Bundestag
An der Beschneidung scheiden sich die Geister
Die Debatte zur Beschneidung von Jungen hat gezeigt: Der Bundestag tendiert dazu, religiöse Rituale nicht anzutasten. Für Kinder- und Jugendärzte bleibt die Beschneidung Körperverletzung.
Veröffentlicht:BERLIN. Im Bundestag herrscht keine Einigkeit beim Thema Beschneidung von Jungen. Quer durch alle Fraktionen verläuft die Grenze zwischen den Befürwortern und Gegner des Gesetzentwurfs von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP).
Der sieht vor, dass eine Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen in den ersten sechs Monaten nach der Geburt erlaubt sein soll, und nicht in allen Fällen müssen Ärzte den Eingriff vornehmen.
Justizministerin rührt die Werbetrommel
Leutheusser-Schnarrenberger warb in der Bundestagsdebatte am Donnerstagnachmittag für den Regierungsentwurf. Sie bekräftigte, dass Eltern von Gesetzes wegen her die Pflege der Kinder anvertraut werde.
Es sei daher davon auszugehen, dass Eltern auch bei der Beschneidung in dem Glauben handelten, dies zum Wohl des Kindes zu entscheiden.
Jüdische Eltern etwa seien sich sicher, durch die Beschneidung ihrer Söhne deren Wohl zu gewährleisten, da diese damit erst in die Gemeinschaft aufgenommen würden, erläuterte Norbert Geis (CSU).
Ähnlich sah dies auch Jerzy Montag von den Grünen. Dennoch forderte er, dass in den Gesetzentwurf der Regierung aufgenommen wird, dass sich Eltern nicht nur am Kindeswillen zu orientieren, sondern zu befolgen haben.
Zudem sollen Beschneider nur die ersten 14 Tage nach der Geburt den Eingriff vornehmen dürfen und nicht wie bisher vorgesehen in den ersten sechs Monaten, sagte Montag.
Antisemitische Vergangenheit Deutschlands beeinflusst Diskussion
Immer wieder blitzte auf, wie sehr die öffentliche Diskussion über die Beschneidung von der antisemitischen Vergangenheit Deutschlands beeinflusst wird.
Jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland sei ausdrücklich erwünscht, betonten die Redner aller Fraktionen. "Beschneidung ist mir fremd", sagte etwa Burkhard Lischka (SPD).
Aber er wolle muslimischen und jüdischen Bürgern das Recht darauf nicht absprechen. "Strafrecht darf kein Instrument zur kulturellen Belehrung sein", warnte er.
So sieht es auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Sie forderte, dass die Politik aufgrund des Kölner Urteils adäquate Bedingungen für Beschneidungen bestimmen müsse.
Ob Beschneidungen aus religiösen Motiven tatsächlich notwendig seien, müssten die Religionsgemeinschaften selbst klären.
Deutlich weniger Redner unterstützten den Alternativ-Entwurf der kinderpolitischen Sprecherinnen der Oppositionsparteien, Marlene Rupprecht (SPD), Diana Golze (Linke) und Katja Dörner (Grüne).
Sie schlagen vor, dass Jungen mit 14 Jahren selbst entscheiden dürfen, ob sie beschnitten werden wollen oder nicht. In Deutschland werden Jugendliche mit 14 Jahren religionsmündig.
Das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit des Kindes wiege schwerer als die Religionsfreiheit der Eltern, argumentierte Rupprecht.