E-Health-Gesetz
"Ein Schritt in die richtige Richtung, aber ..."
Das für 2016 geplante E-Health-Gesetz ist noch nicht der große Wurf. Kritik hagelt es von allen Seiten. Und doch sind die meisten Akteure froh, dass die Politik bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens endlich das Tempo erhöht.
Veröffentlicht:BERLIN. Wird mit dem E-Health-Gesetz an den richtigen Stellschrauben gedreht? Dieser Frage widmete sich die "Telemed 2015", ein zweitägiges Forum für Gesundheitstelematik und Telemedizin vor Kurzem in Berlin.
Sieben Vertreter aus dem Gesundheitsministerium, aus Verbänden, Industrie und Forschung gaben ihre Einschätzung zu dieser Frage ab. Einig waren sie sich immerhin bei der Wahl ihrer Einleitungssätze: "Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber …"
Naturgemäß lobend äußert sich Norbert Paland vom Bundesgesundheitsministerium über den Kabinettsentwurf zum E-Health-Gesetz.
Er beseitige mit Hilfe der vorgesehenen Fristen und Sanktionen die bisher bestehenden Realisierungsdefizite, um die Anwendungen für den Versichertenstammdatendienst, die Kommunikation unter den Leistungserbringern und den Notfalldatensatz voranzubringen. "Sonst ist zu befürchten, dass die Beteiligten in letzter Sekunde auseinanderlaufen", so Paland.
Termine wichtiger als Qualität?
Die im Gesetz vorgesehenen Umsetzungsfristen sorgten zwar für Verbindlichkeit und Planbarkeit, so Norbert Butz von der Bundesärztekammer. Zusammen mit den Sanktionen liege der Fokus aber nur noch auf den Terminen, "nicht mehr auf Qualität oder Wirtschaftlichkeit".
Butz moniert, dass eine E-Health-Strategie in Deutschland immer noch fehle. "Wir wissen nicht, wohin wir wollen. Wollen wir mehr Qualität, wollen wir wirtschaftlicher sein, wollen wir Patienten länger in ihrer häuslichen Umgebung lassen?" Ebenso vermisst Butz eine Ausrichtung nach Versorgungszielen.
Vieles sei gut an dem Kabinettsentwurf, sogar die Sanktionen gingen in die richtige Richtung, sagt Rainer Höfer vom GKV-Spitzenverband. Er fordert aber, die Sanktionen "verursachergerecht" zu verteilen und nicht nur GKV, KBV und KZBV mit Haushaltskürzungen bei Fristüberschreitungen zu belegen.
"Aber diese drei sind wahrscheinlich griffig fürs Gesundheitsministerium, die anderen nicht."
So sei zu erwarten, dass die vorgesehenen Prüfungen der Anwendungen durch das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik Zeit kosten werde, "das sollten wir nicht vergessen". Zudem versäume der Gesetzentwurf, die Stimmenanteile in der gematik an die Finanzierungsanteile anzupassen.
Jan Neuhaus von der Deutschen Krankenhausgesellschaft kritisiert, dass es für die Finanzierung von Telemedizin nach wie vor keine Lösungen gebe.
Insgesamt wertete Neuhaus den Effekt des geplanten E-Health-Gesetzes auf Kliniken als "eher demotivierend". Ekkehard Mittelstaedt vom Bundesverband Gesundheits-IT bemängelt, dass die "Papiergebundenheit von Formularen" durch das Gesetz nicht beendet wird.
Über den Tellerand blicken
"Es steht nicht drin, dass alles nur noch elektronisch versandt werden muss." Wären alle Leistungserbringer zur Nutzung von Telematikinfrastruktur verpflichtet, würde automatisch eine Nachfrage nach E-Health-Lösungen entstehen, alle Daten müssten dann interoperabel sein. "Dann bräuchten wir überhaupt kein Interoperabilitätsverzeichnis", so Mittelstaedt.
Arno Elmer, bis Ende Juni noch Chef der gematik, hält es für "überfällig" nachzuschauen, was es in anderen Ländern schon an Anwendungen gibt, "die bewiesen haben, dass sie den Patienten etwas bringen", und diese mit der Telematikinfrastruktur zusammenzubringen.