Vertragsärzte und Kliniken

Kassen sind für gemeinschaftlichen Notfalltresen

Die Kassen wollen bei der Planung des Rettungsdienstes ein Wörtchen mitreden. Zudem mahnt der GKV-Spitzenverband: Die Reform der Notfallversorgung müsse sich an Patientenbedürfnissen ausrichten.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Notfalltriage: Die Krankenkassen fordern einen gemeinsamen Tresen für die Steuerung von Patienten.

Notfalltriage: Die Krankenkassen fordern einen gemeinsamen Tresen für die Steuerung von Patienten.

© Hauke-Christian Dittrich

BERLIN. Die Krankenkassen haben ein Mitspracherecht bei der Planung des Rettungswesens gefordert. Diese müsse „zwingend“ über Ländergrenzen hinweg erfolgen, sagte Stefanie Stoff-Ahnis, Mitglied des Vorstands des GKV-Spitzenverbands, am Mittwoch in Berlin.

Derzeit finde eine „überregionale Planung“ der Rettungsdienste nicht statt. Für Kranke oder Verletzte sei es aber unwichtig, ob der Rettungswagen etwa aus Niedersachsen oder aus Schleswig-Holstein komme. „Relevant ist allein, dass das für den Patienten am besten geeignete Krankenhaus schnell erreicht wird.“

Rund 250 Rettungsleitstellen in Deutschland

Auch Dr. Wulf-Dietrich Leber, Leiter der Abteilung Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband, mahnte eine „bundespolitische Strukturierung“ der Rettungsdienste an. Diese seien als Teil des Gesundheitswesens zu etablieren und als GKV-Leistung zu vergüten. Derzeit habe man es mit einem bunten Flickenteppich zu tun.

So existierten bundesweit rund 250 Rettungsleitstellen, für die eine Vielzahl von Trägern verantwortlich zeichne. Weder gebe es eine Statistik zur Zahl von Rettungsfahrten noch einheitliche Vorgaben für Qualität und Struktur der Rettungsdienste.

Ungeregelt sei auch, welches Haus im Notfall anzufahren sei. Von der schnellen, sprich digitalen Übertragung von Notfalldaten bereits aus dem Rettungswagen oder dem Hubschrauber heraus sei Deutschland ebenfalls weit entfernt. „Wir transportieren Postpakete verantwortungsvoller als Patienten.“

Rettungswesen bisher Länder-Sache

Rettungswagen sollten künftig nur noch die Kliniken ansteuern, die für Notfälle personell und technisch ausgestattet seien, sagte Stoff-Ahnis. Nicht jede Klinik müsse einen lebensbedrohlichen Notfall versorgen. Notwendig sei ein „am Patientenbedarf ausgerichteter Fokus“.

Die Planung des Rettungswesens ist bislang Sache der 16 Länder. Nach den von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgelegten Plänen für eine Notfallreform soll der Rettungsdienst künftig eigenständiger Leistungsbereich im SGB V werden.

Damit übernähme der Bund deutlich mehr Verantwortung in diesem Bereich. Allerdings wäre dafür das Grundgesetz zu ändern. Ob die Länder hier mitziehen, ist fraglich.

Gemeinsamer Tresen bei Notfallversorgung

In den für die Notfallversorgung ausgewählten Kliniken seien zentrale Anlaufstellen für alle Notfallpatienten einzurichten, sagte Stoff-Ahnis. Dies solle in Form von „gemeinsamen Tresen“ passieren.

An diesem solle Fachpersonal des Bereitschaftsdienstes und des Krankenhauses entscheiden, ob ein Patient in einer „KV-Notdienstpraxis“ versorgt oder an einen niedergelassenen Arzt vermittelt werde. Patienten mit medizinisch dringenden Problemen kämen in die Notaufnahme.

Der Notfalltresen sei eine „einfache und patientenfreundliche“ Lösung, betonte Stoff-Ahnis. Patienten ließen sich je nach Dringlichkeit auf den passenden Behandlungspfad lotsen lassen.

Mit den im Gesetzentwurf favorisierten Integrierten Notfallzentren (INZ) in eigener Rechtskörperschaft würde dagegen ein „dritter Sektor“ neben Krankenhausversorgung und vertragsärztlicher Versorgung geschaffen, sagte Dr. Torsten Fürstenberg, Leiter der Abteilung Ambulante Versorgung beim GKV-Spitzenverband. Ein solcher Sektor sei weder notwendig noch zielführend.

Kontroverse Vorstellungen

Die Vorstellungen der Kassen und Vertragsärzte zur Notfallreform liegen damit noch weit auseinander. Zwar hat sich auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gegen die Schaffung eines „dritten Sektors“ ausgesprochen. Zugleich lehnt sie aber eine gemischte oder gemeinsame Zuständigkeit für die INZ ab.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßte die Vorschläge des GKV-Spitzenverbands. Für die Steuerung der in der Klinik ankommenden Patienten reiche ein Tresen in Verantwortung des Krankenhauses „vollkommen“ aus.

Die Mitwirkung von niedergelassenen Ärzten auf vertragspartnerschaftlicher Basis sei dabei ausdrücklich gewünscht. „Die KVen bedarf es aber nicht.“ Der Referentenentwurf des Gesundheitsministeriums sieht vor, dass Vertragsärzte und Kliniken die Zentren in gemeinsamer Verantwortung und wirtschaftlich unabhängig errichten und betreiben sollen.

Gesundheitsminister Spahn hatte die Streithähne unlängst zur Einigung gemahnt. Ansonsten entscheide die Politik über die Spielregeln der künftigen Notfallversorgung. Die Reform soll bis Ende des Jahres stehen. Erst kürzlich hatte es ein internes Arbeitstreffen zwischen Bund und Ländern gegeben.

KVH: Bundesgesundheitsministerium soll sich klar positionieren

Unterdessen forderte die Kassenärztliche Vereinigung Hessen (KVH) das Bundesgesundheitsministerium auf, sich zum Sicherstellungsauftrag für die Notfallversorgung bereits im Vorfeld eines Kabinettsentwurfs „eindeutig und unverzüglich“ zu positionieren.

Dies sei zwingend notwendig, „um die absurde Diskussion mit nicht durchdachten Vorschlägen“ zu beenden, erklärten die Vorstandsvorsitzenden der KVH, Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke, am Mittwoch.

Kritik übten die beiden auch am Vorschlag, einen gemeinsamen Sicherstellungsauftrag von Rettungsdienst, Krankenhäusern und Kassenärztlichen Vereinigungen zu erteilen, der der zusammen mit den Kassen sogar vierseitige Verträge erfordern würde.

An dieser Stelle ist die Haltung der Ärzteschaft gespalten. So hatte sich der Berufsverband Deutscher Internisten erst Anfang dieser Woche für eine große Lösung bei der Notfallversorgung ausgesprochen.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 28.08.2019 um 15:54 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Notfallversorgung: Mühsame Konsenssuche

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