluss über die Finanzierung und Finanzquellen von Forschung sowie die unvoreingenommene Veröffentlichung von Ergebnissen.

Dass Transparenz Zeit braucht, lässt sich in den USA beobachten. Die Vorschriften in den USA, der Sunshine Act, haben mit sieben Jahren Vorlauf erste Ergebnisse gebracht. (siehe Infokasten) Ob die Zahlen so stimmten, sei aber nicht klar, sagte Ludwig.

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