Terminservicegesetz
Letzte Chance für die Deutungshoheit
Die Messe ist gesungen, als der Bundestag am Donnerstagmorgen das TSVG verabschiedet. Entsprechend müde rangen Parlamentarier um die Interpretationshoheit des Gesetzes.
Veröffentlicht:BERLIN. Es war der Tag der Exegeten im Bundestag: Jeder Redner hat sich bei der abschließenden Debatte des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) am Donnerstag die passenden Aspekte zu seiner Position herausgesucht.
Der Minister – die Macherqualität des TSVG: Jens Spahn (CDU) fasste die Quintessenz des Gesetzes in die Trias „schneller, besser, digitaler“.
Er bemühte die Formel, Ziel sei es, die Versorgung der Patienten im Alltag besser zu machen. Dabei nehme man bei der Vergütung von Ärzten, die zusätzliche Termine anbieten, zusätzliches Geld in die Hand. Zudem unterstütze die Koalition Heilmittelerbringer mit einem Paket, das Mehrausgaben von 600 Millionen Euro nach sich ziehe. Mehrere Redner von Grünen und FDP räumten ein, dass das TSVG hier Fortschritte bringe.
Nicht auf Lob hoffen durfte Spahn bei der Selbstbeschaffung von Mehrheitsanteilen in der gematik. „Ja, wir gehen in den Konflikt mit der Selbstverwaltung“, bekannte der Minister und führte zur Begründung an, dass es seit 15 Jahren bei der elektronischen Gesundheitskarte nicht vorangehe.Doch nun solle die elektronische Patientenakte das „Fliegen“ lernen. Dafür werde er, Jens Spahn, sorgen.
Karl Lauterbach – Programmatiker der Bürgerversicherung: Er titulierte das TSVG um in „Gesetz zum Abbau der Zweiklassen-Medizin“. Das Gesetz enthalte wichtige Schritte dafür, dass Patienten nicht mehr „monatelang“ auf Termine warten müssten, sagte der SPD-Fraktionsvize und verwies auf die offenen Sprechstunden von Fachärzten, die das Gesetz fordere. Die SPD mache halt „keine Politik aus der Perspektive der Kassenärztlichen Vereinigungen“, stellte Lauterbach klar.
Maria Klein-Schmeink – ein Gesetz der verpassten Chancen: Die Grünen-Politikerin zieh die Koalition, sie gebe „das Geld mit der Gießkanne aus“, liefere aber keine Antworten auf die „faktische Unterversorgung“ in strukturschwachen Regionen.
Das TSVG als „Stärkung der Gerechtigkeit“ zu verkaufen, sei absurd. „Ein schlichtes Diskriminierungsverbot von GKV-Patienten bei der Terminvergabe „hätte auch gereicht und nichts gekostet“, so Klein-Schmeink.
Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) und Achim Kessler (Linke) – ein Gesetz ohne Perspektive: Die FDP-Politikerin prognostizierte, das TSVG werde seine Ziele verfehlen. Statt die Mindestsprechstundenzahl anzuheben, hätte die Koalition besser die jährlich 54 Millionen Bürokratiestunden von Ärzten bepreisen sollen.
Dann würden Kassen nur noch die Papierarbeit anfordern, die sie auch zu bezahlen bereit sind. Achim Kessler sieht im TSVG eine „reine Klientelpolitik für Ärzte“. Alles Übel gründet für ihn im Nebeneinander von PKV und GKV.
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