Zustimmungs- statt Einspruchsgesetz?

Länder drohen, Lauterbachs Cannabis-Legalisierung im Bundesrat zu stoppen

Die Fachpolitiker der Länder reagieren mit Generalkritik auf die Ampel-Pläne zur Cannabis-Legalisierung. An kaum einem Paragrafen lassen sie ein gutes Haar. Sie drohen indirekt, das Werk gänzlich zu stoppen – mit offenem Ausgang.

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Eine junge Frau dreht sich mit Cannabis einen Joint.

Wer darf sich eine anstecken? In Sachen Cannabis-Legalisierung steigt wenigstens im Bundesrat noch lange kein weißer Rauch auf.

© Santiago Mazzarovich / dpa

Berlin. Mit deutlicher Kritik haben mehrerer Fachausschüsse des Bundesrat auf den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Cannabis-Legalisierung reagiert. Der Entwurf werde seinem „Anspruch (...) nicht in allen Teilen gerecht“, heißt es in einer Beschlussempfehlung für die Sitzung der Länderkammer am Freitag, den 29. September. Auf 89 Seiten formulieren die Ausschüsse für Gesundheit, Agrar, Jugend, Inneres, Recht und Umwelt zahlreiche Detailkritik (siehe unten).

Vor allem aber erachten sie mehrheitlich das Gesetz für zustimmungspflichtig. Die Kritik hatte diese Woche bereits Hamburg geäußert. Sollte sich diese Auffassung wider Erwarten durchsetzen, könnte die Legalisierung nicht in Kraft treten, wenn der Bundesrat nicht mit einer Mehrheit zustimmt. Dafür müsste der Bundestag wohl zunächst die zahlreichen Änderungswünsche berücksichtigen. Die Ampelkoalition betrachtet das Gesetz bislang als Einspruchsgesetz.

Die Länder argumentieren hingegen, dass sich die Zustimmungspflicht bereits durch die geplanten Änderungen in zahlreichen seinerzeit zustimmungspflichtigen Gesetzen ergebe, etwa dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), Arzneimittelgesetz (AMG), Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNichtrSchG) und dem zur Einführung des Strafgesetzbuches (EGStGB).

Einspruch oder Zustimmung?

Bei einem Einspruchsgesetz könnte der Bundesrat das Gesetz nicht ablehnen, sondern nur den Vermittlungsausschuss anrufen. Gibt es dort keine Einigung, kann die Länderkammer nach Artikel 77 des Grundgesetzes Einspruch gegen das Gesetz einlegen – mit absoluter oder Zwei-Drittel-Mehrheit. Der Bundestag hätte dann die Möglichkeit, den Einspruch mit jeweils der gleichen Mehrheit zurückzuweisen, womit das Gesetz beschlossen wäre.

Die Ampel-Koalition verfügt im Bundestag allerdings nur über 57 Prozent der Mandate. Auch die Stimmen der Linksfraktion würden nicht zur Zwei-Drittel-Mehrheit genügen. Union und AfD lehnen die Gesetzespläne ohnehin rundweg ab.

Zweifel von Juristen

Auch könnte der Bundespräsident, der Bundesgesetze formal prüft und unterfertigen muss, das Gesetz zurückweisen, wenn das Zustandekommen nach seiner Auffassung grundgesetzwidrig war. Auch eine anschließende Prüfung nach Inkrafttreten durch das Bundesverfassungsgericht ist denkbar.

Allerdings ist längst nicht ausgemacht, ob der Bundesrat sich am Freitag der Emfehlung seiner Ausschüsse anschließt. Laut der „Legal Tribune Online“ teilen Juristen die Zustimmungspflichtigkeit nicht. „Weil weder eine Verfassungsänderung notwendig ist noch im aktuellen Entwurf des CanG Vorschriften zu Steuern vorgesehen sind, dürfte eine Zustimmungsbedürftigkeit ausgeschlossen sein“, zitiert das Fachmedium den Juristen Peter Homberg.

Auch der Verfassungsrechtler Professor Alexander Thiele sieht danach im vorliegenden Entwurf „keine fundamentale Veränderung bisheriger zustimmungspflichtiger Gesetze“. Zudem heißt es in dem Bericht, dass die Bewertung der Zustimmungspflichtigkeit vom Innenausschuss des Bundesrat ausgegangen sein soll, der fachlich zuständige Rechtsausschuss teile diese Auffassung nicht.

