Corona-Splitter der KW 52/2021
Modifizierte T-Zellen schädigen wohl Endothelien bei schwerem Verlauf
Bei COVID-19-Erkrankten mit schwerem Verlauf sind offenbar veränderte T-Zellen vorhanden, die zytotoxisch wirken und Endothelien schädigen. Diese tragen auf ihrer Oberfläche ein Molekül, das normalerweise bei Natürlichen Killerzellen vorkommt. Außerdem: Die Vakzine von Johnson & Johnson ist offenbar auch gegen die Omikron-Variante wirksam.
Veröffentlicht:Update vom 4. Januar
COVID-19-Patienten mit einem schweren Verlauf haben offenbar veränderte T-Zellen, berichten Mediziner der Charité Berlin. Die T-Zellen tragen auf ihrer Oberfläche das Molekül CD16, das normalerweise auf Zellen des angeborenen Immunsystems wie den Natürlichen Killerzellen vorkommt, nicht jedoch auf T-Zellen, die ja zum erworbenen Immunsystem gehören. Diese CD16-positiven-T-Zellen sind durch die Veränderung deutlich aggressiver und wirken stark zytotoxisch auf Endothelien. Ursache der Modifikation der T-Zellen ist vermutlich das Komplementsystem, also mehr als 30 im Blutplasma gelöste Proteine, die an der Immunantwort beteiligt sind. Die Wissenschaftler hoffen, durch weitere Forschung Möglichkeiten zu identifizieren, wie schwere COVID-19-Verläufe minimiert werden können, indem das Komplementsystem gehemmt wird (Cell 2021; 28. Dezember).
Vakzine von Johnson & Johnson wohl effektiv gegen Omikron-Variante: Eine 85-prozentige Vakzin-Effektivität gegen eine Hospitalisierung mit COVID-19 ließ sich in Südafrika erzielen, wenn die Vakzine von Johnson & Johnson als Booster eines homologen Impfschemas verwendet wurde. In dieser Zeit (Mitte November bis Mitte Dezember 2021) war die Omikron-Variante dominant. Eine separate Analyse zur Verwendung eines heterologen Impfschemas (Grundimmunisierung mit Comirnaty®, Booster von Johnson & Johnson) kommt zu dem Ergebnis, dass die Vakzine mit einem 41-fachen Anstieg der neutralisierenden Antikörper vier Wochen nach Booster-Impfung und einem 5,5-fachen Anstieg von CD8+-T-Zellen gegen Omikron zwei Wochen nach Booster-Impfung assoziiert ist. Das sind vorläufige Preprint-Studienergebnisse einer Phase-IIIb-Studie aus Südafrika mit 227.000 Teilnehmern, teilt der Hersteller Johnson & Johnson mit (medRxiv 2021; online 29. Dezember).
Update vom 3. Januar
Long-COVID möglicherweise aufgrund von Autoantikörpern: Eine durchgemachte Infektion mit SARS-CoV-2, auch wenn kein schwerer Verlauf vorliegt, kann zu einer langanhaltenden Antwort von Autoantikörpern führen. Diese tritt interessanterweise sowohl bei Männern als auch bei Frauen auf, haben Kardiologen aus Los Angeles herausgefunden. Die Ärzte untersuchten eine Kohorte von 177 Patienten mit einer bestätigten vorherigen Infektion mit SARS-CoV-2 und die Reaktion der Teilnehmer auf 91 Autoantigene, die mit einer Reihe von klassischen Autoimmunerkrankungen assoziiert sind. Außerdem gab es eine Kontrollgruppe von Daten von Gesunden aus Zeiten vor der SARS-CoV-2-Pandemie. Ergebnis: Die Autoantikörper-Reaktivität insgesamt war bei Frauen nach einer asymptomatischen Infektion größer, die Breite und das Ausmaß der Autoantikörper-Antwort betraf jedoch eher Männer, wenn eine Infektion mindestens moderat symptomatisch verlaufen war. Von Autoimmunerkrankungen ist ja bekannt, dass diese eher bei Frauen als bei Männern auftreten. Bei beiden Geschlechtern ließen sich Autoantikörper über einen Zeitraum von sechs Monaten nachweisen. Die Kardiologen beobachteten auch Reaktionen auf Autoantigene, die eine deutliche molekulare Homologie zu Bestandteilen von SARS-CoV-2 hatten. Das könnte den Ärzten zufolge mit Fällen von Long-COVID zusammenhängen. Auf Basis von weiterer Forschung könnten sich therapeutische Interventionen finden lassen, um Autoimmun-vermittelte Folgeschäden und Langzeitwirkungen einzudämmen, hoffen die Forscher (J Transl Med 2021; online 30. Dezember).
