Onkologen in Sorge

Gesetzespaket gegen Arznei-Engpässe?

Lieferengpässe bei Arzneimitteln drohen zum Alltag zu werden. Onkologen fordern eine schärfere Meldepflicht. Und die Koalition bereitet diese und weitere gesetzliche Schritte schon vor.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Arznei nicht da. Immer häufiger werden Patienten mit der Nachricht konfrontiert, dass ein Medikament nicht lieferbar ist.

Arznei nicht da. Immer häufiger werden Patienten mit der Nachricht konfrontiert, dass ein Medikament nicht lieferbar ist.

© benjaminnolte / stock.adobe.com

Berlin. Eine „dramatische Beschleunigung“ des Auftretens von Arzneimittelengpässen in der Versorgung hat der arzneimittelpolitische Sprecher der Unionsfraktion Michael Hennrich ausgemacht. Bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) kündigte Hennrich schärfere gesetzliche Vorgaben an.

Engpässe als globales Problem

Lieferengpässe bei Arzneimitteln seien ein weltweites Problem, sagte Professor Michael Hallek, Geschäftsführender Vorsitzender der DGHO am Dienstag in Berlin. Die Zunahme dieser Ereignisse sei „völlig inakzeptabel“. Dass sich aus den Lieferengpässen nicht automatisch Versorgungsengpässe entwickelten, sei vor allem der gemeinsamen Kraftanstrengung der medizinischen Fachgesellschaften, der Apotheker, der Bundesoberbehörden und Länder zu verdanken. Das Instrument des in der Folge des Pharmadialogs von 2016 vereinbarten Jour Fixe aller Beteiligten habe sich dabei bewährt.

Vor allem bei rabattierten Arzneimitteln wird das Problem sichtbar. Von den etwa 450 Millionen Rabattarzneimitteln in der GKV seien 2017 circa 4,7 Millionen nicht lieferbar gewesen, ein Jahr später bereits 9,3 Millionen, berichtete Professor Martin Schulz, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK).

Der Trend halte mit 7,2 Millionen nicht lieferbarer Verpackungen im ersten Halbjahr 2019 an. Betroffen waren in erster Linie Schmerzmittel, Blutdrucksenker und Antidepressiva. Eine Mehrheit der Apotheken müsse bereits zehn Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, Lieferengpässe zu managen.

7,2 Millionen Medikamentenpackungen konnten die Apotheken allein im ersten Halbjahr 2019 wegen Lieferengpässen nicht ausgeben. 2018 waren es im gesamten Jahr 9,3 Millionen.

Quelle: Deutsches Arzneiprüfungsinstitut

Die DGHO hat daher weitergehende Forderungen an die Politik formuliert, sagte Professor Bernhard Wörmann, medizinischer Leiter der DGHO. So müsse es ein Register mit Meldepflicht für alle Lieferengpässe geben, auch für supportive Therapien.

„Dass bislang die Meldepflicht nur für Krankenhäuser gilt, ist kaum zu verstehen“, sagte Wörmann. 90 Prozent der Lieferengpässe träten Angaben des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach Qualitätsproblemen im Herstellungsprozess auf. Die DGHO fordere daher die Förderung und Überwachung von Produktionsstätten, die nach EU-Standards produzierten. Praktisch alle Engpässe bei Onkologika hätten zudem durch eine für drei bis sechs Monate ausreichende Vorratshaltung vermieden werden können.

Koalition will mehr Transparenz

Union und SPD wollen bereits mit dem Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz (FKG) die Lieferengpässe härter angehen. Hennrich zufolge werde über mehr Transparenz im Marktgeschehen, verbindliche Meldepflichten auch für Hersteller und Großhändler sowie Vorratshaltung nachgedacht. „Freiwilligkeit reicht an dieser Stelle nicht“, sagte Hennrich. Der Jour Fixe solle zu einem gesetzlich fixierten Beirat ausgebaut werden.

In Apotheken sollen bei Lieferproblemen verordnete Medikamente bereits nach 24 Stunden ausgetauscht werden dürfen. Da dies hohe Kosten auslösen könnte, hoffen die Koalitionäre laut Hennrich darauf, die Kassen so zu Mehrfachvergaben auf freiwilliger Basis zu bewegen. Indirekt sollen die Maßnahmen dazu führen, mehr Arzneimittelproduktion zurück nach Europa zu holen.

Das FKG wird am 12. oder 13. Dezember in erster Lesung im Bundestag beraten. Danach geht es in den Bundestag, und die bereits vorbereiteten Änderungsanträge können in den Regierungsentwurf eingearbeitet werden.

Die im Rahmen der Pressekonferenz vorgestellte Aktualisierung und der 9. Band der Gesundheitspolitischen Schriftenreihe der DGHO „Arzneimittelengpässe am Beispiel der Hämatologie und Onkologie“ können heruntergeladen werden unter: https://www.dgho.de/publikationen/schriftenreihen/arzneimittelengpaesse

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