Eine Auswahl der Länder-Kritik

Generell stoßen sich die Fachpolitiker der Länder an den zu erwartenden Kosten. Das Konsumcannabisgesetz werde „gravierende Kontroll- und Vollzugsaufgaben“ und „umfassende Präventions- und Interventionsaufgaben zur Folge haben“. Beides sei nur mit „erheblichen personellen Aufwand zu bewältigen“. Es sei „vollkommen unrealistisch, diese Kosten über Gebühren und Auslagen vollständig auf die Erlaubnisnehmer abwälzen zu können“.

Zudem monieren die Länder, dass die geplante Suchtprävention von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt werden soll. Dies gehe „zu Lasten anderer und vom Gesetzgeber priorisierter Präventionsbereiche“. Die Länder erwarten für die Prävention eine „alternative Finanzierung außerhalb“ der GKV.

Die Länder erwarten entgegen der Einschätzung der Bundesregierung ein deutlich höheres Interesse nach Konsumcannabis. Die Ampel geht von bundesweit 1.000 Anbauvereinigungen im ersten Jahr aus. Diese nicht-gewinnorientierten Vereine müssen den Plänen zufolge eine Erlaubnis bei der zuständigen Landesbehörde beantragen. Die Ausschüsse des Bundesrats schätzen, dass 1.000 „deutlich zu niedrig gegriffen sein dürfte“. Dementsprechend dürfte auch der Verwaltungsaufwand höher ausfallen.

Die Dauer der Erlaubnis für diese Vereinigung würden die Länder initial auf zwei Jahre befristen wollen, statt wie bisher geplant für sieben Jahre zu erteilen, was sie als „übermäßig lang bemessen“ bezeichnen. Bei einer Verlängerung empfehlen sie eine Befristung von „höchstens fünf“ Jahren.

Ziemlich deutlich fordern sie, dass „die Kontroll- und Vollzugsaufgaben für die Länder so geregelt werden, dass diese keinen zusätzlichen Personal- und Finanzbedarf erzeugen“. Einfach ausgedrückt: Entweder möge der Bund mit seinen Behörden kontrollieren, oder er stellt den Ländern die dafür nötigen Finanzmittel bereit.

Grundsätzlich, was einer gänzlichen Ablehnung des geplanten Konsumcannabisgesetzes (KCanG) gleichkommt, gehe es nicht nur um die hohen Verwaltungsaufwände, sondern: „Das Konstrukt der Anbauvereinigungen ist vielmehr generell abzulehnen.“

Mit Blick auf den Schutz von Kindern und Jugendlichen erwartet der Ausschuss für Familie und Jugend „ein strukturelles Vollzugsdefizit“ in den Gesetzesplänen. Für die geplanten „Schutzzonen“ für den Konsum von 200 Metern etwa zu Kitas oder Schulen wird die Wirkung „in der Praxis“ bezweifelt, ebenso die Kontrollmöglichkeiten in privaten Räumen.

Hier erwarten die Länder eine Schutzzone von mindestens 250 Metern und eine Ergänzung um „sonstige Orte, an denen sich Kinder und Jugendliche regelmäßig aufhalten“ sowie „Jugendhilfeeinrichtungen, psychiatrische oder suchtmedizinische Therapieeinrichtungen und Suchtberatungsstellen“. Das Konsumverbot in Fußgänzerzonen soll zudem von 7 bis 22 und nicht nur bis 20 Uhr gelten.

Für die Frühinterventionsprogramme, die eine zusätzlich Arbeit für die Jugendämter wären, fordern die Bundesratsausschüsse von der Bundesregierung, „die dafür erforderlichen Mittel bereitzustellen“.

Sorge bereitet den Innenpolitikern der Ländern, dass der Cannabis-Besitz und -Erwerb künftig unter anderem auch dann straffrei sein soll, wenn es auf dem Schwarzmarkt beschafft wurde. Auch stoßen sie sich daran, dass die Abgabe von Cannabis an Minderjährige kein Verbrechenstatbestand mehr sein soll.

Auch die Mengenbegrenzung von 25 Gramm erscheint den Ländern als „deutlich zu hoch“. Das gehe „weit über den Eigenbedarf hinaus“. Ebenso finden die Länder die Altersgrenze von 18 Jahren für die Freigabe von Cannabis zu niedrig und empfehlen das 21. Lebensjahr als Grenze. Anbauvereinigungen sollen nur an mindestens 25-Jährige abgeben dürfen, nicht wie vorgesehen schon an Personen ab dem 21. Lebensjahr.

Last but not least möchten die Fachausschüsse der Länderkammer, dass die Cannabis-Legalisierung, so sie kommt, nicht „am Tag nach der Verkündigung“ des Gesetzes in Kraft tritt, sondern am 1. Juli 2025. Die vielfältigen Auswirkungen seien von den Ländern und Kommunen „nicht annähernd“ so schnell umsetzbar. (nös)

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