Der tägliche Verwaltungskram kostet Praxen Milliarden Euro

Wieviel Geld verschlingt der tägliche Papierkrieg tatsächlich in den Praxen? Vor drei Jahren hat die KV Westfalen-Lippe die bisher einzige Bürokratiekostenmessung bei Ärzten vorgenommen. Hochgerechnet auf das gesamte Bundesgebiet kostet die Bürokratie mindestens 1,6 Milliarden Euro.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:

Die Untersuchung, die 2006 von der Beratungsgesellschaft KPMG im Auftrag der KV vorgenommen wurde, bestätigte, was auch heute jeder niedergelassene Arzt sofort unterschreiben würde: Die meiste Arbeit und damit die größten Kosten verursachen die Dokumentationspflichten bei genehmigungspflichtigen Leistungen oder Gesundheitsuntersuchungen, der Einzug der Praxisgebühr, die Verwaltung der DMP und die Anfragen von Krankenkassen und Medizinischer Dienst. So bezifferte KPMG die Kosten für die Dokumentation von Früherkennungs- und Gesundheitsuntersuchungen auf 32 Millionen Euro, für das Kassieren der Praxisgebühr auf 20 Millionen Euro und für DMP auf 16 Millionen Euro. Insgesamt wurden die Bürokratiekosten allein für die damals rund 13 000 niedergelassenen Ärzte in Westfalen-Lippe mit 160 Millionen Euro veranschlagt.

Was die Ärzte zur Verwaltungsarbeit am Schreibtisch zwingt, sind zahlreiche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien mit Dokumentations- und Informationspflichten. Auf 65 Rechtsvorschriften mit 281 so genannten Informationsanforderungen kam KPMG für den Bereich der KV. Darin enthalten sind nicht einmal die Vorschriften zur Abrechnung, Steuerklärung oder zu den Meldepflichten als Arbeitgeber. Denn Informationspflichten, die in der Unternehmereigenschaft des Arztes begründet sind, wurden nicht in die Bürokratiekostenmessung mit einbezogen.

Nicht eingerechnet in die Gesamtkosten wurden auch die Belastungen, die mit der Praxisgebühr durch das Ausstellen von Überweisungen entstanden sind. Ihre Zahl hatte sich zwischen 2003, also vor Einführung der Praxisgebühr, und 2005 mehr als vervierfacht. Zwei Minuten Arbeitszeit für eine Überweisung zugrunde gelegt und (nach damaligem Arzthelferinnen-Tarif) mit 30 Cent pro Minute bewertet, errechneten die Prüfer einen Mehraufwand für die Praxen von 3,47 Millionen Euro. Ebenfalls unberücksichtigt blieben die Kosten für die Heil- und Hilfsmittel-Verordnung: rund 22 Millionen Euro.

Um zu ermitteln, wieviel Geld die tägliche Verwaltungsarbeit in den Praxen verschlingt, wurden eine Reihe von Standardprozessen mit Hilfe von 13 Vertragsärzten mit einem Zeitprofil hinterlegt. Für jede Arzt-Minute berechnete KPMG 1,17 Euro. Der Stundensatz belief sich dementsprechend auf 70,14 Euro.

Die damalige Anregung der Bürokratiemesser, vor allem bei den Gesundheitsuntersuchungen einen Verzicht auf die Dokumentationsbögen zu erwägen, wurde bis heute nicht umgesetzt. In Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband sei aber immerhin erreicht worden, Doppeldokumentationen im Bereich der Früherkennung abzuschaffen, berichtete KBV-Vizechef Dr. Carl-Heinz Müller jüngst auf der KBV-Vertreterversammlung.

Die KV Westfalen-Lippe sieht es als Erfolg an, wichtige Stellen für das Thema "unnötige Bürokratie" sensibilisiert zu haben. So wurde bei der KBV ein Referat für Regulierungsfragen eingerichtet. Durch diese Stelle "haben wir einen direkten Kontakt zum Nationalen Normenkontrollrat der Bundesregierung". Dadurch könne man Normen "gezielt nach überflüssigem Aufwand filtern".

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