Update vom 30. Dezember
Neue Daten bestätigen Adipositas als COVID-Risikofaktor. In einer retrospektiven Studie haben US-Forscher rund 20.000 Erwachsene mit Adipositas und einem BMI von mindestens 35 berücksichtigt. 5000 von ihnen hatten sich zwischen 2004 und 2017 einer bariatrischen Op unterzogen. Bis zum Corona-Ausbruch im März 2020 hatten sie durchschnittlich 21 Prozent ihres Körpergewichts verloren, die rund 15.000 nicht operierten Patienten der Kontrollgruppe zwei Prozent. Ausgewertet wurden die Daten von rund 12.000 Studienteilnehmern. Die Raten der SARS-CoV-2-Infektionen waren mit 9,1 Prozent (Op-Gruppe) und 8,7 Prozent (Kontrollgruppe) ähnlich. Unterschiede gab es aber innerhalb der zwölf Monate nach Infektion bei der Häufigkeit schwerer COVID-19-Verläufe (kombinierter Endpunkt aus Therapie auf Intensiv, Beatmungspflichtigkeit oder Tod). Nach bariatrischer Op waren schwere COVID-Verläufe im Vergleich zur Kontrollgruppe um 60 Prozent seltener, die Wahrscheinlichkeit für eine stationäre Therapie war um 49 Prozent und die einer Beatmungspflichtigkeit um 63 Prozent geringer. (JAMA Surgery; online 29. Dezember)
Psychische Probleme älterer Menschen haben in der Pandemie zugenommen, berichten britische Forscher. Sie haben Daten von mehr als 5000 in einer Longitudinalstudie berücksichtigten älteren Menschen ausgewertet. Dabei hatten Befragungen im Juni/Juli 2020 (Ende der ersten Welle) und im November/Dezember 2020 (Beginn der zweiten Welle) stattgefunden. Die Ergebnisse: Im Vergleich zur Situation vor der Pandemie gab es im Juni/Juli 2020 vermehrt Probleme infolge von Depressionen und Einsamkeit; die Probleme verstärkten sich dann zusätzlich im November/Dezember 2020. Klinisch signifikante Depressionen hätten vor der Pandemie 13 Prozent der Studienteilnehmer gehabt, im Juni/Juli dann 23 und im November/Dezember 29 Prozent, so die Forscher. In der zweiten Welle sei dann auch eine Zunahme von Angststörungen festgestellt worden (9 Prozent im Juni/Juli und 11 Prozent im November/Dezember). Besonders häufig betroffen von psychischen Problemen seien Frauen und Alleinlebende. (JAMA Psychiatry; online 22. Dezember) (mal)
Update vom 29. Dezember
Von Durchbruchinfektionen nach COVID-Impfung sind Patienten mit beeinträchtigter Immunfunktion besonders häufig betroffen. US-Forscher haben in einer retrospektiven Kohortenstudie Daten von 660.000 Probanden analysiert – darunter auch Patienten mit HIV-Infektion, mit Rheumatoider Arthritis (RA) oder nach Organtransplantation. Alle Studienteilnehmer hatten eine oder zwei COVID-19-Impfungen bekommen; bei einer COVID-Diagnose lag die letzte Impfung mindestens 14 Tage zurück. Wie die Forscher berichten, sei die Rate von Durchbruchinfektionen insgesamt gestiegen, nachdem die Delta-Variante das dominierende Virus geworden sei: Innerhalb eines Monats hätten zum Beispiel von 1000 vollständig Geimpften statistisch dann statt nur 2,2 Personen immerhin 7,3 Personen eine Durchbruchinfektion erlitten. Bei intakter Immunfunktion war dann bei 7,1 Personen mit einer Durchbruchinfektion zu rechnen, bei HIV-Infektion und bei RA mit 9,1 und 9,3 Fällen, nach Organtransplantation sogar mit 15,7 Fällen. (JAMA Intern Med. 2021; online 28. Dezember)
Antikörper von COVID-19-Genesenen hemmen die Omikron-Variante kaum, hat ein Forscherteam aus Deutschland anhand von Zellkulturstudien bestätigt. Auch die nach zweifacher BioNTech/Pfizer-Impfung gebildeten Antikörper wiesen gegen die Omikron-Variante eine deutlich geringere Wirksamkeit auf als gegen die Delta-Variante. Eine bessere Hemmung wurde nach dreifacher BioNTech/Pfizer-Impfung (Booster) ebenso wie nach Kreuzimpfung mit AstraZeneca und BioNTech/Pfizer beobachtet. Außerdem melden die Forscher, dass die therapeutisch eingesetzten Antikörper-Kombinationen Casirivimab/Imdevimab sowie Etesevimab/Bamlanivimab gegen das Omikron-Spike weitgehend wirkungslos seien. Dagegen habe der Antikörper Sotrovimab das Omikron-Spike gehemmt. Eine Hemmung durch T-Zellen, die sich nach einer Infektion bilden, sei noch zu untersuchen. (Mitteilung zu: Cell 2022; online 24. Dezember) (mal)
Update vom 28. Dezember
