Organspende

Manche Patienten brauchen nur einen kleinen Schubser

Durch offensive Patienten-Ansprache, die demnächst auch finanziell gefördert werden soll, kann die Organspendebereitschaft in der Hausarztpraxis spürbar erhöht werden. Hausarzt Dr. Michael Haberland aus Ottobeuren hat das anhand eigener Patienten nachgewiesen.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Haben Sie schon einen im Portemonnaie? Wer seine Patienten aktiv anspricht, kann viele Patienten dazu bewegen, sich einen Organspendeausweis zuzulegen.

Haben Sie schon einen im Portemonnaie? Wer seine Patienten aktiv anspricht, kann viele Patienten dazu bewegen, sich einen Organspendeausweis zuzulegen.

© Andreas Franke / picture alliance

Ottobeuren. Durch hausärztliche Beratung und über einen einfach gestrickten, bis zu sechs Fragen umfassenden Fragebogen kann die Organspendebereitschaft deutlich gesteigert werden. Dies ist das Ergebnis einer Erhebung in einer Hausarztpraxis in Ottobeuren im bayerischen Allgäu, in die in den ersten beiden Quartalen 2018 insgesamt 726 Patienten (92 Prozent aller angesprochenen Patienten) zwischen 16 und 65 Jahre einbezogen wurden. Die Resultate wurden jetzt in der Zeitschrift für Allgemeinmedizin (ZFA 1/2020) veröffentlicht: Innerhalb eines halben Jahres konnte der Anteil der Patienten mit Organspendeausweis annähernd verdoppelt werden.

Anreiz ohne Zwang oder wirtschaftlichen Vorteil

Methodisch bediente sich der Hausarzt Dr. Michael Haberland der in der Verhaltensökonomie „Nudging“ getauften Strategie, Menschen ohne Zwang oder ökonomische Anreize, nur durch Anregung, dazu zu bringen, eine als richtig definierte Entscheidung zu trefffen – in diesem Fall also pro Organspende. Dazu entwickelte Haberland einen Fragebogen, der Patienten ausgehändigt wurde und folgende Fragen enthielt, die dann direkt beim darauffolgenden Arztgespräch besprochen wurden:

  • Haben Sie einen Organspendeausweis?
  • Wie stehen Sie zur Organspende?
  • Hätten Sie von uns gerne mehr Informationen und eine ergebnisoffene Beratung zur Organspende?
  • Sollen wir Ihnen heute einen Organspendeausweis ausfüllen?

„Glauben Sie, Ihr Hausarzt hat einen Organspendeausweis?“

Patienten, die in der Praxis dauerhaft versorgt werden, wurden noch zusätzlich gefragt, ob Sie als sich eine Organspende wünschen würden, wenn sie selbst oder ihr Kind darauf angewiesen wären (Zustimmungsquote 94 Prozent) und ob sie glauben, dass auch ihr Hausarzt über einen Organspendeausweis verfügt. 96 Prozent antworteten hier mit Ja.

Der Output dieser Intervention war verblüffend. Hier die wichtigsten Kennzahlen und Entwicklungen:

  • Nur 29 Prozent der angesprochenen Patienten verfügten zu Projektbeginn über einen Organspendeausweis. Am Ende des Projekts waren es 52 Prozent.
  • 46 Prozent der Patienten nahmen das Angebot, in der Hausarztpraxis ergebnisoffen Informationen zur Organspende zu erhalten, tatsächlich an.
  • Ein Drittel der angesprochenen Patienten ohne Ausweis willigte in die Ausstellung eines Organspendeausweises ein, zwei Drittel lehnten dies weiterhin ab.

Das Nudging spielt dabei die entscheidende Rolle. Die Erfolgsquote lag hier bei 38 Prozent, wogegen nur 19 Prozent der Patienten ohne Fragebogen-Vorlage bereit waren, in der Praxis einen Organspendeausweis auszufüllen.

Die Erkenntnisse aus dieser Praxisstudie korrelieren mit den Ergebnissen einer randomisierten Studie („nudge unit“) der britischen Regierung, die sich ebenfalls eine höhere Organspendebereitschaft zum Ziel gesetzt hatte (Trials 2018; 19; 513).

Mehr als eine Million Besucher einer britischen Internetseite, die zum Erneuern von Führerscheinen und Ausfüllen von Steuererklärungen benutzt wird, wurden dabei stets aufgefordert, sich als Organspender registrieren zu lassen und über das Procedere und die Notwendigkeit von Organspenden informiert. Ergebnis: Diese Intervention führte zu 100.000 mehr registrierten Organspendern – und das in jedem Jahr.

Entscheidungslösung bringt Hausärzten zusätzliches Honorar

Die von Haberland getestete Variante der offensiven Ansprache von Patienten, spielt auch eine Rolle in der vom Bundestag jüngst beschlossenen Entscheidungslösung für die Organspende. Demnach sollen Hausärzte Patienten zur Organ- und Gewebespende regelhaft, sprich alle zwei Jahre, ergebnisoffen beraten.

Die dafür aufgewendete Zeit soll ihnen gesondert vergütet werden – näheres muss die Selbstverwaltung jetzt entscheiden. Zudem soll Organspende stärker in der ärztlichen Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden. (Mitarbeit: ger)

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