Kommentar

COVID-19 als Berufskrankheit: Nur eine Zahl?

Bei 5762 Ärzten & Co hat die Unfallversicherung COVID-19 als Berufskrankheit anerkannt. Die Zahl sagt vieles – und zugleich auch nichts.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) verzeichnet zum Stichtag 3. Juli deutschlandweit 5762 Fälle, in denen bei Vertretern der Gesundheits- und Pflegeberufe im ambulanten sowie stationären Sektor, aber auch in Laboratorien ein Anerkennungsverfahren auf das Vorliegen von COVID-19 als Berufskrankheit (Nr. 3101) positiv beschieden wurde.

Wie ist diese Zahl zu interpretieren? Auf jeden Fall mit Vorsicht! Sie zeigt zumindest unbestreitbar, dass SARS-CoV-2 in der Tat ein reales Bedrohungsszenario in der medizinischen und pflegerischen Versorgung ist. Sie zeigt auch, dass die bereits im Februar vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin getroffene Entscheidung, das Coronavirus vorläufig der Risikogruppe 3 nach Biostoffverordnung zuzuordnen, sinnvoll war. Denn damit stiegen zum Beispiel die Anforderungen an den Arbeitsschutz in Arztpraxen – und erhöhte sich – je nach Umsetzungsgrad – auch die Sicherheit der betreffenden Ärzte und Medizinischen Fachangestellten in den Praxen.

Die Zahl könnte aber auch – und das ist wohlgemerkt reine Spekulation! – die Folgen mangelhafter Persönlicher Schutzausrüstung darstellen. So hatte die EU-Kommission erst am Dienstag mitgeteilt, dass seit Beginn des Coronavirus-Ausbruchs bis zum 1. Juli in ihrem Schnellwarnsystem RAPEX bereits 63 Warnmeldungen zu Gesichtsmasken sowie je drei Warnmeldungen zu Schutzanzügen, Handdesinfektionsmitteln und UV-Lampen („tragbare UV-Sterilisatoren“) registriert worden seien. In Deutschland wurde in mehreren Regionen moniert, die PSA-Ausstattung sei teils defizitär.

Vieles bleibt offen

Was die Zahl der 5762 bestätigten Fälle von COVID-19 als anerkannter Berufskrankheit indes nicht zeigt, ist ein klares Abbild des tatsächlichen Infektionsgeschehens bei den Angehörigen des Gesundheitswesens. So kann die DGUV keine Angaben zu der Zahl der gestellten Verdachtsanzeigen auf COVID-19 als Berufskrankheit machen. Eine Aussage zur Anerkennungsquote lässt sich damit nicht treffen.

Zudem steht die Frage im Raum, ob überhaupt alle konkret betroffenen Infizierten, bei denen eine Verdachtsanzeige gerechtfertigt wäre, von dieser Option wissen – und wenn ja, von ihr Gebrauch machen würden.

Des Weiteren sagt die Zahl derzeit noch nichts über die Langzeitfolgen der COVID-19-Erkrankung für die betroffenen Gesundheitsberufler aus. Sie dürften sich noch in der Behandlungs- und Rehabilitationsphase befinden, nach der ein Wiedereinstieg in den Beruf nicht ausgeschlossen ist. Über COVID-19-bezogene Rentenansprüche aufgrund der BK-Nr. 3101 kann also ebenfalls nur spekuliert werden.

Auf jeden Fall liegen derzeit aber mindestens 5762 gute Gründe dafür vor, dass Anhänger von Verschwörungstheorien in den Reihen der Gesundheitsberufler – zumindest für einen Moment – ihre Sicht auf die Dinge im Allgemeinen und die Corona-Pandemie im Speziellen auf den wissenschaftlichen Prüfstand stellen sollten.

Schreiben Sie dem Autor: matthias.wallenfels@springer.com

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