Bei stationären COVID-Patienten kann es sinnvoll sein, die Thromboseprophylaxe über den Krankenhausaufenthalt hinaus zu verlängern, legen die Ergebnisse der kontrollierten Studie MICHELLE nahe. Alle Studienteilnehmer (Kreatinin-Clearance > 30 ml/min; 40 Prozent Frauen) hatten weiterhin ein erhöhtes VTE-Risiko, definiert als eine Punktzahl von mehr als 4 im modifizierten IMPROVE-VTE-Score oder als Score-Wert von 2–3 Punkten in Verbindung mit einem D-Dimer-Wert >> 500 ng/ml. Der primäre Studienendpunkt (Kombi aus symptomatischen oder tödlichen VTE, asymptomatischen VTE bei CT-Pulmonalis-Angiografie oder Doppler-Ultraschall der Beingefäße, symptomatischen arteriellen Thromboembolien und kardiovaskulärem Tod in den 35 Tagen nach Klinikentlassung) ereignete sich bei 3,1 Prozent der Patienten mit Rivaroxaban-Therapie (10 mg/d für 35 Tage nach der Entlassung) und bei 9,4 Prozent in der Kontrollgruppe ohne Antikoagulation. Die Rate an Blutungen war in beiden Gruppen vergleichbar niedrig (2,5 vs. 1,9 Prozent). Allerdings waren Patienten mit erhöhtem Blutungsrisiko von der Studie ausgeschlossen worden. (Lancet 2021; online 15. Dezember) ( bs)
Wie viele Kinder und Jugendliche sind von Long-COVID betroffen? Forscher aus der Schweiz und Australien haben in einem Review 14 Studien zu Long-COVID mit insgesamt 19.426 Kindern und Jugendlichen unter die Lupe genommen. Die Prävalenz, mit der sie nach einer SARS-CoV-2-Infektion Long-COVID entwickelten, variierte erheblich. Sie lag zwischen 4 Prozent und 66 Prozent. Die analysierten Studien unterschieden sich teilweise stark im Studiendesign. Eine Kontrollgruppe wurde nur in fünf der 14 Studien einbezogen. Ohne Kontrollgruppe sei es jedoch unmöglich, die Symptome eines Long-COVID von den Belastungen zu unterscheiden, die allgemein durch die Pandemie herrührten, so die Studienautoren um Dr. Petra Zimmermann, Universität Fribourg, Schweiz. (Pediatr Infect Dis J 2021; 40: e482–487) (nz)
Update vom 27. Dezember
Komplett gegen COVID-19 geimpfte Krebskranke mit Durchbruchinfektion haben eine ähnliche Prognose wie Krebskranke ohne Impfschutz gegen SARS-CoV-2, berichten US-Forscher. Sie haben die Daten von knapp 1800 Krebspatienten analysiert, die an COVID-19 erkrankt waren. 54 (drei Prozent) davon waren komplett gegen COVID-19 geimpft, 1656 (93 Prozent) waren ungeimpft, bei 77 (vier Prozent) war die Grundimmunisierung noch nicht abgeschlossen. Ergebnis: Bei der Sterberate innerhalb von 30 Tagen, der primäre Studienendpunkt, gab es zwischen Geimpften (13 Prozent) und Ungeimpften (zehn Prozenz) keinen Unterschied. Ebenso ähnelten sich die Ergebnisse bei der Notwendigkeit einer stationären (65 vs. 50 Prozent) sowie einer intensivmedizinischen (19 vs. 13 Prozent) Behandlung. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass es zum Zeitpunkt der Datenerhebung noch keine Empfehlung zur Booster-Impfung gab und auf die bekannte Tatsache, das Krebskranke (unter Therapie) oft zu den Patienten mit eher schlechter Immunantwort auf eine Impfung gehören. COVID-Impfungen seien für Krebskranke wichtig - ebenso aber auch das Impfen von Kontaktpersonen und das Einhalten von Hygieneregeln. (Annals of Oncology 2021; online 24. Dezember) (mal)
SARS-CoV-2 hat in der zweiten Pandemiewelle zu einer deutlichen Zunahme von Lungenembolien geführt. Darauf weist eine Analyse von Versichertendaten der Barmer Krankenkasse hin. Verglichen wurden Behandlungsdaten aller Patientinnen und Patienten, die in den ersten beiden Pandemiewellen mit lebensbedrohlichen Gefäßproblemen als Notfälle in Kliniken eingeliefert wurden – insgesamt etwa 64.000 Versichertenfälle. Lungenembolien stiegen von etwa 9,9 pro 100.000 Fälle während der ersten Welle auf 15,3 während der zweiten, intensiveren Pandemiewelle. Etwa 15 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Lungenembolien waren SARS-CoV-2 positiv, wie die Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin e. V. (DGG) in einer Mitteilung zur Studie berichtet. (Eur J Vasc Endovasc Surg. 2021; online 5. September) (eb)Liebe Leserinnen und Leser, wir fassen die Corona-Studienlage wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier: