Suizidbeihilfe
Neues Gesetz lässt viele Ärzte ratlos zurück
Nach kontroverser Debatte hat der Bundestag Ende 2015 die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe verboten. Für Ärzte bleiben viele Grauzonen.
Veröffentlicht:BERLIN. Ärzte und Pflegekräfte bewerten das Gesetz, mit dem geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe gestellt wird, sehr zwiespältig. Das geht aus einer Befragung von Teilnehmern eines Palliativkongresses im März 2016 hervor. Wenige Wochen zuvor war der neue Paragraf 217 StGB in Kraft getreten, der die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe unter Strafe stellt. Ausgenommen von der Strafandrohung sind nur Angehörige oder dem Sterbewilligen nahestehende Personen. Ärzte und Pflegekräfte werden hingegen im Gesetz nicht erwähnt.
Der Palliativmediziner Professor Michael Zenz von der Ruhruniversität Bochum hat mit Kollegen insgesamt 457 Fragebögen von Kongressteilnehmern ausgewertet. Darunter waren 138 Ärzte, von denen 125 über eine Zusatzweiterbildung in Palliativmedizin verfügten, sowie 318 Pflegekräfte. Die Ergebnisse sind kürzlich publiziert worden (Zenz et alii: Ärztlich assistierter Suizid, Deutsche Medizinische Wochenschrift 2017; 142: e28-e33) und geben erstmals Aufschluss darüber, wie das im Bundestag hoch umstrittene Gesetz in der Versorgungspraxis bewertet wird.
Befürchtet wurde in der parlamentarischen Beratung, dass auch ein Gespräch über die Möglichkeit der Selbsttötung unter bestimmten Voraussetzungen strafbar sein könnte. Denn der neue Paragraf 217 formuliert ein abstraktes Gefährdungsdelikt – bereits die Förderung des Sterbewunsches ist strafbar, ohne dass es tatsächlich zum Suizid kommen muss.
Doch eine unmittelbare Einschränkung ihrer Therapiefreiheit sehen die befragten Ärzte durch das Gesetz überwiegend nicht. 63 Prozent beantworten die Frage mit Nein (Pflegekräfte: 43,4 Prozent). Nur 11,6 Prozent der Ärzte werten das Gesetz als eindeutige Einschränkung (Pflegekräfte: 6,9 Prozent). Bei den Konsequenzen für die Rechtssicherheit sind sich die Befragten uneins: 36,5 Prozent der Ärzte sehen die Rechtssicherheit gestärkt, 27,5 Prozent gehen vom Gegenteil aus. 36,5 Prozent der Ärzte sehen sich nicht in der Lage, dies einzuschätzen. Pflegekräfte werten das Gesetz in dieser Hinsicht etwas positiver: 30,7 Prozent glauben, das Gesetz stärke die Rechtsklarheit, nur 17,2 Prozent vertreten die konträre Position.
Ähnlich heterogen ist der Befund bei den Antworten auf die Frage, ob das Gesetz klar erkennen lässt, welche Form der Suizidbeihilfe erlaubt ist und welche nicht. 49,3 Prozent der Ärzte antworten hier mit "ja" oder "eher ja". Eine fast gleich große Gruppe, 48,6 Prozent der Ärzte, vermag dem Gesetzeswortlaut "eher nicht" oder "bestimmt nicht" zu entnehmen, was erlaubt und was verboten ist. Die Autoren sehen eine "große Verunsicherung" bei Ärzten und Pflegekräften und fordern den Gesetzgeber zur raschen Nachbesserung auf, "damit das Gesetz nicht nur von einer Minderheit als sinnvoll angesehen wird".
Paragraf 217 StGB
» (1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
» (2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.