Ist Impfskepsis ansteckend?

Lückenhafter Masernschutz im Süden

Impfquoten unter der Lupe: Eine Studie zeigt einen signifikanten Zusammenhang unter Quoten von Nachbar-Landkreisen. Negativ fallen dabei vor allem Bayern und Baden-Württemberg auf.

Florian StaeckVon Florian Staeck und Jana Kötter Veröffentlicht:
Vor allem im Süden Deutschlands liegen die Impfquoten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Vor allem im Süden Deutschlands liegen die Impfquoten deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

© Zi

BERLIN. Wer impfkritisch ist, der findet in seiner Nachbarschaft häufig ebenfalls Impfmuffel. Für diese Annahme haben Wissenschaftler am Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) Belege gefunden. Sie haben dafür den räumlichen Zusammenhang zwischen den Impfquoten der Masern- und Meningokokken-C-Impfungen in 399 Kreisen in Deutschland untersucht.

Die beiden Impfungen eigneten sich gut für die Forschungsfrage, da sich die Impfzeiträume überschneiden: Analysiert wurde die erste Masernimpfung vom neunten Lebensmonat bis Ende des zweiten Lebensjahres und die Meningokokken-Impfung vom 13. bis 24. Lebensmonat. Datenbasis sind kassenärztliche Abrechnungsdaten der Jahre 2009 bis 2012 gewesen.

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Das Forscherteam um Benjamin Goffrier konnte einen signifikanten Zusammenhang zwischen den beiden Impfquoten auf Kreisebene belegen: Insbesondere im Süden Bayerns und Baden-Württemberg existiert demnach eine zusammenhängende Region von 31 Kreisen, in der beide Impfquoten deutlich niedriger sind als im übrigen Bundesgebiet. Ausgenommen davon ist nur der Großraum München. Nachbarschaftseffekte in umgekehrter Richtung, in denen beide Impfquoten hoch ausfielen, fanden die Wissenschaftler nur in kleinräumigen Regionen, so etwa zwischen Hannover und Wolfsburg, in der Region um Dessau sowie an der Müritz in Mecklenburg-Vorpommern.

Auffällig ist zudem, dass die Regionen mit den höchsten Impfquoten auch diejenigen mit der höchsten Arbeitslosigkeit und den anteilig höchsten Quoten an "Hartz IV"-Empfängern sind. Für die Region der Impfskeptiker im Süden gilt das glatte Gegenteil. Die Zi-Forscher empfehlen, es seien gezielte lokale Strategien nötig, um impfkritische Eltern und Ärzte anzusprechen.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) beobachtet die "immer noch zu großen" Impflücken genau. Auf Anfrage der "Ärzte Zeitung" erinnert er an getroffene Maßnahmen. Seit Inkrafttreten des Präventionsgesetzes Mitte 2015 müssen Eltern beim Eintritt ihrer Kinder in eine Kita etwa einen Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorlegen. Wird dies versäumt, sind die Kitas durch eine jüngst vom Bundestag verabschiedete Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes (wir berichteten) verpflichtet, beratungsresistente Eltern an die Gesundheitsämter zu melden. Ihnen drohen Bußgelder von bis zu 2500 Euro.

Gleichzeitig appelliert Gröhe an die Ärzte. "Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung der Ärzteschaft, Schulen, Kitas, der Betriebe und natürlich auch der Familien, damit Masern in Deutschland der Vergangenheit angehören", sagt er. "Denn alle tragen gemeinsam Verantwortung dafür, die Masern auszurotten."

Impfschutz im Präventionsgesetz

- Impfberatung bei allen Routineuntersuchungen für Erwachsene und Kinder

- Verpflichtende Impfberatung vor dem Kita-Eintritt

- Möglichkeit des Ausschlusses von ungeimpften Kindern vom Besuch einer Kita bei einem Ausbruch; darüber hinaus können ungeimpfte Bewerber in Gesundheitseinrichtungen abgelehnt oder kann Personal versetzt werden

- Klarstellung, dass alle Ärzte impfen sollen, auch Betriebsärzte

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Kommentare
Kerstin Sommer 07.07.201712:25 Uhr

Wo ist ein Bezug im Vergleich zu Erkrankungen?

Ist da etwas valide belegbar?

Karlheinz Bayer 07.07.201708:24 Uhr

wer impfkritisch ist findet Impfmuffel ... ist das noch eine seriöse Aussage?


Wer Impfbefürworter ist, findet rasch Impflemminge - kein Impfkritiker käme auf die Idee, die Impffanatiker derart zu bezeichnen. Was diese Studie einmal genauer beleuchten sollte, wäre nicht der Zusammenhang von Harth-IV-Empfang und hoher Impfbereitschaft, sondern z.B. der zusammenhang mit der aggressiven Impgfbewerbung und der Impfgegnerschaft. Dieselben süddeutsche Kreise, die sich durch eine niedrige Impfquote auszeichnen, werden seit Jahren als FSME-Endemiegebiete beleidigt und überzogen mit grotesker Bewerbung der FSME-Impfung.
Aber zurück zu Hartz IV und Arbeitslosigkeit als angebliche Kriterien.
Können solche Überlegungen zu "gezielten Strategien" führen, um mehr Menschen zum Impfen zu bewegen?
Der Anteil an Hartz IV-Impfängern unter uns Ärzten ist minimal. Folglich muß nach der Logik der Studie der Anteil der Impfkritiker unter Ärzten einen Spitzenwert erreichen.
Also, was kann man tun, um den Bevölkerungsanteil der studierten Mediziner zu überzeugen?
Nun, ganz einfach, man muß überzeugen.
Statt Impfkritiker als Muffel zu bezeichnen, wäre es sinnvoll tatsächlich in die Diskussion einzutreten. Argumente lassen sich durch Sachlichkeit ausräumen, nicht durch Polemik und dumpfe Statistik.
Apropos Statistik: in den Landkreisen mit den Impfkritikern und der hohen Beschäftigung und großen Bildung hat auch die Zahl der Geburten zugenommen. Und, wen wunderts, die Zahl der Nistplätze von Störchen.
Alles hängt doch wohl irgendwie miteinander zusammen.
Dr.Karlheinz Bayer
BaD pETERSTAL

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