Untergrenzen
Pflegerat und Verdi laufen Sturm
Ein Streit wirft ein Schlaglicht auf den Stand der Verhandlungen zu Personaluntergrenzen in Krankenhäusern. Die Selbstverwaltung will wohl mit dem Monatsdurchschnitt an Personalbesetzung einsteigen.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Verhandlungen zu Personaluntergrenzen in den Krankenhäusern laufen bislang weitgehend unterhalb des Radars öffentlicher Wahrnehmung.
In der Folge einer Sitzung am Dienstag ist nun eine Auseinandersetzung entbrannt. Weder die Bundesregierung noch der Bundestag hätten sich Personaluntergrenzen so vorgestellt, wie sie sich in den Verhandlungen zwischen Deutscher Krankenhausgesellschaft (DKG) und GKV-Spitzenverband abzeichneten, monierte der Deutsche Pflegerat.
Zudem werde nach wie vor nur über pflegesensitive Bereiche verhandelt, nicht über Untergrenzen für alle bettenführenden Stationen, wie es der Koalitionsvertrag von Union und SPD vorsehe.
Untergrenzen für Pflegepersonal
Der gesetzliche Auftrag, verbindliche Personaluntergrenzen für pflegesensitive Bereiche zu erarbeiten, erfolgte am 17. Juli 2017.
Abgabetermin für die Deutsche Krankenhausgesellschaft, PKV-Verband und GKV-Spitzenverband ist der 30. Juni 2018.
Als pflegesensitiv gelten Bereiche, in denen ein ersichtlicher Zusammenhang zwischen der Zahl der Pflegekräfte und dem Vorkommen unerwünschter Ereignisse wie Dekubiti oder Wundinfektionen besteht.
"Ziel verfehlt!" stimmten Patientenorganisationen, die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Deutsche Gewerkschaftsbund ein. Das sich abzeichnende Ergebnis werde die Arbeitssituation der Pflegekräfte nicht spürbar verbessern. Es handele sich um Untergrenzen, die nur darauf abzielten, akute Patientengefährdung zu reduzieren.
Hintergrund der Empörung sind Details aus den Gesprächen zwischen DKG, dem Verband der privaten Krankenversicherung und dem Spitzenverband. Demnach sehen die Selbstverwaltungspartner vor, über Monatsdurchschnittswerte Personaluntergrenzen zu definieren.
Das geht aus einer Reaktion der DKG auf die am Mittwoch verbreitete Kritik von Pflegerat und Gewerkschaften hervor.
"Kein finales Ergebnis"
Demnach soll aus den Personalbesetzungen der als pflegesensitiv identifizierten Stationen, also zum Beispiel geriatrischen Abteilungen und Intensivstationen, ein 30-Tage-Durchschnitt gebildet werden. Tage, an denen diese Untergrenzen nicht erreicht wurden, sollen monatlich erfasst werden.
"Diese Vorgehensweise geht über die gesetzliche Vorgabe hinaus, die Transparenz nach Ablauf des jeweiligen Budgetjahres fordert", sagte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.
"Das ist kein finales Ergebnis", sagte Spitzenverbandssprecherin Ann Marini der "Ärzte Zeitung". Die Gespräche liefen noch bis Ende Juni 2018.
Bislang könne nur über pflegesensitive Bereiche gesprochen werden, weil nur dafür ein gesetzlicher Auftrag vorliege. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Ausweitung sei keine gesetzliche Basis.
Was pflegesensitive Bereiche in den Kliniken sein könnten, hat das Berliner IGES-Institut in einer aktuellen Umfrage unter Pflegedirektoren, Pflegewissenschaftlern und Pflegepersonal versucht zu ermitteln. Mit der Personalsituation grundsätzlich unzufrieden oder sehr unzufrieden sind 63 Prozent der Pflegedienstleitungen.
Die Rangliste der pflegesensitiven Bereiche beginnt ausweislich der Umfrage bei der am häufigsten genannten Intensivmedizin. Danach folgen in absteigender Folge die Geriatrie, die Neurologie, die Innere Medizin, die Unfallchirurgie, die Herzchirurgie, die Kardiologie und die algemeine Chirurgie.