Ein Lob auf das Landleben
Mein Ausweg aus dem Hamsterrad
Jana Draffehn ist Ärztin in Weiterbildung und will eine Hausarztpraxis in Hermsdorf (Sachsen-Anhalt) übernehmen. Das Leben als Landärztin ist für sie ein Traumjob mit vielen Vorteilen – ein Klinik-MVZ dagegen der Tod der guten Patientenversorgung.
Veröffentlicht:MAGDEBURG. "Nach der Geburt meines ersten Kindes habe ich mich schon gefragt, ob die vielen Dienste im Krankenhaus mein Leben bestimmen sollen und wie ich überhaupt alles unter einen Hut kriegen kann", sagt Jana Draffehn.
Die junge Frau approbierte 2012 an der Uni Magdeburg und begann anschließend eine Weiterbildung zur Internistin, doch sie fühlte sich schnell im sprichwörtlichen Hamsterrad gefangen.
Idylle pur?
Doch dann traf sie Antje Weichard, Hausärztin und Diabetologin. Die Allgemeinmedizinerin hatte sich 1999 in Hermsdorf (Börde) niedergelassen. "Als mir der Schwiegervater von Jana, ein Patient, erzählte, dass seine Schwiegertochter Ärztin ist und – wie er – in Hermsdorf wohnt, habe ich sie angesprochen", erinnert sich Antje Weichard.
Jana Draffehn und ihr Mann haben sich hier vor zwei Jahren ein Haus gekauft und genießen das ruhige Landleben. Der Ort bietet alles, was die Drei, bald Vier, brauchen: Das große Einkaufscenter ist zu Fuß zu erreichen, die Kita ist in der Nähe, zwischen dem Haus der Draffehns und der Praxis liegen etwa 500 Meter, die Landeshauptstadt ist nur wenige Autominuten entfernt – Vorteile des Landarztdaseins.
"Jetzt wird im Ort eine neue Schule gebaut und demnächst soll unweit der Arztpraxis eine Anlage für betreutes Wohnen entstehen – um genügend Arbeit muss ich mir wohl keine Sorgen machen", sagt die junge Ärztin.
Bis zu ihrem Mutterschaftsurlaub im August wird die angehende Ärztin vornehmlich in Hermsdorf praktizieren. Hier hat sie schon einen guten Draht zu den Patienten und auch zu Arzthelferin Jeanette Voigt.
"Die Praxis gefällt mir, groß, modern, behindertengerecht", freut sich Draffehn. "Ich bin Frau Weichard dankbar, dass sie die Praxis so lange behalten will, bis ich sie übernehmen kann – obwohl ihre drei Praxen eine zunehmende Belastung für sie sind."
Diabetologin Weichard betreibt neben der Praxis in Hermsdorf gemeinsam mit einer Kollegin eine diabetologische Schwerpunktpraxis in Haldensleben und eine weitere in Magdeburg.
Hilfe aus dem Strukturfonds
Wie es in den nächsten Monaten und Jahren weitergeht, hat die künftige Hausärztin sich bereits genau überlegt. "Wenn ich wiederkomme, bleibt noch ein Jahr bis zum Abschluss der Weiterbildung, sechs Monate davon in der Chirurgie."
Gemeinsam mit Antje Weichard will Jana Draffehn bis dahin auch alle Formalitäten für die Praxisübergabe in trockenen Tüchern haben. "Der Bürgermeister ist begeistert und will Jana Draffehn unterstützen. Zudem hat die KV Sachsen-Anhalt den Zuschuss in Höhe von 60.000 Euro für die Praxisübernahme bereits zugesichert, da Hermsdorf zu den bedroht unterversorgten Gebieten gehört."
Antje Weichard war in den vergangenen Monaten schon aktiv, um ihrer Nachfolgerin das Feld zu bereiten. "Hermsdorf war meine erste Praxis, mein Kind. Ich möchte, dass meine Patienten auch künftig gut versorgt werden. Dafür kann ich schon mal ein bisschen Mutter spielen."
Klink-MVZ als Tod des freien Arztberufs?
Aber die Diabetologin hat noch einen anderen Grund: "Mir stehen die Haare zu Berge, wenn ich in den KVSA-Ankündigungen über Praxiseröffnungen immer ,Klinik-MVZ‘ lesen muss. So stirbt der freie Arztberuf allmählich aus und aus meiner Sicht auch die gute, patientenorientierte Versorgung. Wenn wir das nicht wollen, müssen wir etwas tun."
Und Antje Weichard tut etwas: Sie vermittelt angehenden Hausärzten und Diabetologen das Handwerk und die Liebe zum Beruf, sie ist aktiv in der Weiterbildungs- und Prüfungskommission der Ärztekammer und sie hat eine Tochter, die in ihre Fußstapfen treten will. "Im nächsten Jahr wird sie meine sechste Weiterbildungsassistentin."
Kleiner Wermutstropfen
Jana Draffehn wird dann ihr letztes Weiterbildungsjahr in Angriff nehmen, ehe die Hausärztin ihre neue und doch so vertraute Praxis übernimmt. "Ich hätte es nicht besser treffen können: Traumberuf, Selbstständigkeit und mir bleibt genügend Zeit für meine Familie, die Kinder."
Kleiner Wermutstropfen sind vielleicht die Bereitschaftsdienste. "Aber einmal im Monat sind auch die zu verkraften. Ich kann wirklich sagen, ich bin sehr glücklich."
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