Diabetes-Meilenstein
Künstliches Pankreas punktet im Alltag
Ein „closed loop“ aus sensorgestützter Glukosemessung und Insulinpumpe kann die Stoffwechseleinstellung bei Typ-1-Diabetes deutlich verbessern. Das zeigt eine öffentlich geförderte US-Studie.
Veröffentlicht:Charlottesville. Die kontinuierliche Glukosemessung (CGM) mit einem Sensor hat die Insulintherapie revolutioniert und in Verbindung mit einer Pumpe ein künstliches Pankreas ermöglicht. Dabei drosselt oder steigert die Pumpe anhand der Echtzeit-Glukosewerte automatisch die Insulinabgabe. Dass solche Systeme bereits im Alltag sicher und sehr wirksam sind, zeigt eine von den US-National Institutes of Health geförderte Studie (NEJM 2019; 381: 1707).
An der Untersuchung nahmen 168 Typ-1-Diabetiker im Alter von 14 bis 71 Jahre teil (HbA1c 5,4 bis 10,6 Prozent). Verwendet wurde das von Forschern der Universität Virginia mitentwickelte System „Tandem Control IQ“. Das Hybrid-System passt nur die Insulin-Basalrate automatisch an. Zu den Mahlzeiten müssen die Patienten weiter selbst die Kohlenhydrate abschätzen und die Daten der zur Kompensation erforderlichen Insulinmenge in die Pumpe eingeben.
Automatisch wird mit dem System aber vor allem auch die nächtliche Insulinabgabe gesteuert, mit dem Ziel nahezu normnaher morgendlicher Nüchternwerte. Der verwendete Algorithmus ist dabei vor allem auch auf die Hypoglykämie-Sicherheit ausgelegt.
Deutliche bessere Glukose-Werte nach sechs Monaten
Erster „closed loop“ bei uns erhältlich
- Medtronic hat das „Hybrid closed loop“ System MiniMed™ 670G im September in Deutschland auf den Markt gebracht.
- Der GKV-Spitzenverband hat das System ins Hilfsmittelverzeichnis und damit in die Regelerstattung aufgenommmen.
- Weitere Informationen www.medtronic.com
In der Studie über sechs Monate wurden zwei Drittel der Typ-1-Patienten randomisiert ausgewählt und mit dem „closed-loop“-System behandelt. Ein Drittel der Patienten diente als Kontrollgruppe. Diese verwendeten zur Therapie eine Pumpe und passten selbst den Insulinbolus anhand von CGM-Werten an (sensor-augmented pump).
Die Therapiequalität wurde vor allem anhand der „time in range“ (TIR) beurteilt. Diese gibt den Anteil der Zeit im Tagesverlauf an, in der die Glukosewerte im gewünschten Bereich von 70 bis 180 mg/dl liegen.
Ergebnis: Die TIR-Werte lagen zu Beginn der Studie im Schnitt bei 61 (Verumgruppe) und 59 Prozent (Kontrollgruppe), berichten die Forscher um Dr. Kovatchev von der Universität in Virginia. Binnen sechs Monaten Therapie mit dem künstlichen Pankreas stiegen die Werte in der Verumgruppe im Schnitt um zehn Prozentpunkte auf 71 Prozent, in der Kontrollgruppe blieben sie weitgehend unverändert.
Und auch bei anderen Parametern wie Reduktion von HbA1c sowie von Hyper- und Hypoglykämiezeiten habe sich ein signifikanter Nutzen zugunsten des „closed loop“ ergeben.
„Die Ergebnisse sind eindrucksvoll und klinisch relevant“, betont die Diabetologin Dr. Daniela Bruttomesso von der Universität Padua in einem Kommentar (NEJM 2019; online 16. Oktober). Eine zehnprozentige TIR-Steigerung verringere nach Studiendaten die Risiken für eine Retinopathie-Progression um 64 Prozent und für eine Mikroalbuminurie um 40 Prozent.