COVID-19-Splitter der KW 43
Tocilizumab bei COVID-19: Nutzen unklar
Ja, Nein, Vielleicht? Die Daten zu Tocilizumab als Therapieoption bei COVID-19 bleiben nach drei weiteren Studien widersprüchlich. Damit geht die Suche nach möglichen Arzneien weiter – erst kürzlich hatte es in Bezug auf Remdesivir ernüchternde Daten gegeben.
Veröffentlicht:Update vom 23. Oktober
Der Nutzen von Tocilizumab bei der Behandlung von COVID-19 bleibt unklar. Der IL-6-Inhibitor soll eine mögliche überschießende Immunreaktion, den „Zytokinsturm“, abschwächen. Drei aktuell publizierte Studien kommen nun zu unterschiedlichen Aussagen. So fand eine kontrollierte Studie keinen Hinweis auf eine Verbesserung der Prognose bei hospitalisierten, moderat erkrankten COVID-19-Patienten (NEJM, online 21. Oktober). So mussten bis zum Tag 28 in der Tocilizumab-Gruppe 10,6 Prozent der Patienten mechanisch beatmet werden bzw. waren gestorben, in der Placebo-Gruppe waren es 12,5 Prozent. Eine weitere Studie mit 130 Patienten mit einer moderaten bis schweren COVID-19-Pneumonie ergab, dass unter Tocilizumab zwar weniger Patienten beatmet werden mussten (noninvasiv wie auch per Intubation) oder innerhalb von 14 Tagen starben. Die 28-Tages-Mortalität unterschied sich im Vergleich mit Standardtherapie allerdings nicht signifikant (JAMA Intern Med 2020; online 20. Oktober). Eine dritte Studie mit intensivmedizinisch versorgten Patienten ergab wiederum, dass bei früher Gabe von Tocilizumab innerhalb der ersten zwei Tage nach Einlieferung das Risiko, noch in der Klinik zu sterben, unter Tocilizumab geringer war. Die 30-Tage-Mortalität betrug hier 27,5 Prozent versus 37,1 Prozent bei Patienten, die kein Tocilizumab erhalten hatten (JAMA Intern Med; online 20. Oktober).
Update vom 22. Oktober
Menschen mit Down-Syndrom haben ein zehnfach höheres Risiko, an COVID-19 zu sterben, als Menschen ohne Down-Syndrom. Auch das Risiko schwerer Verläufe mit Hospitalisierung bei einer SARS-CoV-2-Infektion ist deutlich höher, und zwar viermal so hoch. Das berichten Forscher, die Angaben der „QResearch“ Datenbank zu 8,3 Millionen Erwachsenen aus dem Vereinigten Königreich untersucht haben, darunter 4053 Menschen mit Trisomie 21. Verwunderlich sind die Ergebnisse nicht, leiden doch viele Menschen mit Down-Syndrom an angeborenen Herzfehlern oder einem eingeschränkten Immunsystem. Es sei daher wichtig, auf diese besonders vulnerable Gruppe zu achten, betonen die Forscher. Bisher sei das Down-Syndrom allerdings weder in Großbritannien noch von der US-Behörde CDC als Risikofaktor für schwere oder tödliche COVID-19-Verläufe gelistet (Ann Intern Med 2020; online 21. Oktober).
Update vom 21. Oktober
Einen weiteren „Türöffner“ für SARS-CoV-2 haben Forscher unter deutsch-finnischer Leitung entdeckt. Offenbar erleichtert das Protein Neuropilin-1 die Bindung des viralen Spike-Proteins an den ACE2-Rezeptor der Wirtszelle. In Zellkultur-Versuchen konnte durch die spezifische Blockierung von Neuropilin-1 durch Antikörper eine Infektion mit SARS-CoV-2 unterdrückt werden. „Wenn man sich ACE2 als Eintrittstür in die Zelle vorstellt, dann könnte Neuropilin-1 ein Faktor sein, der das Virus zur Tür lenkt. ACE2 wird in den meisten Zellen in sehr geringen Mengen exprimiert. Daher ist es für das Virus nicht leicht, Türen zum Eindringen zu finden. Andere Faktoren wie Neuropilin-1 scheinen notwendig zu sein, um dem Virus zu helfen“, wird Studienleiter und Letztautor Professor Mikael Simons vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in einer Mitteilung des Zentrums anlässlich der Publikation zitiert. Als weiteres Indiz für ihre Theorie werten die Wissenschaftler die Tatsache, dass sie in Gewebeproben gestorbener COVID-19-Patienten SARS-CoV-2 in Körperzellen nachweisen konnten, die Neuropilin-1 auf ihrer Oberfläche exprimierten (Science 2020; online 20. Oktober).
Update vom 20. Oktober
Mundspülungen und orale Antiseptika könnten die Viruslast von humanen Coronaviren im Rachenraum verringern und nach einer Infektion eine Weiterverbreitung der Viren verhindern, berichten Forscher des Penn State College of Medicine. In ihrer Studie mit humanen Zellkulturen untersuchten sie zwar nicht spezifisch SARS-CoV-2, sondern stellvertretend für alle humanen Coronaviren das Virus „HCoV-229e“. Die Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass ihre Erkenntnisse auch auf SARS-CoV-2 übertragbar sind. Im Ergebnis reduzierten die meisten der neun untersuchten Mundspülungen, die jeweils unterschiedliche Inhaltsstoffe in verschiedenen Konzentrationen enthielten, die Viruslast um wenigstens 90 Prozent, wenn eine Minute oder länger der Mund gespült wurde, schreiben Dr. Craig Meyers und seine Kollegen (J Med Virol 2020; online 17. Oktober).
Update vom 19. Oktober
Der Zytokin-Sturm, der bei einigen Patienten mit schwerem COVID-19-Verlauf auftritt, unterscheidet sich deutlich von Zytokin-Stürmen bei anderen Erkrankungen, etwa bei Sepsis, dem Acute Respiratory Distress Syndrome (ARDS) oder dem Zytokin-Freisetzungssyndrom. Das berichten Wissenschaftler vom General Hospital in Boston. Sie haben in einer Metaanalyse unter anderem festgestellt, dass die Konzentration von Interleukin-6 (IL-6) bei den genannten Erkrankungen deutlich höher liegt als bei COVID-19: Bei Patienten mit Zytokin-Freisetzungssyndrom lag die IL-6-Konzentration im Schnitt 100-mal höher als bei COVID-19-Patienten, bei Sepsis-Patienten 27-mal so hoch und bei ARDS-Patienten 12-mal so hoch. Im Gegensatz dazu lagen die Konzentrationen von D-Dimer, C-reaktivem Protein und Ferritin bei COVID-19-Patienten häufig höher als bei Patienten mit Sepsis, ARDS oder dem Zytokin-Freisetzungssyndrom. Die Ergebnisse belegten ein bisher beispielloses „inflammatorisches Profil“ von COVID-19, schreiben die Forscher um Dr. Daniel Leisman (Lancet Resp Med 2020; online 16. September).
Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier.