Bauchweh, Kopfschmerzen

Psychosomatische Störungen bei vielen Kindern

Weil es an Kinder- und Jugendpsychotherapeuten mangelt, landen Kinder mit psychosomatischen Erkrankungen häufig beim Pädiater oder Allgemeinmediziner.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Kind mit Bauchschmerzen beim Arzt: Pädiater diagnostizieren hier oft eine psychosomatische Störung.

Kind mit Bauchschmerzen beim Arzt: Pädiater diagnostizieren hier oft eine psychosomatische Störung.

© BSIP SA / Alamy / mauritius i

BERLIN. Psychische und psychosomatische Störungen und Auffälligkeiten treten mit hoher Konstanz seit Jahren bei jedem fünften Kind auf. Dennoch wächst der Behandlungsbedarf in der Praxis deutlich und kann derzeit nicht mehr gedeckt werden.

Auf diese Missstände haben Experten beim 48. Kinder- und Jugendärztetag 2018 des Berufsverbands der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ) in Berlin hingewiesen.

Die Gründe für diese Versorgungsmisere seien vielfältig. So stünden heute psychosomatische Krankheiten bei den Ärzten aber auch in der Öffentlichkeit weit stärker im Fokus als dies noch vor zehn Jahren der Fall gewesen sei.

Unkontrollierte Nutzung von Smartphones

Jedes vierte Kind im Alter zwischen drei und zehn Jahren leide an Bauchschmerzen und mehr als jedes dritte Mädchen und jeder fünfte Junge im Alter von 11 bis 17 Jahren an Kopfschmerzen. Diese seien häufig psychosomatisch bedingt, erklärte Kongressleiter Klaus-Michael Keller in Berlin.

Bei Kleinkindern rückten exzessives Schreien und Schlafprobleme immer mehr in den Fokus. 16 Prozent aller jüngeren Kinder sind nach Angaben des Münchner Sozialpädiaters Volker Mall bereits betroffen.

BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach sieht einen Grund für diese hohen Inzidenzen in Trennungen der Eltern. Diese kämen weit häufiger als früher vor und Kinder litten darunter am meisten.

Viele Eltern würden zudem zwischen Beruf und Erziehung aufgerieben. Auch das ginge an vielen Kindern nicht spurlos vorbei. Negativ auf die Gesundheit vieler Kinder wirkten sich auch die unkontrollierte Nutzung von Smartphone und PC sowie neue Formen der Gewalt wie etwa das Cybermobbing aus.

Da zudem in vielen Familien heute Entwicklungsanregungen fehlten, würden immer mehr Kinder mit psychosomatischen Erkrankungen in den Praxen der Kinder- und Jugendärzte landen.

Ärzte fehlen

Professor Klaus-Michael Keller wies zudem darauf hin, dass auch Lehrer nicht mehr in der Lage seien, die negativen gesellschaftlichen Entwicklungen auszugleichen.

 Verschärfend komme hinzu, dass Ärzte in der Aus- und Weiterbildung immer noch weit mehr Kenntnisse über somatische als über psychosomatische Krankheiten und Zusammenhänge vermittelt würden. Ärzte mit den entsprechenden Qualifikationen würden deshalb in großer Zahl fehlen.

So gelang es nur 21,6 Prozent der Kinder mit psychischen und psychosomatischen Beschwerden nach Ergebnissen der Bella-Studie (Befragung zum seelischen Wohlbefinden und Verhalten bei 7-17-jährigen) in den zurückliegenden 12 Monaten, einen Termin bei Spezialisten wie Kinder-und Jugend-Psychiatern oder Psychotherapeuten zu bekommen.

Auch hier müssten Pädiater und Allgemeinmediziner weit häufiger als früher die Behandlung übernehmen. Denn immerhin hätten sie in 88 Prozent aller Fälle einen Kontakt mit den betroffenen Kindern gehabt.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Hilferuf der Kinderärzte

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
BDI-Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck

© Rolf Schulten

Interview mit BDI-Chefin

Neumann-Grutzeck: „Wir dürfen uns durch die GOÄ nicht spalten lassen“