Weigeldt sagt Röslers Reform den Kampf an

Die Koalition lobt ihre Eckpunkte zur Gesundheitsreform. Der Deutsche Hausärzteverband dagegen fürchtet den Todesstoß für künftige Hausarztverträge, sollte die Vergütung auf Regelleistungsniveau begrenzt werden.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Bei künftigen Hausarztverträgen sollen die Honorare begrenzt werden.

Bei künftigen Hausarztverträgen sollen die Honorare begrenzt werden.

© KPA

BERLIN. Eigentlich hatte das Jahr für den Hausärzteverband gut angefangen. Noch in den ersten Monaten Regierungszeit der schwarz-gelben Koalition befanden sich die Hausarztverträge unter Bestandsschutz Zudem schien die Front der Ersatzkassen gegen die Hausarztverträge zu bröckeln. Mit der Techniker Krankenkasse hat sich die erste große Ersatzkasse freiwillig für einen Hausarztvertrag entschieden. Doch jetzt droht ein herber Rückschlag: Das Vergütungsniveau in der hausarztzentrierten Versorgung soll begrenzt werden - und zwar auf Regelleistungsniveau. Das sehen zumindest die Eckpunkte zur Gesundheitsreform vor, die Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler am Dienstag in Berlin vorgelegt hat.

Der Deutsche Hausärzteverband sieht nun die hausarztzentrierte Versorgung gefährdet. "Die Versicherten zahlen mehr und verlieren den wohnortnahen Hausarzt. Sie werden es sich nicht gefallen lassen, dass sie mit höheren Beiträgen abkassiert werden und zugleich die Qualität ihrer Versorgung geschleift wird", so Hausärzteverbands-Chef Ulrich Weigeldt.

Unter den Bedingungen des Kollektivvertrages sei es nicht möglich, den sich abzeichnenden Hausärztemangel zu beseitigen. "Röslers Plan, den Vertragswettbewerb durch die Selektivverträge zu beseitigen, wird die systematische Benachteiligung der Hausärzte im KV-System zementieren", warnte Weigeldt. Zudem belohne Rösler ausgerechnet die Krankenkassen, "die nicht mehr marktfähig sind und ein Gesetz zur Verbesserung der ambulanten Versorgung ignorieren".

Doch der Minister bleibt pragmatisch: Eine halbe Milliarde Euro will er im Jahr 2011 und nochmal eine Milliarde Euro im Folgejahr will er bei den Hausarztverträgen einsparen. Krankenkassen hätten vorab betont, dass die Verträge nach Paragraf 73 b SGB V im Durchschnitt eine um 20 Euro höhere Honorierung bedeuteten als in der Regelversorgung, so der Gesundheitsminister. Für Verträge, die bereits rechtsgültig abgeschlossen oder geschiedst seien, gelte Bestandsschutz. Weitere Details wurden aus dem Bundesgesundheitsministerium noch nicht bekannt. Vor allem blieb die Frage offen, mit welcher Rechtsgrundlage diese Entscheidung umgesetzt werden könnte. Vorgaben für die Landesebene seien möglich, hieß es.

Die Krankenkassen zeigen sich gelassen. Die DAK habe den Ansatz der Hausarztverträge immer kritisch gesehen, so DAK-Sprecher Jörg Bodanowitz. Die Vergütung der Hausarztverträge auf das Regelleistungsvolumen festzuschreiben sei "ein Schritt in die richtige Richtung". Allerdings gehe dieser nicht weit genug. Dem stimmte auch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KVH) zu: "Anstatt die Honorare zu begrenzen, wäre es sinnvoller gewesen, das Monopol des Hausärzteverbandes zu brechen", betonte KVH-Vorsitzender Dieter Bollmann. Das Hauptproblem sei der fehlende Wettbewerb, der es einer KV verbiete, alternative Verträge auszuhandeln. Eine Verbesserung der hausärztlichen Versorgung und Vergütung könne jetzt nur noch gemeinsam von Berufsverbänden und KV erreicht werden.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) will zunächst weitere Details der Reformpläne der Koalition abwarten. "Kollektiv- und Selektivverträge werden aber auf diese Weise miteinander vergleichbarer", sagte KBV-Sprecher Roland Stahl. Schließlich käme es bei der ärztlichen Versorgung auf die Qualität an und das sei Anreiz genug für Wettbewerb.

CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn betonte: "Es ist nicht das Ende der Hausarztverträge, aber sie wachsen nicht mehr in den Himmel."

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Kommentare
Maximilian Micka 08.07.201012:16 Uhr

Bösartige Kurzsichtigkeit

20 Euro mehr für die Hausärzte ist für unsere Politiker offensichtlich 20 Euro weniger in den Kassen des Gesundheitswesens. Eine bösartige Kurzsichtigkeit der (wahrscheinlich allsamt privatversicherten) Herren dort oben, trägt es doch nicht Rechnung der Tatsache, daß die qualitativ hochwertige hausärztliche Arbeit, die wir tagtäglich leisten übers Jahr Tausende von Euro einspart an unnötigen Untersuchungen, Behandlungen und Krankenhauseinweisungen. Ähnlich wie die Praxisgebühr bündeln die Hausarztverträge Patienten bei ihrem Hausarzt und verbessern die Führbarkeit der Patienten in der Praxis. Von diesem Geld ist natürlich nicht die Rede, das schieben sich die Kassenbonzen lieber selber ein und hacken auf den Leistungserbringern herum. So ist es doch eine sehr beliebte Strategie bei Einschnitten im Gesundheitswesen dem Hausarzt den schwarzen Peter zuzuschieben. Zuerst läßt man ihn die Patienten rekrutieren, was bisweilen zu erheblichen Schwierigkeiten in der Arzt-Patienten-Beziehung führt, unter der Vorgabe einer besseren finanziellen Stellung des Patienten, unter Vorgabe fadenscheiniger Vorteile aus Sicht des Patienten (wer von uns hat denn seine Patienten früher besser oder schlechter behandelt als er es jetzt mit HZV täte?). Dann läßt man die Geschichte kippen, dreht den Spieß wieder um und der Hausarzt ist wieder der Dumme, der nun seine Patienten erneut verprellen soll und die Nichtleistung der Krankenkassen entweder vertreten oder auf eigene Kosten tragen soll.
Es gäbe keine Qualitätsverbesserung in der hausärztlichen Versorgung, hört man immer wieder. Dieser Vorwurf ist Hohn und Beleidigung zugleich, besteht aus unserer Sicht doch auch keine langfristige Verbesserung in der Qualität der hausärztlichen Vergütung. Per Gesetz und Verpflichtuung möchte man hausärztliche Lämmer auf die Weide der ländlichen Versorgung schicken, jedoch sind die Wiesen abgegrast und jegliche Chance auf nachwachsende Nahrung kappt der Rasenmäher des Regelleistungsvolumens und trampeln rücksichtslose Schäfer (ja, liebe KVen und Kammern, damit seid Ihr gemeint) mit bodenloser Bürokratie nieder. Zugleich schimpft man diese Lämmer dann sie würden nicht fett werden und lieferten keine Wolle; ja von was denn?!
Noch nie in der Geschichte der Medizin haben Ärzte aller Klassen und Kassen soviel Augenmerk und Energie auf Qualitätssicherung und -verbesserung gelegt wie heute. Allein der Anspruch leitliniengerechte Medizin zu betreiben beweist dies. Wenn der Führung dieser Republik nichts an der Verbesserung dieses Zustandes liegt, braucht sich auch niemand mehr über die Folgen zu beschweren: Die nächste Wahl kommt bestimmt!

Im übrigen fordere ich alle Kollegen auf sich solidarisch für eine Abschaffung der KVen einzusetzen.

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